Cum-Ex-Deals:Warum die Deutsche Bank schwieg

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Das Institut wusste früh, wie sich etwa Fonds mithilfe von Aktiendeals am Staat bereicherten. Das belegt ein interner E-Mail-Verkehr. Der Bundesregierung sagte der Konzern aber nichts.

Von Klaus Ott und Katja Riedel, Frankfurt

Das Schreiben, das die Deutsche Bank in einem ziemlich heiklen Fall am 29. März 2012 dem Finanzamt Wiesbaden II schickte, war 24 Seiten lang und voller komplizierter Details. Doch das, was das größte Geldinstitut im Lande dem Fiskus zu sagen hatte, lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: Selbst schuld! Der Staat habe gewusst, dass es aufgrund einer Gesetzeslücke bei bestimmten Geschäften an der Börse zum Griff in die Staatskasse kommen könne. Die Politik habe diese Lücke "billigend in Kauf genommen". Der Schwarze Peter, das machte die Deutsche Bank in Frankfurt klar, liege in Berlin; bei Bundesregierung und Bundestag. Sie sollen es versäumt haben, Aktiendeals zu verhindern, bei denen der Fiskus von Banken und anderen Akteuren um mehr als zehn Milliarden Euro erleichtert wurde. So lautete der Duktus der Deutschen Bank, als sie zu einem Börsengeschäft eines Bankkunden befragt wurde.

Notiz: Bei bestimmten Deals werde eine Steuerrückzahlung "zwei Mal geltend gemacht"

Alle Schuld beim Staat? So hätte es die Finanzbranche wohl gerne. So war es aber nicht, wie sich am Beispiel der Deutschen Bank zeigt. Der Finanzkonzern aus Frankfurt hat frühzeitig gewusst, wie sich manche Geschäftemacher mit Aktiendeals am Staat bereicherten. Das belegt ein interner E-Mail-Verkehr der Deutschen Bank vom 7. Mai 2009. Darin heißt es wörtlich, der Fiskus werde mit solchen Deals "zur Kasse gebeten". Der Finanzkonzern machte nach eigenen Angaben bei diesen Deals nicht mit; er hätte aber die Regierung frühzeitig warnen können. In den Akten des Bundesfinanzministeriums finden sich jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass das damals von Josef Ackermann geleitete Geldinstitut die Politik in Berlin alarmiert und dazu geraten hätte, die Gesetzeslücke schnell und umfassend zu schließen. Der Schwarze Peter, er liegt auch in Frankfurt.

In den Türmen der Deutschen Bank in Frankfurt wussten einige über Cum-Ex-Deals viel und sagten wenig. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Es geht um den Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende. Banken, Kapitalanlagefonds und andere Investoren nutzten eine erst 2012 geschlossene Lücke bei den Börsenregeln. Die Investoren ließen sich dabei eine auf die Dividende fällige und an den Fiskus einmal abgeführte Kapitalertragsteuer von den Finanzbehörden gleich mehrmals erstatten. Möglich war das, weil es sich um spezielle, sehr komplizierte Aktiendeals handelte, die auch noch über das Ausland liefen und die der Fiskus lange nicht durchschaute. Im Gegensatz zur Deutschen Bank. Die notierte am 7. Mai 2009, bei bestimmten Cum-Ex-Deals werde eine Steuerrückzahlung "regelmäßig zwei Mal geltend gemacht", obwohl die Abgabe zuvor nur einmal an den Fiskus abgeführt worden sei. Dieses Geschäft zulasten des Staates sei "von Investoren durch entsprechende Gestaltungen bewusst herbeigeführt" worden. Jetzt, da diese Aktiendeals Staatsanwälte und Steuerfahnder und einen Untersuchungsausschuss des Bundestags beschäftigen, weist die Finanzbranche die Schuld weiter von sich. Um von sich abzulenken. Ein durchschaubares Spiel, wie diverse Unterlagen und Zeugenaussagen im Untersuchungsausschuss zeigen. Die Deutsche Bank beschäftigte sich im Mai 2009 intern mit dem Geschehen an der Börse, weil das Bundesfinanzministerium damals einen Versuch unternahm, solche Aktiendeals per Erlass zu stoppen. Was aber aus Sicht der Deutschen Bank nur schiefengehen konnte, und dann tatsächlich auch schiefging. Der Erlass sei eine vergebliche "Notoperation am toten Patienten" gewesen, sagte ein damaliger Beschäftigter der Deutschen Bank im Untersuchungsausschuss, als er von SPD und Grünen befragt wurde.

Der Ausschuss hat noch mehr Zeugen aus der Finanzbranche vernommen; aus großen Geldinstituten und aus dem Bundesverband deutscher Banken (BdB). Immer mehr verfestigt sich der Eindruck, das Geldgewerbe habe die Politik in eine Art Falle laufen lassen. 2007 hatte die Regierung einen ersten, untauglichen Versuch unternommen, die Gesetzeslücke zu schließen. Der Deutsche-Bank-Zeuge berichtete im Ausschuss, man habe sich "ausrechnen" können, "was daraus wird", nämlich nichts. Der Bankenverband und seine Mitglieder unternahmen nach bisherigen Erkenntnissen aber nichts, um solche Fehler der Politik zu korrigieren. Im Gegenteil. Die Deutsche Bank hatte 2002 im BdB vergeblich darauf gedrängt, mit dem Fiskus offen über das bereits absehbare Problem zu reden. Stattdessen entschied sich der BdB, der Politik einen Lösungsvorschlag zu verkaufen, in dem die entscheidende Auslandslücke "bewusst" offen geblieben war. Auch das ist Unterlagen der Deutschen Bank zu entnehmen. Das Institut will sich wegen des derzeit laufenden Untersuchungsausschusses nicht dazu äußern.

Der Bankenverband, die Deutsche Bank und andere Geldinstitute wussten viel und sagten wenig.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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