China:"Bösartige Leerverkäufer"

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Die chinesische Regierung kämpft vergeblich gegen den Börsencrash an. Die Politik vermutet hinter dem Absturz das Werk feindlicher Kräfte aus dem Westen. Dort wiederum mehren sich unterdessen die Sorgen.

Von Harald Freiberger, München

Der Kursverfall an Chinas Börsen geht weiter. Auch am Dienstag kamen die Aktien unter Druck, obwohl die Regierung wieder versucht hat, den Markt zu stützen. Allerdings war der Einbruch nicht mehr so desaströs wie am Vortag, als die Börsen in Shanghai und Shenzhen sieben bis acht Prozent verloren hatten - der größte Absturz seit acht Jahren. Am Dienstag waren es noch ein bis zwei Prozent. Die Sorge ist groß, dass der Crash das Wirtschaftswachstum in jenem Land gefährdet, das längst Lokomotive der Weltwirtschaft ist. Derzeit wächst Volksrepublik mit sieben Prozent. Das reicht in China gerade noch, um die Zahl der Arbeitsplätze zu erhalten. Die Kreditvergabe der Banken an die Unternehmen stockt, also erkor die Regierung den Aktienmarkt zum Allheilmittel: Sie animierte besonders Privatleute zu investieren, oft über billige Kredite.

Die Regierung verdächtigt westliche Investoren, den Crash mit Wetten zu verstärken

Das führte zu einem künstlich erzeugten Börsenboom. Binnen eines Jahres stiegen die Kurse um 150 Prozent - bis es den Investoren im Juni zu heiß wurde. Innerhalb von 18 Handelstagen fielen die Börsen um mehr als 30 Prozent. Die Regierung versuchte den Verfall mit drastischen Maßnahmen zu stoppen: Sie verbot Unternehmen, Aktien zu verkaufen, schob Börsengänge auf, erlaubte das Aussetzen des Handels.

Anfang der Woche begann China, die Stützaktionen zurückfahren. Die Folge: ein erneuter Einbruch. Jetzt fahndet die Regierung nach "bösartigen Leerverkäufern". Die Wertpapieraufsicht hat ein Team eingesetzt, das Hinweisen auf einen "konzentrierten Ausstieg aus Aktien" nachgeht. Vor allem ausländische Investoren, so Chinas Parteipresse, hätten mit Wetten auf einen Kursverfall diesen verstärkt. Die Wahrheit ist allerdings, dass fast ausschließlich Chinesen Aktien halten. Währenddessen pumpte die Zentralbank erneut Geld in den Markt, um die Kurse zu stützen. Fachleute bezweifeln jedoch, dass es so gelingt, das Vertrauen wieder herzustellen. Statt die Märkte zu stützen, sei es besser, wenn die Regierung "stärker auf Finanz- und Wirtschaftsreformen setzen würde", mahnte Michael Kerley, Fondsmanager bei Henderson Global Investors. Im Westen mehren sich die Sorgen vor einer Ansteckung. "Der Aktienmarkteinbruch hat eine stark destabilisierende Wirkung", sagte der deutsche Ökonom Peter Bofinger. Dies strahle auch auf andere Länder aus. "Das ist nachteilig für die deutschen Exporte und für die Autoindustrie."

© SZ vom 29.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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