Behörde vs. Bank:Gestehen Sie alles!

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Steuerfahnder durchleuchten Banken auf Betrügereien zu Lasten des Fiskus. Das erhöht den Druck: Wer nicht vollständig auspackt, dem drohen hohe Strafen.

Von Klaus Ott, Köln/München

Jede Woche ein neuer Termin. Emissäre von Banken aus dem In- und Ausland fahren nach Nordrhein-Westfalen, um dortigen Ermittlern Rede und Antwort zu stehen. Um bei den Bußgeldern, die wegen kriminellen Delikten drohen, halbwegs glimpflich davon zu kommen. Mal ist die Deutsche Bank dran, mal war die Credit Suisse an der Reihe. Kein anderes Land in der Bundesrepublik geht derart konsequent gegen Geldinstitute vor, die etwa reichen Klienten geholfen haben, Vermögen vor dem Fiskus zu verstecken und Steuern zu hinterziehen. NRW ist gefürchtet in der Branche. Bei den Finanzbehörden an Rhein und Ruhr laufen inzwischen Steuer-Ermittlungen gegen weit über 100 Banken und andere Finanzunternehmen aus etlichen Staaten. Jetzt erhöhen die Behörden sogar noch den Druck auf die Verdächtigen: Gestehen Sie alles! Sonst gebe es bei den Strafen keinen Rabatt, sondern einen kräftigen Aufschlag.

So lautet nach Angaben aus Finanzkreisen die Ansage der Steuerfahnder, die im Auftrag des nordrhein-westfälischen Finanzministers Norbert Walter-Borjans (SPD) gegen mutmaßliche Steuerhinterzieher und deren Helfer vorgehen. Banken, die wegen eines konkreten Falles ins Visier geraten, werden neuerdings systematisch auf alle möglichen Geld-Verstecke hin abgeklopft. Als da wären: klassische Schwarzgeldkonten im Ausland; Stiftungen etwa in Liechtenstein; Briefkastenfirmen. Die Fahnder wollen noch mehr wissen: Haben Banken auch vorgetäuschte Lebensversicherungen vermittelt, die tatsächlich dazu dienten, beim Fiskus hohe Ausgaben für die angebliche Altersvorsorge von der Steuern absetzen zu können?

"Wir sehen an vielen Stellen, dass Banken nicht nur einen einzigen Fehltritt begangen haben", sagt Finanzminister Walter-Borjans. Das reiche von der "ganz eindeutig verbotenen Beihilfe zur Steuerhinterziehung" bis hin zu "Geschäften in der Grauzone". Zum Beispiel sogenannte Cum-Cum-Aktiendeals, die einzig und alleine dazu dienten, die auf Dividendenerlöse fälligen Kapitalertragsteuern zu umgehen. Mehrere Milliarden Euro soll das den Staat gekostet haben. Viele Banken trieben es nach Erkenntnissen der Ermittler sogar noch schlimmer. Sie kauften und verkauften Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende in großem Stil, um sich eine einmal gezahlte Kapitelertragsteuer von Fiskus mehrmals erstatten zu lassen. Mehr als zehn Milliarden Euro sollen so aus der Staatskasse entwendet worden sein.

Auch nach solchen Deals fragen die NRW-Fahnder inzwischen gezielt, wenn sie eine Bank wegen eines einzelnen Verdachts in ihren Fängen haben. Die Geldinstitute bringt das in die Bredouille. Sollen sie andere Steuerdelikte verschweigen, in der Hoffnung, dass nicht noch mehr durchsickert? Oder lieber alles zugeben, weil in Zeiten von Lux-Leaks und Panama Papers und Steuer-CDs nach und nach sowieso vieles enthüllt wird?

Klar ist: Wer nicht redet und später bei noch mehr Vergehen erwischt wird, für den wird es teuer. NRW hat bei Banken aus Deutschland und vor allem aus Schweiz bereits 700 Millionen Euro Bußgeld eingetrieben. Jedes Delikt müsse "konsequent verfolgt werden", sagt Walter-Borjans. Es gehe nicht an, dass die Finanzbranche "beträchtliche Teile ihres Geschäfts systematisch zum Schaden des Gemeinwesens" betrieben habe.

NRW setzt alles ein, was an Behörden verfügbar ist. Die Oberfinanzdirektion, Steuerfahndungsstellen aus dem ganzen Land, und eine Sonderkommission im Landeskriminalamt. Dazu eine Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Steuerstrafsachen in Köln. Die Ermittler sind aus Erfahrung klug geworden. Siehe die Commerzbank. Das zweitgrößte deutsche Geldinstitut hat über seine Niederlassung in Luxemburg viele tausend Kunden viele Jahre lang mit Schwarzgeldkonten und Briefkastenfirmen versorgt. Als das aufflog, gab sie diese Delikte zu und kam in NRW mit 17 Millionen Euro Bußgeld gut weg. Erst später stellte sich heraus: Das Institut ist auch in Cum-Ex-Deals verwickelt. Hier ermittelt jetzt die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, der die Commerzbank einen entsprechenden Untersuchungsbericht überließ. Der Prüfreport kam aber erst dann zustande, als die Commerzbank in NRW schon durch war.

Dass man einem Institut schon dran ist, aber nur teilweise zugreift, soll den Fahndern an Rhein und Ruhr nicht noch einmal passieren. Den verdächtigen Banken und Bankern stehen, jede Woche aufs neue, harte Gespräche bevor. Und harte Zeiten. Die Ermittler machen keine Pause.

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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