Automobilindustrie und die Finanzkrise:General Motors in Not

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Die GM-Aktie hat 35 Prozent in einer Woche verloren, der Kurs fiel auf einen 50-Jahre-Tiefstand. Die Finanzkrise trifft General Motors besonders hart. Doch auch europäische Hersteller geraten stärker in ihren Sog.

Die Aktie des Opel-Mutterkonzerns General Motors ist an der New Yorker Börse auf einen historischen Tiefstand gefallen. Der Aktienkurs stürzte zeitweise um 22 Prozent auf 5,41 US-Dollar ab, den geringsten Wert seit 1950, und zog damit in der Nacht zum Freitag auch den Leitindex Dow Jones nach unten.

Für die US-Autobranche gibt es im Moment nur eine Richtung: bergab. (Foto: Foto: dpa)

Die GM-Aktie hat damit in einer Woche rund 35 Prozent an Wert verloren. Insgesamt büßte der Konzern seit Jahresbeginn rund 80 Prozent seines Börsenwerts ein.

Der Absturz des Anteilscheins war offenbar dadurch ausgelöst worden, dass Analysten einen schwächeren Autoabsatz in weiten Teilen der Welt erwarten.

Das Marktforschungsunternehmen J. D. Power & Associates hatte seine Prognosen für den amerikanischen Automarkt gesenkt: Dieses Jahr werde damit gerechnet, dass die Autoverkäufe in den Staaten auf 13,6 Millionen fallen, was einen 16-prozentigen Rückgang bedeute. Nächstes Jahr könnten es sogar nur noch 13,2 Millionen verkaufte Autos sein.

Lage könnte sich weiter zuspitzen

Das Marktforschungsunternehmen hatte zuvor noch mit 14,2 Millionen verkauften Autos in diesem und 14 Millionen im nächsten Jahr gerechnet. Im vergangenen Jahr waren es in den Vereinigten Staaten noch 16,1 Millionen gewesen.

Und die Lage könnte sich noch weiter zuspitzen: "Während die weltweite Automobilindustrie in diesem Jahr bereits einen deutlichen Dämpfer verspürt, könnte der Markt 2009 völlig zusammenbrechen", zitiert die New York Times den Chef der Abteilung Automobilprognosen von J. D. Power.

Darüber hinaus kündigte die Ratingagentur S&P eine mögliche weitere Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Automobilherstellers an. GM musste bereits mehrfach Insolvenzgerüchte dementieren. Eine weitere Herabstufung durch Ratingagenturen würde den Konzern in noch größere finanzielle Schwierigkeiten bringen.

Laut New York Times hat das Unternehmen im zweiten Quartal 2008 15,5 Milliarden Dollar verloren und beendete das erste Halbjahr mit 21 Milliarden Dollar in der Kasse.

Trotzdem sei ein Konkurs bisher nicht sehr wahrscheinlich: "Unser Unternehmen konzentriert sich weiterhin darauf, die Talfahrt zu stoppen und die Liquidität mit entsprechenden Maßnahmen, die wir im Juli beschlossen haben, zu fördern", sagte eine Sprecherin des strauchelnden Autoherstellers. "Insolvenzschutz ist für uns keine Option."

Man versuche die Kosten um 10 Milliarden Dollar zu kürzen und 5 Milliarden durch Verkäufe wie zum Beispiel der Marke Hummer hinzu zu gewinnen.

GM massiv gefährdet

In der aktuellen Krise ist GM massiv gefährdet, weil der Konzern auch in den Boom-Jahren Milliardenverluste machte. Der Konzern wurde in den vergangenen Jahren durch steigende Gesundheitsausgaben für seine Mitarbeiter stark belastet. Dazu kam, dass GM lange Zeit auf schwere Geländewagen und Pick Ups setzte, die viel Benzin verbrauchen. Als Benzin in den vergangenen Jahren immer teurer wurde, begann GM mit zunehmenden Absatzproblemen auf dem nordamerikanischen Markt zu kämpfen.

Die Turbulenzen auf dem Finanzmarkt im September haben dann die ohnehin schon extrem angeschlagenen US-Automobilindustrie noch einmal tiefer in die Krise gestürzt: Die fehlende Verfügbarkeit von Auto-Krediten führten im vergangenen Monat zusammen mit der schrumpfenden Sicherheit der Kunden zu einem Verkaufsrückgang von 26,6 Prozent.

Europa immer stärker betroffen

Zudem geht der Absatz von GM neben dem katastrophalen US-Markt nun auch in Europa auf Talfahrt. Denn auch europäische Automobilhersteller leiden immer stärker unter der Krise. Dabei trifft die Zurückhaltung der Europäer beim Kauf neuer Autos GM härter als viele Konkurrenten.

GM-Tochter Opel verbuchte von Januar bis September mit seinen verschiedenen Marken in Europa einen Absatzrückgang von 1,9 Prozent auf 1,62 Millionen Fahrzeuge, während der gesamte europäische Automarkt nur um 0,2 Prozent schrumpfte. Der Absatz von Opel und der Schwestermarke Vauxhall war im September europaweit um mehr als 14 Prozent eingebrochen. Die GM-Marke Saab verkaufte zeitgleich etwa 30 Prozent weniger Autos.

General Motors hatte bereits vor zwei Tagen einen befristeten Produktionsstopp in den meisten europäischen Werken angekündigt. Allein bei der Kernmarke Opel sollen bis Jahresende 40.000 Autos weniger vom Band laufen.

Auch andere Hersteller ziehen die Notbremse. Der Volkswagen-Konzern verringert die Produktion des Familienvans Touran "nachfragebedingt", erklärte ein VW-Sprecher. Gleichzeitig aber steige die Produktion des kleinen Geländewagens Tiguan, an dem es ein reges Kundeninteresse gebe. Das Unternehmen rechnet dennoch mit Einbußen wegen der Finanzkrise.

Genau wie BMW: Der Konzern drosselt im November erneut die Produktion. Im Werk in Regensburg sollen eine Woche lang die Bänder stillstehen.

An den deutschen Börsen gerieten die Automobilwerte in einem ohnehin äußerst schwachen Umfeld am Freitag wieder deutlich unter Druck. BMW fielen bis zum frühen Abend um 8,76 Prozent. Daimler gaben 7,05 Prozent nach. Eine Ausnahme stellte die Volkswagen-Aktie dar, die gegen den Trend um 8,82 Prozent zulegte.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/kim/segi/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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