Chefwechsel bei Evonik:Für immer Ruhrgebiet

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Duisburg, Bochum, Mühlheim, Essen: Klaus Engel, Nachfolger von Werner Müller bei Evonik, kennt das Revier.

H.-W. Bein und S. Weber

Im Mai 2006, Klaus Engel war als Chef des Spezialchemieunternehmens Degussa noch nicht angetreten, gab es die ersten Spekulationen, wohin er als Nächstes aufsteigen könnte: auf den Chefsessel des Evonik-Konzerns, damals RAG. Indizien dafür gab es eine Menge. Degussa stand schon damals für mehr als zwei Drittel des Evonik-Umsatzes. Wer dort seinen Job gut macht, empfiehlt sich für höhere Aufgaben. Auch sei es für die weitere Karriere gewiss kein Hindernis, ein alter Weggefährte von Konzernchef Werner Müller zu sein, hieß es auf den Fluren der Essener RAG-Zentrale.

Wird neuer Evonik-Boss: Klaus Engel. (Foto: Foto: dpa)

Und ein Weggefährte, das war und ist Engel: Schon 1989 hatte Müller den promovierten Chemiker Engel von den Chemischen Werken Hüls geholt, in den Energie-Stab des damaligen Veba-Konzerns. Der fusionierte später mit Viag zum Eon-Konzern. Also ist es keine Überraschung, dass Engel Müller ablösen wird. Für Verwunderung sorgt der Zeitpunkt. Selbst Engel, so heißt es, sei von der neuen Lage überrascht worden. Vor einigen Tagen arbeitete der 52-Jährige gerade an einem Vortrag zu seinem Lieblingsthema "Energieeffizienz", als ihn Wilhelm Bonse-Geuking, als Chef der RAG-Stiftung oberster Vertreter der Evonik-Eigner, am Telefon darüber informierte.

Der unternehmerische Typ

Mit einem so raschen Wechsel hatte der gebürtige Duisburger nicht rechnen können. Schließlich war Müllers Plan, die Führung der Evonik übergeordneten RAG-Stiftung zu übernehmen, im vergangenen Jahr am Widerstand des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rütgers gescheitert. Und so schien klar, dass der frühere Bundeswirtschaftsminister seinen bis 2011 laufenden Vertrag als Evonik-Chef erfüllen würde. Jetzt wird es anders kommen, und Engel wird weniger Zeit dafür verwenden können, Themen wie "Energieeffizienz" voranzutreiben.

Stattdessen sind in Zukunft verstärkt seine Fähigkeiten in der Unternehmensentwicklung und seine Erfahrungen im Umgang mit Finanzinvestoren gefragt. Denn seit Juni gehören 25,1 Prozent von Evonik dem Finanzinvestor CVC Capital. Und der Konzern hat noch eine Menge vor: In den nächsten drei bis fünf Jahren soll der ursprünglich für 2006 geplante Börsengang endlich gelingen. Dann will der Essener Industriekonzern auch möglichst rasch in den Kreis der 30 größten börsennotierten deutschen Unternehmen aufrücken, also denen, die im Aktienindex Dax zusammengefasst sind.

Dem Urteil von Branchenkennern und Weggefährten zufolge bringt Engel für die Aufgaben gute Voraussetzungen mit. Er gilt als "unternehmerischer Typ", konsequent in seinen Entscheidungen und durchsetzungsstark. Dem früheren Sorgenkind Degussa verordnete er eine radikale Schlankheitskur, halbierte die Zahl der Geschäftsbereiche auf sechs und integrierte das Unternehmen in kurzer Zeit in den Evonik-Konzern.

Zu lange hatte das Unternehmen zuvor von seinem Ruf als weltweit größter Chemiespezialist und der Weltgeltung wichtiger Produktentwicklungen gezehrt. Schwachstelle war indessen der Vertrieb. Engel, der vor seinem Wechsel zu Degussa Chef des weltweit größten Chemielogistik-Unternehmens Brenntag gewesen war und dort einschlägige Erfahrungen gesammelt hatte, machte den Vertrieb zur Chefsache und brachte ihn auf Vordermann.

Nur ein paar Kilometer

Erfahrungen mit dem Kapitalmarkt und im Umgang mit Finanzinvestoren hat Engel, ein Mann von bulliger Statur, auf seinen bisherigen Stationen gleich mehrfach gesammelt. Als Leiter der Unternehmensentwicklung war er am Börsengang der früheren Veba-Tochter Stinnes im Jahr 1999 beteiligt. Und auch als Chef des Stinnes-Ablegers Brenntag sah er sich einige Jahre später dem Kapitalmarkt ausgesetzt. Sein damaliger Arbeitgeber wechselte gleich mehrfach den Eigentümer: Stinnes verkaufte Brenntag an die Deutsche Bahn, die das Unternehmen wiederum kurz darauf an den amerikanischen Investor Bain Capital weiterreichte. Der dürfte Engel äußerst dankbar sein, denn das Investment erwies sich für Bain als guter Griff. Etwa 1,4 Milliarden Euro zahlte der Finanzinvestor 2003 für Brenntag und die zweite Stinnes-Tochter Interfer. Beim Verkauf drei Jahre später erhielt Bain allein für Brenntag drei Milliarden Euro.

Der künftige Evonik-Chef ist ein Kind des Ruhrgebiets. In Duisburg geboren, hat er in Bochum Chemie studiert. Auch in seiner Karriere hat er die Region nicht verlassen: Bei Hüls stand sein Schreibtisch in Marl, zu Veba-Zeiten arbeitete er in Düsseldorf. Und sowohl bei Stinnes als auch bei Brenntag hieß der Dienstsitz Mühlheim. Von dort bis nach Essen in die Evonik-Zentrale sind es nur ein paar Kilometer.

© SZ vom 21.08.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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