China:Wenn Milliarden abfließen

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Wohnhäuser in Peking: China hat gerade ein gewaltiges Problem, die Währung sackt ab, die Notenbank muss mit viel Geld gegensteuern. (Foto: Qilai Shen/Bloomberg)

Um die Kapitalflucht einzudämmen, verschärft China seine Devisengesetze. Das ist ein riskantes Manöver.

Von Christoph Giesen, Peking

Im Juni 2014 waren es noch knapp vier Billionen Dollar: Chinas Währungsreserven, der mit Abstand größte Devisenschatz der Welt. Gut zweihalb Jahre später hat zwar noch immer kein Land mehr Fremdwährungen in der Bilanz, doch es hat sich etwas verändert, ein neuer Rekord ist hinzugekommen: Kein Staat büßt so große Summen in so kurzer Zeit ein. Um 873 Milliarden Dollar ist der Betrag abgeschmolzen. Alleine im vergangenen Monat reduzierten sich die Devisenreserven um 46 Milliarden Dollar. Für fast jede andere Zentralbank wäre das der Ruin.

Die Chinesische Volksbank verkauft die Reserven um die eigene Währung zu stützen. In den vergangenen Wochen lockerte die Zentralbank in Peking sogar den Referenzkurs. Insgesamt büßte der Yuan um etwa sechs Prozent im Vergleich zum Dollar ein. Chinas Währung ist so schwach wie seit gut acht Jahren nicht mehr.

Der Grund: Sehr viel Geld fließt aus der Volksrepublik ab, einem Land, das eigentlich die schärfsten Devisengesetze hat. Privatpersonen dürfen 50 000 Dollar pro Jahr transferieren, Firmen konnten bis zu 50 Millionen Dollar überweisen. Damit ist es jetzt erst einmal vorbei. Die Regeln werden deutlich verschärft.

Laut eines Gesetzentwurfes, der kurzfristig im Internet kursierte, plant der Staatsrat Auslandsinvestitionen von chinesischen Unternehmen von mehr als zehn Milliarden Dollar zu untersagen. Chinesische Währungshüter informierten zudem Anfang der Woche die Banken, dass künftig alle Zahlungen ins Ausland von mehr als fünf Millionen Dollar der Devisenaufsicht in Peking vorlegt werden müssen. Auch bereits genehmigte Großüberweisungen sollen noch einmal geprüft werden.

In den Vertretungen der ausländischen Firmen herrscht Alarmstimmung

Das wiederum könnte ausländische Firmen in Schwierigkeiten bringen, nämlich, wenn plötzlich etliche Dividendenzahlungen in die Heimat beanstandet werden sollten. In den Vertretungen der großen Firmen herrscht deshalb Alarmstimmung. Öffentlich äußern möchte sich niemand, noch hofft man, dass es nur eine vorübergehende Maßnahme ist: "Es ist sehr investorenfeindlich, aber hoffentlich bloß ein Warnschuss", sagt ein leitender Manager in Peking.

Denn: Devisenzahlungen und Firmenkäufe im Ausland sind nur ein kleiner Teil, dessen, was abfließt. Das meiste Geld kommt abhanden, weil es illegal das Land verlässt. Chinas Mittelklasse vertraut nicht mehr. Wie gewaltig die Summen sind, zeigt die Forschung von Christopher Balding. "Seit 2012 haben etwa 1,6 Billionen Dollar die Volksrepublik verlassen", sagt der amerikanische Ökonom, der an der Peking Universität lehrt. "Und das nur durch manipulierte Importe und Exporte." Seine Methode, um die Unwucht zu belegen: Er vergleicht die Importzahlen des Zolls mit den Datensätzen der Banken für Auslandsüberweisungen. Die Zollzahlen sind deutlich niedriger als die Summen, die ins Ausland geschickt werden.

Ein Beispiel: Ein Unternehmen bestellt Waren im Wert von 15 Millionen Dollar im Ausland, geliefert werden allerdings nur Güter für zehn Million, der Rest des Geldes wird auf ein Konto im Ausland eingezahlt. Fünf Millionen Dollar sind futsch. Ist es möglich, den Geldabfluss zu kontrollieren? Entweder müsste man jedes Schiff, jeden einzelnen Container überprüfen und dann den realen Wert der Waren in diesen Containern kennen oder aber man verschärft die Devisenkontrollen erheblich. Dafür hat sich Peking nun entschieden.

Ein anderes Schlupfloch wurde vor vier Wochen geschlossen. Bis Ende Oktober konnte man mit einer chinesischen Kreditkarte in Hongkong Lebensversicherungen in Millionenhöhe abschließen. Um 160 Prozent stiegen die Umsätze der Versicherer im Vergleich zum Vorjahr. Natürlich werden nicht auf einmal so viele Policen benötigt, aber man konnte sie als Sicherheit für einen Bankkredit hinterlegen. 80 Prozent bekam man ausbezahlt. Für Peking ein Desaster, das nun ein Ende haben soll. Allerdings auf die Gefahr, durch die Abschottung ein vieles größeres Problem zu kreieren.

© SZ vom 01.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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