Autokonzern:Schwere Führungskrise bei VW

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Ende einer Allianz: Martin Winterkorn (links) und Ferdinand Piech (rechts). Archivbild vom 30.April 2013. (Foto: REUTERS)
  • Der mächtige VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch kündigt er dem Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn die Treue.
  • Nun stellen sich viele Fragen: Wie lange kann sich Winterkorn noch halten? Muss er jetzt nicht eigentlich zurücktreten? Und wer könnte ihm als VW-Boss folgen?

Von Karl-Heinz Büschemann, München

Zweckbündnisse von Männern sind oft Allianzen fürs Leben. Das kann auch in Unternehmen so sein. Bei Volkswagen aber ist das anders: Dort endet die scheinbar enge Zusammenarbeit zwischen zwei Männern immer wieder im Zerwürfnis. Der mächtige Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, der den Wolfsburger Konzern mit der Attitüde eines Patriarchen führt, hat in seinen fast 25 Jahren an der VW-Unternehmensspitze schon viele Manager abserviert, denen er zuvor gute Arbeit bescheinigt hatte.

Jetzt kündigt er dem Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn die Treue, über die Medien. "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn", sagte Piëch dem Spiegel. Ein solcher Satz von Piëch ist wie eine Hinrichtung. Er lässt den Schluss zu, dass das Verhältnis der beiden von Grund auf zerstört ist.

Wie lange kann sich Winterkorn noch halten? Muss er jetzt nicht eigentlich zurücktreten? Und wer könnte ihm als VW-Boss folgen? Alles offen.

Klar ist nur, wer bei VW nichts mehr wird. Leute wie der Audi-Chef Rupert Stadler. Der galt lange als Kandidat für die VW-Spitze. Doch der ist kein Ingenieur. Piech sagt: Sowohl der Konzernchef wie sein Nachfolger im Aufsichtsrat müssen Techniker sein.

Winterkorn und Piëch, das war ein Gespann, das über Jahre harmonierte. Ein Erfolgsmodell. Der Ingenieur Winterkorn setzte zuverlässig um, was "der Alte", wie Piëch im Konzern genannt wird, wollte. Die beiden wirkten, als würden sie einander komplett vertrauen. So entstand der Eindruck, dass es für Piëch, der am 17. April 77 Jahre alt wird und dessen Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender 2017 endet, nur einen Nachfolger geben kann: Winterkorn, der Mann, dem Piëch das höchste Gehalt in einem Dax-Konzern zubilligte.

Der kühle Machtmensch kennt keine Sentimentalitäten

Piëch, Spross der Familie Porsche/Piëch, die bei VW mit knapp 51 Prozent der Großaktionär ist, stellt die Weichen anders. Erneut zeigt sich, dass der Machtmensch keine Sentimentalitäten kennt, wenn es um den Familienkonzern geht, auch wenn er den mit solcherlei Bemerkungen in eine Führungskrise stürzt. Sicher ist nur, wer nicht Aufsichtsratschef wird.

Seine Frau. Das hat er klargestellt. Piëch und Winterkorn, das war auch ein legendäres Gespann von Ingenieuren, die sich für Technik interessieren, die jedes Ventil im Golf-Motor kennen und denen Qualität und Verarbeitung der Autos über alles gehen. Mit dem Rezept hatte der Enkel des Autopioniers und VW-Käfer-Erfinders Ferdinand Porsche von 1988 bis 1992 die Konzernmarke Audi aufgemöbelt. Der besessene Ingenieur sorgte für den Nimbus der Ingolstädter Marke, die noch immer für "Vorsprung durch Technik" steht.

