Automobil:Heute ein König: Mister Opel

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Großdemo bei Opel - da hat der Betriebsratsvorsitzende Franz seinen großen Tag. Manche glauben sogar, er sei der Chef.

Harald Schwarz

Der Mann war krank, blieb daheim und wollte sich auskurieren. Doch zur Ruhe kam er nicht. Sein Blackberry summte permanent. Und trotz seines Brummschädels telefonierte er fast pausenlos.

Tausende Demonstranten werden ihm zuhören. (Foto: Foto: dpa)

Später konnte sich Klaus Franz nicht mehr so genau erinnern, mit wem er alles gesprochen hatte. Die Episode, die sich kürzlich zutrug, zeigt eindrucksvoll: Geht es um Opel, ist der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats ein gefragter Ansprechpartner. Franz hört und sieht man wesentlich öfter als irgendeinen Vertreter der Geschäftsführung. Klaus Franz, sagen viele, ist das Gesicht von Opel.

Auch an diesem Donnerstag wird sich daran nichts ändern. Bei der zentralen Kundgebung des Europäischen Aktionstags in Rüsselsheim vor dem Adam-Opel-Haus am Friedrich-Lutzmann-Ring wird Klaus Franz auf der Bühne stehen, und Tausende Demonstranten werden ihm zuhören.

IG-Metall-Chef Berthold Huber und Frank-Walter Steinmeier - Vizekanzler, Bundesaußenminister, SPD-Chef und Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl in diesem Jahr - werden sich anstrengen müssen, den populären Redner zu übertrumpfen.

Sicher werden die um ihre Arbeitsplätze fürchtenden "Opelaner" genau verfolgen, ob Steinmeier ihnen und dem Unternehmen Hilfe in Form von Kreditbürgschaften verspricht. Doch wichtig wird auch sein, was "Kollege Franz" sagt.

Vakuum im Management

Denn es geht um Stellenabbau, verkürzte Arbeitszeit mit Lohn- und Gehaltseinbußen, weitere Kostensenkungen und vor allem um die zumindest teilweise Trennung von dem in der Belegschaft verhassten Opel-Eigentümer, dem US-Autokonzern General Motors (GM). Seit mehr als 30 Jahren ist Klaus Franz bei Opel, seit fast neun Jahren steht er an der Spitze des Gesamtbetriebsrates - er kennt die Stimmung in den Opel-Werken in Rüsselsheim, Kaiserslautern, Bochum und Eisenach genau. Auch er warnt vor den "berüchtigten Sanierungsmethoden" von GM. Und er sagt: Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen müssen vermieden werden.

Wer ihn deshalb aber für einen strengen Apparatschik aus den Reihen der IG Metall hält, der zu schnellen Streikaufrufen neigt, liegt falsch. Der 56-Jährige ist um Dialog und Ausgleich bemüht. Manche nennen ihn sogar Ko-Manager. Natürlich geht es ihm um die Interessen der Mitarbeiter. Aber er kümmert sich eben auch um unternehmerische Belange.

In seinem sparsam eingerichteten Büro im zweiten Stock in Gebäude D 10 im Werk Rüsselsheim hängen hinter seinem Schreibtisch an der Pinnwand stets Zettel mit Produktions- und Verkaufszahlen. Den Blackberry hat er immer griffbereit, um Informationen abrufen zu können. Er will fundiert mitreden können bei der Modellpolitik, bei der Investitionsplanung und bei Debatten über die Qualität der Fahrzeuge.

Franz hat bei Opel viele Chefs kommen und wieder gehen sehen. Schon allein wegen der raschen Wechsel an der Firmenspitze ist er die personifizierte Kontinuität. Oder anders gesagt: Franz ist der eigentliche Mister Opel, der dem Unternehmen eine Stimme und ein Gesicht gibt.

Denn Opel-Geschäftsführer Hans Demant und Carl-Peter Forster, der Chef von GM Europe, lassen in dieser Hinsicht ein Vakuum. In dem Management nahestehenden Kreisen heißt es, es sei gut, dass es Franz gebe. Er verstehe, wie ein Unternehmen funktioniere, und habe bei Opel intern "ein gutes Gefühl, um an den wichtigsten Strängen zu ziehen". Manchmal schieße er aber über das Ziel hinaus. Etwa mit seiner "Medien-verliebtheit", die er überstrapaziere.

Intern ist man froh, dass wenigstens einer redet. Manche munkeln, dass die meisten Manager auf Anweisung des Mutterkonzerns in Detroit schweigen und Verträge unterschrieben hätten, die die Auskunftsfreude einschränken. Offiziell bestätigt wird das natürlich nicht. So muss dann auch der Betriebsratschef ran, um politische Sonntagsredner in die Schranken zu weisen, die leichtfertig über eine angeblich nicht zu vermeidende Opel-Pleite spekulieren, wie am vergangenen Wochenende geschehen. In solchen Fällen ist Franz in der Wortwahl nicht zimperlich.

Wem er die Schuld an der Opel-Misere gibt, hat er nie verheimlicht: den Amerikanern von GM, die keine Ahnung vom europäischen Automarkt hätten und stets nach "Wildwestmanier" die Kosten senken wollten. Dagegen stemmt sich Franz seit Jahren, weil diese Politik die Marke Opel schädige. So hofft er nun, dass sich das Unternehmen endlich aus der Umklammerung von GM lösen kann. Autos mit dem Blitz am Kühlergrill gebe es genug, um durchzustarten. Er sagt: "Wir haben ein Feuerwerk an neuen Modellen, die mich hoffnungsfroh in die Zukunft blicken lassen." Opels PR-Manager hätten es kaum besser sagen können.

© SZ vom 26.02.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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