Befreiungsschlag in der Euro-Krise:Was das nun wieder kostet

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Die Rettung des Euro ist ein waghalsiges Projekt. Noch hat der Bund kein Geld dabei verloren. Dennoch bergen die Beschlüsse des Euro-Gipfels enorme Risiken. Die Steuereinnahmen eines kompetten Jahres stehen auf dem Spiel.

Guido Bohsem

Durch die Brille des nüchternen Buchhalters betrachtet hat die europäische Schuldenkrise den deutschen Steuerzahler bislang keinen Cent gekostet. Im Gegenteil, die Hilfsaktionen bescherten der Bundesrepublik Einnahmen von mehr als 200 Millionen Euro. So hoch ist in etwa die Summe, die Griechenland bislang für Kredite aus Deutschland zahlen musste - und sie wächst weiterhin.

Die Hilfsaktionen in Europa bescherten der Bundesrepublik bislang Einnahmen von mehr als 200 Millionen Euro. (Foto: dpa)

Verlässt man diese Perspektive und schaut sich an, welche Risiken und Gefahren die Rettungsschirme für den deutschen Haushalt bergen, sieht die Sache schon ganz anders aus. Sollte bei der Aktion etwas schiefgehen, wird es sehr teuer für die Bundesrepublik und damit auch für den Steuerzahler.

Um das zu verstehen, ist es am einfachsten, sich den Bundeshaushalt für einen Moment als gewöhnlichen Menschen vorzustellen. Dieser Mensch hat einen Freund, der in Geldnot geraten ist. Er beschließt, dem Freund zu helfen. Viel Geld hat auch er nicht auf dem Konto, weshalb er dem armen Kumpel das nötige Geld nicht direkt geben kann.

Die beiden wenden sich deshalb an eine Bank und schließen folgenden Vertrag: Die Bank leiht dem notleidenden Freund das Geld, und der Retter bürgt dafür. Zahlt der Freund nicht, muss der Retter die Schuld übernehmen. Einem ängstlichen Zeitgenossen kann diese Konstruktion schlaflose Nächte bereiten - vor allem wenn er weiß, dass ihn die Bürgschaft ein ganzes Jahreseinkommen kosten kann und der Freund auf absehbare Zeit nicht zu eigenem Geld kommt.

Steuersumme von einem Jahr

In etwa so verhält es sich auch mit der Euro-Rettung: Bislang hat der deutsche Steuerzahler zwar kein Bargeld, aber doch Bürgschaften und Gewährleistungen in Höhe von etwa 240 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die könnten verloren gehen. Und das ist in etwa die Summe, die der Bund im Jahr an Steuern einnimmt. Der kleinere Teil des Geldes ging direkt an Griechenland, aber auch an Portugal und Irland. 211 Milliarden Euro flossen in den Rettungsschirm EFSF und damit teilweise wieder an die Griechen, Portugiesen und Iren.

An dieser Summe, die in der Fachsprache der Euro-Retter Gewährleistungsrahmen genannt wird, haben die Gipfel-Beschlüsse am frühen Donnerstagmorgen nichts geändert. Die Staats- und Regierungschefs haben lediglich vereinbart, wie sie das Geld verwenden wollen, das im EFSF deponiert ist.

Zur Erinnerung: In diesem Geldtopf befinden sich Gewährleistungen in Höhe von 780 Milliarden Euro. Mit Hilfe dieser Bürgschaften kann der Fonds 440 Milliarden Euro echtes Kapital erwirtschaften. Zieht man die für Griechenland, Portugal und Irland verplanten Hilfen ab, bleibt ein Rest von 250 Milliarden Euro.

Das ist angesichts der gewaltigen Aufgaben des EFSF nicht viel. Aus diesem Grund wurde auf dem Gipfel beschlossen, das Geld zu "hebeln". Statt die Summe direkt zu verleihen, sichert der EFSF mit den Mitteln einen Teil der Staatsanleihen der Krisenländer ab. Die Papiere verlieren dadurch für Investoren einen Teil ihres Risikos und werden - so die Hoffnung - wieder häufiger von ihnen gekauft. Mit einem Euro aus dem EFSF könnte ein Krisenland also vier oder fünf Euro aus Krediten erzielen. Das ist der Hebel.

Eine zweite Möglichkeit der Hebelung wäre es, mit dem Geld des EFSF und von anderen Anlegern Zweckgesellschaften zu gründen, die Staatsanleihen der Krisenländer kaufen. Man hätte das Kapital vervierfacht, würden in der Zweckgesellschaft auf einen Euro aus des EFSF vier Euro fremdes Kapital von Staatsfonds oder Banken kommen. Der Nachteil beider Hebel-Modelle: Geht ein Krisenland pleite, muss der EFSF als Erster auf sein Geld verzichten.

Insgesamt hätte der EFSF dadurch etwa eine Billion Euro für Rettungsaktionen zur Verfügung, so zum Beispiel weitere 100 Milliarden Euro für Griechenland. Das Geld kann von den Ländern eingesetzt werden, um den eigenen Finanzbedarf zu decken. Es ist ihnen in letzter Konsequenz aber auch erlaubt, mit dem Geld angeschlagene Banken vor dem Untergang zu retten.

Anders verhält es sich mit dem Schuldenschnitt für Griechenland in Höhe von 50 Prozent, mit dem die Banken dem Land 100 Milliarden Euro erlassen. Streng genommen sind es nicht ganz 100 Milliarden, sondern nur 70 Milliarden Euro. Denn die Banken sollen für ihren Verzicht neue, länger laufende Staatsanleihen Griechenlands erhalten. Diese werden mit Mitteln aus dem EFSF abgesichert und zwar mit 30 Milliarden Euro. Die Kredite, die Deutschland den Griechen über die staatliche Bankengesellschaft KfW gegeben hat, sind vom Schuldenschnitt übrigens nicht betroffen.

Echtes Kapital wird die Bundesrepublik erst im Zuge der Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) 2013 überweisen müssen. Ihr Anteil liegt bei insgesamt 22,4 Milliarden Euro, die nicht sofort, sondern in jährlichen Tranchen gezahlt werden müssen.

© SZ vom 28.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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