Börsengang von Delivery Hero:Radelnde Kellner für 4,5 Milliarden Euro

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Es muss schnell gehen: Ein Essenlieferant radelt durch Berlin. Auf dem deutschen Markt wird der Wettbewerb immer härter. (Foto: FABRIZIO BENSCH/REUTERS)

Das Unternehmen Delivery Hero, zu dem auch Lieferheld, Foodora und Pizza.de gehören, soll zum Börsenstart angeblich halb so viel wert sein wie etwa die Lufthansa. Für Anleger ist diese Euphorie gefährlich.

Kommentar von Caspar Busse

An der Börse werden auf den ersten Blick Aktien ge- und verkauft, jede Minute und jeden Tag. In Wirklichkeit aber steht viel mehr dahinter. Anleger steigen ein, weil sie fest an ein Unternehmen und an dessen sogenannte Börsenstory glauben. Sie gehen davon aus, dass das Geschäft bald einen rasanten Aufschwung nimmt und demnächst hohe Gewinne erzielt werden. An der Börse geht es also um mehr, es werden große Hoffnungen gehandelt, und das vernebelt manchmal den Blick auf die Fakten, auf das Naheliegende.

Die Aktienmärkte laufen derzeit gut, aber das Geschäft mit Börsengängen kommt kaum in Gang. In diesem Jahr hat erst ein Unternehmen seine Aktien notieren lassen. Doch das soll sich jetzt ändern, einige Börsenkandidaten gibt es bereits. Am Mittwoch hat die Pasta- und Pizza-Restaurant-Kette Vapiano ihr Debüt gegeben. 184 Millionen Euro hat das Bonner Unternehmen eingesammelt.

4,5 Milliarden für eine Firma, die Essen ausliefern lässt? Da ist Vorsicht angebracht

Das ist erst die Vorspeise. Ernst wird es an diesem Freitag. Denn dann will der Essenslieferdienst Delivery Hero in Frankfurt seine Aktien zum ersten Mal notieren lassen und fast eine Milliarde Euro erlösen. Seit vergangener Woche läuft die Zeichnungsfrist, und offenbar sind die bis zu 39 Millionen Papiere sehr begehrt. Die Nachfrage übersteige bereits deutlich das Angebot, berichten die Banker. Alles kein Problem?

Das ist bei nüchterner Betrachtung der Fakten durchaus überraschend. Denn Delivery Hero - das Unternehmen ist mit Marken wie Foodora, Lieferheld oder Pizza.de aktiv - wird für den Börsengang mit bis zu 4,5 Milliarden Euro bewertet. Das ist durchaus hoch gegriffen. Die Lufthansa etwa, eine der größten Fluggesellschaften der Welt, oder Metro - der Handelskonzern macht immerhin fast 60 Milliarden Euro Umsatz weltweit - bringen es jeweils nur auf etwa das Doppelte. 4,5 Milliarden Euro also für eine Firma, die in 40 Ländern Essen von Restaurants per Fahrrad-Kurier an Kunden ausliefern lässt, die nicht selbst kochen können oder wollen?

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Der Imbiss liegt nur zwei Straßen weiter, sie bestellen einen Kurier: die neuen Lieferdienste profitieren von den faulen Großstädtern. Die Restaurants weniger.

Von Pia Ratzesberger

Delivery Hero kommt auf einen Umsatz von gerade mal 300 Millionen Euro im Jahr, macht hohe Verluste. Wann Gewinne erwartet werden können, ist offen. Die Konkurrenz ist zudem hart, die Wettbewerber sind teilweise schon an der Börse und machen Gewinne. Amazon oder Uber wollen möglicherweise auch in den Markt. Dazu kommt: Der erhoffte Erlös aus dem Börsengang von bis zu einer Milliarde Euro soll nur zu einem kleinen Teil in den weiteren Ausbau des Geschäfts fließen, vor allem machen Altaktionäre Kasse, und es werden alte Schulden abgelöst. Das alles spricht gegen den Kauf dieser Aktien, Vorsicht ist angebracht.

Vielleicht wurde Delivery Hero zu einem vorschnellen Börsengang gedrängt

Woran liegt es aber, dass die Euphorie offenbar groß ist? Die Anleger hoffen, dass immer mehr Menschen, gerade in den Großstädten, sich ihr Essen künftig liefern lassen. Sie bauen dabei auf die Netzwerkeffekte, hoffen darauf, dass sich Delivery Hero als größte Online-Bestellplattform für die Lieferung von Mahlzeiten durchsetzt und am Ende als bestimmender Akteur die Nase vorn haben wird - so wie Amazon im Onlinehandel, Uber bei Fahrvermittlungen, Airbnb bei Mitwohnangeboten, Facebook in den sozialen Netzwerken. Alle erreichen derzeit astronomisch hohe Bewertungen. Hier gilt wie überall in der digitalen Welt: Größe ist Trumpf, the winner takes it all. Kann das Delivery Hero auch schaffen?

Der letzte große Börsengang einer Internetfirma in Deutschland liegt zweieinhalb Jahre zurück. Im Oktober gingen kurz hintereinander der Modehändler Zalando und Rocket Internet an die Börse. Der Start für die Berliner Internet-Holding war zwar hoffnungsvoll, doch dann kam von Frühjahr 2015 an der Absturz. Die Euphorie jedenfalls ist weg. Rocket Internet ist mit einem Drittel auch an Delivery Hero beteiligt.

Nicht ausgeschlossen, dass Delivery Hero zum schnellen Börsengang gedrängt wurde, damit Rocket Internet und sein Chef Oliver Samwer seine Probleme in den Griff bekommt. Erinnerungen an die Börsenrausch im Jahr 2000 werden da wach. Damals gingen in der Euphorie Start-ups an den Neuen Markt, die über ein kaum belastbares Geschäftsmodell verfügten, deren Aktien aber in der Hoffnung auf große Online-Märkte in die Höhe stießen. Am Ende platzte die Blase am Aktienmarkt, viele Anleger verloren viel Geld. Die Lehre daraus: Genau hinschauen bei Börsenneulingen, nicht jede Hoffnung zahlt sich aus.

© SZ vom 27.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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