Cloud-Computing:Mehr als Speichern

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Weil die Windräder immer größer und dadurch effizienter werden, kommen manche Betreiber der Anlagen künftig ganz ohne Subventionen aus. Allerdings dominieren die gigantischen Propeller dann erst recht das Bild einer Landschaft. (Foto: Valentin Flauraud/dpa)

Für viele Unternehmen ist es Standard, IT-Aufgaben in die Cloud zu verlagern. Allmählich begreifen sie auch, dass es dabei um mehr geht als nur um eine billigere Art der Datenablage.

Von Helmut Martin-Jung, San Francisco/München

"Vor sieben Jahren", sagt Christophe Blassiau, "da waren wir lauter verschiedene Firmen". Rief ein Kunde bei der einer der vielen Abteilungen oder Tochterunternehmen von Schneider Electric an, konnte es gut sein, dass man dort nichts von diesem Kunden wusste, obwohl der in der anderen Abteilung längst in einer Kartei geführt wurde. Der französische Konzern ist natürlich auch ein weitverzweigtes Unternehmen, aktiv in 190 Ländern. Blassiau aber war klar, so konnte das nicht bleiben: "Wir müssen mit dem Endkunden verbunden sein, wenn wir das Verhältnis zu ihnen wieder zurückholen wollen."

Was der Konzern also brauchte, war eine Plattform, auf der alles zusammenlief: Die Mitarbeiter, die Partner und Distributoren, die Elektriker und Systemintegratoren und nicht zuletzt die Kunden, die über die Webseite der Firma angesprochen werden. Und das bei einem großen Portfolio, das von Technik für Stromnetze bis hin zu Fabrik-Automatisierung reicht.

"Die Unternehmen haben Angst, ihre erfolgreichen Geschäfte zu gefährden."

"Wir haben mit dem Vertrieb angefangen", sagt Blassiau, mittlerweile sind auch der Support und die 6000 Außendienstler über die Plattform des US-Anbieters Salesforce verbunden. "Das hat uns einen 360-Grad-Blick auf den Kunden verschafft", sagt Blassiau. Um weiterzukommen, hat das Unternehmen inzwischen auch viele seiner Partner in das System zum Kundenmanagement aufgenommen. Heute weiß Schneider, wer aus dem Firma mit welchem Kunden zu tun hatte. Für jeden Kunden gibt es nur einen Eintrag, auf dem aber alles verzeichnet ist. Außerdem hat die Firma nun den Überblick darüber, welches Equipment wo installiert ist. Und aus den akkumulierten Daten aller Kunden kann der Konzern Trends ableiten.

Dass Salesforce seine Dienste nur in der Cloud anbietet - als Dienstleistung also, die man über das Internet bezieht -, sei keine Voraussetzung gewesen, sagt Blassiau, "aber es hat die Entwicklung beschleunigt". Agil und schnell zu sein, unter diesem Druck sehen sich mehr und mehr Konzerne, beobachtet auch Björn Goerke, Chief Technology Officer und Leiter des Cloud-Geschäfts beim deutschen Konkurrenten SAP. "Die Unternehmen haben zwar Angst, ihre erfolgreichen Geschäfte zu gefährden", sagt Goerke, aber sie spürten eben auch den Druck von außen, beweglicher zu werden, Projekte schneller abzuwickeln.

Eine Plattform als Dienstleistung - in der Branche PaaS (Platform as a Service) genannt - könne da helfen, sagt Goerke. Das Problem seiner Kunden: "Die sind alle unter den Top 100, das sind keine Start-ups aus dem Valley". Wie aber sollen sie umgehen mit der Veränderung, die auf sie zukommt? Der Schritt hin zu digitalen Plattformen in der Cloud befreit die Unternehmen von der Pflicht, die grundlegende IT-Einrichtung zu übernehmen. Wenn es nicht klappt mit einem Projekt, meldet man sich bloß ab, die Server stehen nicht nutzlos in der eigenen Firma herum. Auch umgekehrt funktioniert es: Braucht ein Projekt schnell mehr Ressourcen, bucht man einfach mehr dazu, bei vielen Cloud-Anbietern ist das eine Sache von wenigen Klicks. Weiterer Vorteil für die Kunden: Sie können sich ihren Kernaufgaben widmen.

Für diese Aufgaben werden Daten immer wichtiger: "Man braucht aktuelle Daten, Echtzeitanalyse und maschinelles Lernen", sagt Goerke. Dazu kommen Dinge wie Bots, also mit künstlicher Intelligenz (KI) betriebene Software, die zum Beispiel Fragen beantworten oder E-Mails analysieren und an die jeweiligen Sachbearbeiter weiterleiten kann. Bei Schneider Electric etwa laufen pro Jahr 12 000 Anrufe im Support auf. Mit KI-gestützten Systemen hofft Christophe Blassiau einen Teil der Anfragen automatisiert beantworten zu können. Die Frage wird allerdings sein: "Wie unstrukturiert kann man den Computer fragen?", so SAP-Mann Goerke.

Pro Jahr gehen bei Schneider Electric 12 000 Support-Anrufe ein

Nicht wenige fragen sich allerdings auch, wie sicher es denn ist, wenn Daten der Firma in Clouds gespeichert und verarbeitet werden. Goerke hat dazu eine klare Meinung: "Für die Masse der Unternehmen ist es sicherer, als es selbst zu versuchen." Die meisten IT-Verantwortlichen, mit denen er zu tun habe, "werden blass, wenn wir ihnen die Liste vorlegen, was alles getan werden muss". Die Sorge sei zwar da, aber im Grunde nicht berechtigt.

Es wird auch kein Kunde dazu gezwungen, sich auf einen einzigen Anbieter zu fixieren. "Die großen Kunden haben eine Multi-Cloud-Strategie", sagt Goerke, nutzen etwa Amazons Cloud zum Speichern großer Datenmengen und zusätzlich den Azure genannten Dienst von Microsoft. Der Vorteil dabei: Die Firmen können dann auch Innovationen nutzen, die die Cloud-Betreiber anbieten.

Mittlerweile, sagt Björn Goerke, sei die Cloud bei allen SAP-Kunden gesetzt, "auch härteste Verweigerer öffnen sich, wenn auch nicht für alles". Sie merken: "Die Cloud ist nicht bloß ein Ort , sondern auch eine Denkweise." Vor einigen Jahren noch ging es vor allem, Kosten zu sparen, weil die Cloudanbieter Daten billiger speichern konnten. Doch darum geht es nicht mehr. Schnelligkeit ist gefragt, Konzentration auf den Kunden. Grund zur Torschlusspanik besteht aber noch lange nicht. "Es wird noch viel Vision gezeigt", sagt Goerke, "der reale Einsatz ist oft noch weit weg".

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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