Börsenkurse unter Druck:Schwere Übung

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Niemand weiß, wie tief die Kurse noch fallen werden. Doch keine Panik: Denn die staatlichen Maßnahmen beginnen zu greifen - und ein Tiefpunkt ist immer auch ein Wendepunkt.

Markus Zydra

Wir leben in pädagogisch wertvollen Zeiten. Selten war die Lernkurve so steil, ganz besonders bei den Finanzeliten dieser Welt. Vor gut einem Jahr galten Großbanker als smart und Schuldenmachen als Tugend. Risiken, so das Paradigma, müsse man nur verpacken - schon sind sie weg. Und selbst wenn es der Westen wirtschaftlich vermasselt, Asien galt als stark genug, um uns rauszuhauen. Mittlerweile sind Dinge passiert, die rückblickend einen Lottogewinn als wahrscheinlicher erscheinen lassen.

Ungewissheit an den Börsen: Wann wirkt die Medizin von Staat und Zentralbanken? (Foto: Foto: ddp)

Nun steht die globale Wirtschaft in den nächsten Monaten vor einem Niedergang. Anders lassen sich die hilflosen Aussagen von Unternehmern nicht interpretieren: Solche Umsatzeinbrüche in so kurzer Zeit gab es offenbar noch nie. Die Welt befindet sich ökonomisch im Leerlauf. Bei Gesprächen im Freundeskreis und im Büro kristallisiert sich eine Ahnung heraus, dass hier Schlimmes bevorstehen könnte, und zwar in einem bislang nicht gekannten Ausmaß.

Emotion steuert Verhalten

Auch an der Börse ist diese Ahnung ein Thema, allerdings schon sehr viel länger. Aktienhändler schauen in die Zukunft, und die sieht in deren Augen schon seit Sommer 2007 schlecht aus. Deshalb ist der deutsche Leitindex Dax seit Jahresbeginn von 8000 auf 4300 Punkte gefallen. Gut möglich, dass er weiter abstürzt, bis auf 3000 oder 1000 Punkte.

Das klingt zwar unwahrscheinlich - aber die augenblickliche Lehre ist ja, dass genau mit solchen Ereignissen zu rechnen ist. Eine Welt, in der vor allem das Abwegige möglich erscheint, lässt sich rational kaum noch fassen. Die Emotion steuert das Verhalten, gerade beim Thema Geld. Die Verbraucher horten es, weil sie Angst vor Arbeitslosigkeit haben. Neue Autos will da keiner. Die Unternehmer horten es, weil sie keinen Kredit mehr kriegen. Investitionen bleiben aus. Die Banken horten es, weil sie kaum noch Geld haben. Kreditinstitute und Hedgefonds sind hochverschuldet, sie verkaufen deshalb seit Monaten alle Wertgegenstände - auch Aktien. Das schließt den Kreis, denn diese Notverkäufe schwächen die Börsen massiv.

Hoffnung für 2009

Nun bewegt sich die Welt niemals geradlinig. Ja, es kann sehr schlimm werden, aber irgendwann dreht die Stimmung. Das gilt für Menschen mit Liebeskummer, das gilt auch für die Wirtschaft. Und wenn alles nichts hilft, gibt es Medikamente. Die verabreichen Staat und Zentralbanken der globalen Wirtschaft in rauen Mengen, und es ist sehr wahrscheinlich, dass es wirken wird.

Daraus lässt sich Hoffnung schöpfen für das nächste Jahr. Die Stimmung an der Börse dreht früher als in der Realwirtschaft, weil in den Aktienpreisen die Zukunft antizipiert wird. Börsen beginnen zu verlieren, wenn die Wirtschaft gerade noch brummt, sie machen langsam Gewinne, wenn die Rezession sich austobt. Immer mehr Investoren dürften deshalb in den nächsten Monaten umdenken. Sie beurteilen dann vielleicht eine BASF-Aktie für 22 Euro als günstig und sind auch bereit, einige Zeit zu warten, bis die Kurse wieder steigen. Diese Käufer mit Vertrauen in einen abzusehenden Konjunkturaufschwung sind noch in der Minderheit. Der US-Milliardär Warren Buffett gehört als Prominentester dazu.

Anleger sollten sich an das Jahr 2003 erinnern. Viele Menschen waren arbeitslos, die Firmen pessimistisch. Es war der Beginn der Hausse, der Aufschwung folgte. Niemand erwischt den Wendepunkt exakt. Doch eine kollektive Untergangsstimmung, mit der 2009 zu rechnen ist, gilt als ein guter Indikator. Das ist der Zeitpunkt, über Aktien nachzudenken. Das ist auch die wichtigste Lehre der Börsengeschichte - sie zu beherzigen, gehört jedoch zu den schwersten Übungen.

© SZ vom 21.11.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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