Beratung:Dem Anleger die Hand halten

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Georg Graf von Wallwitz studierte Philosophie und Mathematik. 2004 gründete er zusammen mit einem Partner die Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz. (Foto: Public Imaging)

Vermögensverwalter Georg Graf von Wallwitz sieht in ETF keine Konkurrenz, sondern eine Chance. Denn sie verhindern nicht die größten Fehler von Investoren. Berater braucht es daher weiterhin.

Von Harald Freiberger

Georg Graf von Wallwitz ist ein ungewöhnlicher Vermögensverwalter. Anders als man wegen seines adeligen Namens vielleicht annehmen könnte, redet er nicht diplomatisch und distinguiert, sondern eher flapsig daher. Zu seiner Branche hat er eine gesunde Distanz. Unter den Finanzmanagern gebe es "große Triefnasen, die mit ganz erstaunlichen Gehältern nach Hause gehen", sagt Wallwitz, der Philosophie und Mathematik studierte. Aktienhändler vergleicht er mit Bierkutschern, sie seien "einfache Gesellen, denen man zutrauen würde, dass sie sich von Stierhoden ernähren".

Seinem Geschäft ist die offene Sprache offenbar nicht abträglich. Die Zahl der Kunden wuchs jedenfalls stetig, seit er 2004 zusammen mit einem Partner die Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz in der Münchner Maximilianstraße gründete. Inzwischen verwaltet sie 600 Millionen Euro. 150 Millionen sind über Versorgungswerke und Family Offices in Spezialfonds angelegt, 200 Millionen Euro in Publikumsfonds für Kunden mit einem Vermögen bis 700 000 Euro. Wer mehr mitbringt, für den managt die Vermögensverwaltung ein individuelles Depot. In diesen liegen durchschnittlich drei Millionen Euro, insgesamt sind es 250 Millionen Euro.

Auch der Boom der Exchange Traded Funds (ETF) konnte das Wachstum des verwalteten Vermögens nicht aufhalten. Eigentlich könnte man annehmen, dass Vermögensverwalter den ETF kritisch gegenüberstehen, schließlich sind sie eine Art Konkurrenz: Institutionelle und private Anleger können mit Indexfonds ein Marktsegment eins zu eins abbilden und es sich ins Depot legen. Wer einen ETF kauft, ist so etwas wie sein eigener Vermögensverwalter. Nimmt der ETF-Trend den Vermögensverwaltern Geschäft weg, stellt er am Ende vielleicht sogar ihre Existenzberechtigung in Frage?

Wallwitz hat auch hier eine deutliche Meinung: "ETF sind eine gute Erfindung, und sie werden dazu führen, dass der ein oder andere Vermögensverwalter verschwinden wird", sagt er. Aber das seien eher die schlechten, und um die sei es nicht schade. Die guten aber, die ihren Kunden Mehrwert bieten, profitierten eher davon.

Ein Argument, das in Zusammenhang mit den ETF häufig gebracht wird, ist, dass viele aktiv gemanagte Fonds den Vergleichsindex nicht schlagen, gerade auf lange Sicht. Das liegt zum einen daran, dass die Gebühren von aktiven Fonds deutlich höher sind, was die Rendite schmälert. Zum anderen ist es auch wirklich schwierig, auf lange Sicht besser abzuschneiden als der Markt. Bedenkt man dies, kann man gleich einen ETF kaufen, der breit in einen Markt investiert. Wer zum Beispiel in Aktien investieren möchte, dem empfehlen Profis gern den MSCI-World-Index, der mehr als 1000 Aktien auf der ganzen Welt abbildet. Nach dem Grundsatz von Börsen-Guru André Kostolany müssten Anleger nur einen solchen ETF kaufen oder regelmäßig besparen, dann Schlaftabletten nehmen, die Anlage lange halten und sich nach Jahrzehnten an den Gewinnen freuen. Ein Vermögensverwalter wäre dann wirklich überflüssig.

Doch so einfach funktioniert es nicht, gibt Wallwitz zu bedenken: "Der Einsatz von ETF allein verhindert noch nicht die größten Fehler, die Privatanleger mit Aktien machen: dass sie kaufen, wenn die Kurse oben sind und dass sie verkaufen, wenn sie unten sind." Das schlechte Abschneiden von Privatanlegern an der Börse ist statistisch erwiesen. Während Aktienanlagen langfristig eine jährliche Rendite von sieben Prozent bringen, sind es in den privaten Depots drei bis vier Prozentpunkte weniger. Der Unterschied liegt darin, dass private Anleger zum falschen Zeitpunkt ein- und aussteigen. Sie lassen sich zu sehr von ihren Gefühlen leiten: Wenn der Aktienmarkt boomt und alle davon reden, dann kaufen sie zu hohen Kursen. Fallen diese dann, bekommen sie es mit der Angst zu tun und verkaufen billig.

Manchmal ähnele die Rolle des Vermögensverwalters der eines Pfarrers

Dieses zyklische Verhalten kostet Rendite. Die Existenz von ETF verhindert das nicht, denn auch sie werden zum falschen Zeitpunkt ge- und verkauft. "Die zentralen Fehler, die an der Börse Geld kosten, kann man mit Indexfonds genauso machen wie mit Einzelaktien", sagt Wallwitz. Die wenigsten hielten es durch, im Aktienmarkt zu bleiben, wenn es stark nach unten geht. Die vergangenen Monate belegen für Wallwitz diese These. Zum Jahresanfang brach der Dax ein wie nie, der Index fiel binnen weniger Wochen um fast ein Viertel. "In solchen Zeiten werden die Kunden unruhig und fragen verstärkt nach, ob sie noch richtig investiert sind", sagt Wallwitz. Die Rolle des Vermögensverwalters sei dann mit der eines Pfarrers zu vergleichen: "Man muss dem Kunden die Hand halten und ihm sagen: Es wird schon wieder." Im Januar und Februar war die Stimmung aus verschiedenen Gründen schlechter als die Lage: Es gab Sorgen um China, um die Energiebranche in den USA, um die finanzierenden Banken, um die Weltkonjunktur. Doch die Entwicklung seit März hat gezeigt, dass Verkaufen damals ein Fehler gewesen wäre: Aktien haben sich zuletzt wieder erholt. "Wenn der Dax bei 10 000 Punkten attraktiv ist, dann ist er bei 5000 Punkten doppelt attraktiv", sagt Wallwitz.

ETF hält der Vermögensverwalter in dieser Beziehung sogar für gefährlich: "Manche Berater streuen Anlegern Sand in die Augen und sagen: Kaufe Indexfonds, dann ist alles gut." Ein Argument, mit dem dabei geworben wird, ist zudem die große Liquidität der Produkte. Wallwitz hält das eher für schädlich, weil es zum schnellen Kaufen und Verkaufen verleite. Ein wirklich gutes Produkt sollte eigentlich nur alle zehn Jahre handelbar sein, sagt er scherzhaft: "Es geht nicht drum, ob ein Anleger mit seinem Investment ein Prozent hinter der Benchmark bleibt, es geht um 20 oder 30 Prozent - und das passiert schnell, wenn man seinen Instinkten folgt."

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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