Authentifizierung:Im Hochsicherheitstrakt

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Die Video-Identifikation wird bei Banken immer beliebter. Kunden können so etwa ein Konto eröffnen. Die Auflagen der Finanzaufsicht sind hoch.

Von Nils Wischmeyer, Köln

Als die Bundesfinanzaufsicht Bafin Anfang 2014 ein Rundschreiben verschickte, knallten in Frank Jorgas Büro in Berlin die Korken. "Verdachtsmeldung nach §§ 11, 14 GwG und anderes" stand über der Meldung. Was für die meisten eher rätselhaft klang, machte Web-ID-Gründer Frank Jorga glücklich. Denn die Bafin gab endlich grünes Licht für ein Verfahren, für das Jorga und sein Geschäftspartner lange gekämpft hatten: die Identifikation per Video.

Kunden können sich seitdem via Videochat ausweisen und so beispielsweise ein Konto eröffnen. Ein Mitarbeiter in einem Callcenter prüft dafür in mehreren Schritten ihre Identität. Was bis dahin lediglich in den Filialen der Deutschen Post über das Post-Ident-Verfahren möglich war, kann seit Anfang 2014 auch von zu Hause aus erledigt werden. Das hat einen neuen Markt geöffnet.

Einer der ersten Anbieter: Web ID, ein 2012 gegründetes Start-up mit damals vier Beschäftigten. Heute ist das Unternehmen eigenen Angaben zufolge Marktführer. 75 Prozent aller deutschen Banken, darunter die Deutsche Bank, die DKB oder auch die ING Diba nutzen die Video-Identifizierung der Firma. Als weitere Anbieter haben sich ID Now, die Bertelsmann-Tochter Arvato und die Deutsche Post etabliert.

Geebnet haben den Weg aber die Gründer von Web ID. Monatelang hatten sie der Bafin das Konzept erklärt. Am Ende segnete die Behörde es ab, auch, weil die Sicherheitsanforderungen erfüllt waren. Die Callcenter von Web ID ähneln deshalb einem Hochsicherheitstrakt. Am Eingang müssen die Mitarbeiter eine Schleuse passieren. Dort werden ihr Chipcode geprüft und ihre Venen gescannt. Zusätzlich misst eine Waage ihr Gewicht, sodass sichergestellt wird, dass immer nur eine Person in der Schleuse steht. "Nur so können wir sicher sein, dass keine Unbefugten das Gebäude betreten", erklärt Web-ID-Gründer Jorga.

Die Mitarbeiter selbst werden von Kriminalbeamten geschult, Trickbetrüger zu erkennen. Anhand von mehr als 30 Punkten checken sie, ob der Anrufer am Videotelefon womöglich ein Betrüger ist. Ein großer Aufwand, der sich für die Anbieter aber lohnt.

Seit einigen Jahren wächst der Markt stetig. "Das Video-Ident-Verfahren erfreut sich bei Kunden und Banken großer Beliebtheit", erklärt etwa der Bundesverband deutscher Banken. Christopher Schmitz von der Unternehmensberatung EY sagt: "Wir sehen zurzeit einen flächendeckenden Boom." Zwischen fünf und sechs Millionen Euro Umsatz macht Web ID mittlerweile, doppelt so viel wie 2015. Knapp 500 000 Euro Gewinn habe man vergangenes Jahr erwirtschaftet und sei so erstmals in die schwarzen Zahlen gerutscht, berichtet Jorga. Für ihn ein wichtiger Schritt. Anders als viele andere Start-ups soll die Firma organisch wachsen. Ein Übernahmeangebot der Post haben die Gründer abgelehnt. Stattdessen holten sie einen Investor an Bord: die Hannover Finanz, die zwei Millionen Euro in die Firma investierte und dafür zehn Prozent der Firmenanteile erhielt.

Die Branche rechnet mit weiterem Wachstum. Denn mit der Verschärfung des Telekommunikationsgesetzes zum 1. Juli eröffnet sich ein neuer Markt. Verbraucher müssen sich dann bei der Aktivierung von Prepaid-Karten ausweisen. Eine Möglichkeit dafür: das Video-Ident-Verfahren. Alle großen Mobilfunkanbieter setzen darauf. Für 2017 rechnet Web ID auch deshalb bereits mit einem Umsatz von zwölf bis 14 Millionen Euro. Zudem will Jorga die Mitarbeiterzahl auf 400 aufstocken.

Doch kann das Geschäft ewig weiterwachsen? Laura Pfannemüller, Expertin bei der Unternehmensberatung Zeb, sagt: "Ich sehe hier kein ewiges Wachstum. Irgendwann wird der Verkauf geradlinig verlaufen." Und auch Christopher Schmitz von EY hat Zweifel: "Zurzeit läuft es gut. Doch es gibt Alternativen zum Video-Ident-Verfahren." Der neue Personalausweis etwa habe eine PIN-Nummer, mit der man sich online ausweisen könne. Genutzt wird das bisher kaum. Lediglich einige Start-ups, darunter Authada aus Darmstadt, würden das Thema verfolgen. "Wenn das eine breitere Masse an Nutzern findet, kann das dem Video-Ident-Verfahren langfristig Konkurrenz machen", schätzt Schmitz.

Langfristig ist die Video-Identifikation wohl nur ein Teil eines sehr viel größeren Themas: der digitalen Identität. Zu beobachten ist das bereits in baltischen Staaten wie Estland. Der osteuropäische Staat hat ein digitales Meldesystem. Das heißt, zum Ausweis gehört immer eine digitale Identität. Eine Legitimation für Kontoeröffnungen oder beim Kauf von Sim-Karten ist nicht nötig. Künftig soll eine solche digitale Identität auch in Deutschland Standard werden. Mehrere Dax-Konzerne, darunter Daimler und Siemens, haben bereits ein erstes Projekt vorgestellt. Und auch Frank Jorga von Web ID lässt durchblicken, dass er ähnliche Pläne hat.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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