Als Piëch 1993 in Wolfsburg Vorstandschef wurde, um den dümpelnden VW-Konzern auf solide Füße zu stellen, ging Winterkorn mit nach Wolfsburg. Er hatte bei Audi die Qualität kontrolliert. Piëch belohnte den bewährten Partner mit dem Chefstuhl bei Audi. Als Piëch nach erfolgreicher Arbeit das Chefbüro in Wolfsburg im Jahr 2002 verließ, übergab er seinen Posten zunächst an den früheren BMW-Chef Bernd Pischetsrieder. Doch schon bald war Pischetsrieder abgeschoben - und wieder war Winterkorn die Lösung.

VW hat eine geringe Gewinnmarge

Das Duo plante fortan, VW zum größten Konzern der Autoindustrie zu machen. Das große Vorbild war der japanische Konzern Toyota. VW holte auf, aber das Überholmanöver kann als abgeblasen gelten. Toyota baut die Autos viel billiger, ohne dass sie schlechter wären und verdient pro Mitarbeiter fast doppelt so viel wie VW: etwa 38 000 Euro. Vor allem die Kernmarke VW ist das Problem. Sie hat eine viel zu geringe Gewinnmarge.

Der wichtigste Unterschied: Die Autos von Toyota sind auf allen Märkten präsent, was nicht für VW gilt. Für Volkswagen ist der wichtige US-Markt eine ewige Krisenregion. Piëch sagte dazu: "Wir verstehen die USA bisher nur in beschränktem Maße." Das war eine Botschaft, wohl auch an den Vorstandsvorsitzenden und langjährigen Bruder im Geiste: an Winterkorn. In jüngerer Zeit wurden die Differenzen zwischen beiden deutlicher, die Zweifel von Piëch an Winterkorn sind gewachsen. Der Aufsichtsratschef mit dem österreichischen Pass ging seiner Arbeit immer stärker von Salzburg aus nach. Er blieb aber offenbar immer gut informiert über die Vorgänge in Wolfsburg. Die Gerüchte, zwischen Piëch und Winterkorn stimme es nicht mehr, hielten sich. Winterkorn musste einmal einräumen: "Wir haben in der Produktivität gegenüber Kernwettbewerbern noch Nachholbedarf." Solche Sätze mag ein Piëch nicht.

"Eigentlich alt genug um aufzuhören"

Bald hieß es, VW müsse Einsparungen von fünf Milliarden Euro schaffen. Unternehmenskenner sprachen sogar von zehn Milliarden Euro. Doch die sind in einem Unternehmen kaum zu stemmen, in dem der Betriebsrat stark ist, in dem Entlassungen in deutschen Werken praktisch unmöglich sind. Am Freitag aber hat sich VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh hinter den angezählten Konzernchef gestellt: "Wir haben mit Dr. Winterkorn den erfolgreichsten Automobilmanager an Bord." Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, er sei "unangenehm überrascht über die zitierten Aussagen von Herrn Professor Piëch". Der Politiker vertritt den VW-Anteilseigner Niedersachsen im Aufsichtsrat. Piëch handhabt es nun mit Winterkorn so, wie er schon frühere Spitzenmanager des Konzerns aus dem Verkehr zog. Über die Medien. Pischetsrieder, seinen Nachfolger als Konzernchef, erledigte er 2006 mit einer Bemerkung im Wall Street Journal. Seine Wiederwahl als Chef sei im Aufsichtsrat nicht sicher. Audi-Chef Franz Josef Paefgen wurde von Piëch in einem Interview abgemeiert: Bei Audi herrsche Stillstand. Und der Porsche-Vorstandsvorsitzende Wendelin Wiedeking stand vor dem Aus, nachdem Piëch vor Journalisten gesagt hatte, er habe Vertrauen zum Wiedeking.

"Noch." Der inzwischen 67-jährige Winterkorn hat erst kürzlich darüber nachgedacht, wann er als VW-Chef aufhören wolle. Sein Vertrag läuft Ende 2016 aus. Dann ist er 69 Jahre alt. Er selbst sagte dazu: "Eigentlich alt genug um aufzuhören." Piëch hat jetzt dafür gesorgt, dass es auch so kommen wird. Spätestens 2016. Vielleicht früher.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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