Bürgermeister organisiert Krisengipfel:Hertie darf nicht sterben

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Mitten im Insolvenzverfahren: Der Bürgermeister einer nordrhein-westfälischen Kleinstadt trommelt für das Traditionskaufhaus Hertie - und bestellt den Insolvenzverwalter zum Rapport.

Melanie Ahlemeier

Für Günter Ditgens (CDU), Bürgermeister der Stadt Wesseling, ist es eine Herzensangelegenheit: Er will Hertie am Standort Wesseling retten. Damit die Rettung gelingt, stehen am Anfang Information und Kommunikation. Und weil es die bisher kaum gab, setzt der Verwaltungschef auf Eigeninitiative - und lädt die Verwaltungsspitzen aller 71 weiteren Hertie-Standorte zum Krisengipfel. Treffpunkt: Kongresszentrum Rheinforum in der rund 36.500 Einwohner zählenden Kommune Wesseling. Termin: Mittwoch, mitten in der ersten Wesselinger Sportwerbewoche. Das Ziel: Ein bundesweiter Informations-, Gedanken- und Erfahrungsaustausch zur Stärkung des Einkaufsstandortes Innenstadt, wie es in der Einladung heißt.

In vielen Innenstädten eine Institution: Ende Juli hat Hertie Insolvenz angemeldet, jetzt wird ein Investor gesucht. (Foto: Foto: ddp)

Keine Shoppingcentren auf der grünen Wiese

Denn um die Innenstadt sorgt sich Ditgens, seit neun Jahren Verwaltungschef, sehr. "Das Hertie-Haus hat eine Ankerfunktion in der Innenstadt und ist stadtprägend", sagt er. Seine Verwaltung schützt die Innenstadt, Shoppingcentren auf der grünen Wiese genehmigt sie nicht.

Macht Hertie dicht, "würde das der gesamten Innenstadt weh tun", prophezeit der Bürgermeister. Gut zwei Dutzend Mitarbeiter ("das waren mal viel mehr") finden heute noch am Hertie-Standort Wesseling Arbeit. "Die Menschen hier treibt die Ohnmacht um", weiß der Verwaltungschef. Um die Arbeitsplätze zu halten, hat der Bürgermeister bereits eine Resolution an die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) geschickt.

Während der Bürgermeister im Rhein-Erft-Kreis hofft und bangt, läuft trotzt des Insolvenzverfahrens der Hertie-Betrieb so normal wie möglich weiter. Kürzlich seien die Herbst-Kollektionen und Weihnachtssüßigkeiten in den Filialen eingetroffen, berichtet Krisen-PR-Manager Wolfgang Weber-Thedy, der von Insolvenzverwalter Biner Bähr unter Vertrag genommen wurde.

Und um der durch die Pleite angekratzte Marke wieder ein besseres Image zu verpassen, rührt das Traditionskaufhaus Hertie kräftig die Werbetrommel. Seit Anfang dieser Woche ist der neue Hertie-Werbespot ("Zum Glück gibt es Hertie") nahezu bundesweit im Radio zu hören. Weber-Thedy: "Diese Werbekampagne haben wir zusätzlich oben draufgesattelt." Auch Kunden in den Hertie-Filialen werden mit dem Rock-Jingle beschallt.

Kontakte knüpfen

Ende Juli hatte Hertie Insolvenz angemeldet, spätestens im Dezember soll es für die ins Schlingern geratene Kaufhauskette einen neuen Eigentümer geben. Derzeit werden Sondierungsgespräche mit möglichen Investoren geführt, auch Finanzinvestoren sind im Rennen. Die Nachfrage? Riesig, wenn man Weber-Thedy glauben darf. Wie viele konkret? Das wird nicht verraten.

Auf Einladung des engagierten Bürgermeisters Ditgens wird beim Krisengipfel am Mittwoch auch Insolvenzverwalter Biner Bähr zu den Verwaltungsvertretern sprechen. Sein Job an diesem Tag: Er soll den Stand des Insolvenzverfahrens erläutern.

Das wird hoffentlich auch den Bürgermeister optimistischer stimmen - denn Ditgens geht es beim Krisengipfel, wie er selbst sagt, in erster Linie um den Austausch von Informationen. Wahrscheinlich deshalb hat Bürgermeister Ditgens die Hälfte der Zeit der auf sechseinhalb Stunden angelegten Tagung zum Stichwort "Networking" verplant.

Man weiß ja schließlich nie, was noch kommt.

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