Ausverkauf an den Weltbörsen:Dow Jones bricht massiv ein

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Fassungslosigkeit an der Wall Street: Nach den schlechten Vorgaben aus Japan und Europa ist auch der US-Leitindex Dow Jones regelrecht eingebrochen. Zuvor war der Dax zeitweise um mehr als elf Prozent gefallen.

Die weltweite Finanzkrise reißt die Börsen rund um den Globus immer tiefer ins Minus. Die US-Börsen sind am Freitag zu Handelsbeginn kräftig abgesackt - die erwarteten ungewöhnlich hohen Verluste blieben allerdings zunächst aus. Die Futures auf die wichtigen US-Indizes hatten vor Handelsbeginn das maximal erlaubte Tagesminus erreicht und konnten nicht mehr weiter fallen.

Herbe Verluste in Tokio und Europa lassen auch in den USA die Kurse einbrechen, die Aktienhändler in New York sind erstaunt. (Foto: Foto: AP)

Börsianer hatten danach zunächst mit einem noch dramatischeren Kurseinbruch gerechnet. Der Dow Jones sackte in den ersten Handelsminuten um 4,77 Prozent oder 414,97 Zähler auf 8276,28 Punkte ab und schloss am Abend 3,6 Prozent im Minus bei 8379 Punkten. Händlern zufolge hat die Angst vor einer globalen Rezession die weltweiten Aktienmärkte in eine Abwärtsspirale getrieben. Auch die zuletzt veröffentlichten US-Unternehmenszahlen und Ausblicke drückten auf die Stimmung, hieß es am Markt. Aus Furcht vor noch stärkeren Verlusten hätten zudem Hedge Fonds und andere institutionelle Investoren Geld aus den Märkten abgezogen.

Der Deutsche Aktienindex (Dax) war zuvor am bis zum Mittag um zehn Prozent auf ein neues Jahrestief gefallen. Das Börsenbarometer stand bei 4067,74 Punkte, zwischenzeitlich war der Kurs um elf Prozent eingebrochen.

Es ist einer der größten Verluste in der Geschichte des Dax: In den Jahren 1989 und 1997 verlor er jeweils einmal rund 13 Prozent.

Die Börsen in London und Paris mussten ebenfalls schwere Verluste hinnehmen. Der Nikkei-Index in Tokio rutschte zuvor um fast zehn Prozent ab und sank auf den niedrigsten Stand seit fünfeinhalb Jahren. Die russische Leitbörse RTS hat am Freitag den Aktienhandel bis zum Dienstag ausgesetzt. Grund dafür sei der starke Verfall beim RTS-Index von mehr als zehn Prozent, teilte die Börse mit. Im Tagesverlauf war der Handel bereits mit mehreren Papieren zeitweise ausgesetzt worden. Zum Zeitpunkt der Entscheidung lag der Index bei 549,43 Punkten und damit knapp 14 Prozent unter dem Vortagsschluss.

Britische Wirtschaft schrumpft

Vor allem schlechte Prognosen in den Quartalsbilanzen zahlreicher Unternehmen nähren weiter Rezessionsängste. Und die Wirtschaft in Großbritannien schrumpft erstmals seit 16 Jahren.

Die britische Statistikbehörde teilte am Freitag mit, das Bruttoinlandsprodukt sei im dritten Quartal um 0,5 Prozent gesunken. Das Land könnte in eine Rezession rutschen, wenn das Wachstum auch im folgenden Quartal noch ausbleibt.

Führende Chefvolkswirte deutscher Banken sehen auch die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal in einer Rezession. "Viele wichtige Länder wie Deutschland und USA sind in der Rezession", sagte der Chefökonom der Dekabank, Ulrich Kater der Bild-Zeitung.

Im dritten Quartal 2008 sei die deutsche Wirtschaft um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal geschrumpft.

Der Chefvolkswirt der Postbank, Marco Bargel, sprach von einer Wirtschaftskrise, die Europa erfasst habe. Seinen Berechnungen zufolge ist das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal um 0,1 Prozent geschrumpft.

Alle Dax-Werte im Minus

Sowohl Finanzwerte als auch Industrietitel rutschten an der Frankfurter Börse stark in die Verlustzone. Dabei lagen alle 30 Dax-Werte im Minus.

Zu den größten Verlierern im deutschen Aktienhandel gehörten die Papiere von Unternehmen, die eine Rezession besonders rasch zu spüren bekommen: Siemens und die Automobilhersteller Daimler, BMW und Volkswagen verloren zwischen acht und zwölf Prozent. Autozulieferer Conti mussten gar einen Abschlag von mehr als zwölf Prozent hinnehmen.

Belastend wirkte dazu eine Gewinnwarnung von Renault. Die Ziele für die operative Marge 2008 würden auf 2,5 bis 3,0 Prozent gesenkt, hatte der französische Konzern mitgeteilt.

Renault lege ab kommender Woche "quasi alle" französischen Werke vorübergehend still, sagte ein Gewerkschaftsvertreter. Sie sollten für "ein oder zwei Wochen oder sogar länger" geschlossen bleiben.

Auch PSA Peugeot Citroen senkte seinen Ausblick und plant massive Produktionskürzungen im vierten Quartal.

Die Rezessionängste haben auch den Ölmarkt mittlerweile massiv gedrückt. Die Opec beschloss daher auf einer Sondersitzung in Wien, ihre Fördermenge um 1,5 Millionen Barrel pro Tag zu drosseln. Die Verringerung solle ab dem 1. November gelten, erklärte der saudi-arabische Ölminister Ali el Nuaimi.

Damit sinkt die tägliche Ölfördermenge des Kartells um insgesamt rund 239 Millionen Liter. Das Ölförderkartell will damit den anhaltenden rasanten Preisverfall bei Erdöl abbremsen. Der Ölpreis sank nach der Ankündigung der Opec trotzdem weiter.

Die Finanzkrise ist mittlerweile bis nach Australien zu spüren: Als Reaktion auf eine staatliche Garantie für Sparkonten frieren zahlreiche Investmentfonds in Australien das Geld ihrer Anleger ein.

Bislang hätten 13 der 20 großen Investmentfirmen rund zwölf Milliarden australische Dollar (rund sechs Milliarden Euro) blockiert, um eine Flucht der Anleger auf die staatlich garantierten Sparkonten zu vermeiden, erklärte der Branchenverband IFSA.

Die enttäuschende Konjunkturdaten haben am Freitag auch den Euro massiv unter Druck gesetzt. In einer steilen Talfahrt sackte der Euro dabei unter die Marke von 1,25 Dollar. So schwach war der Euro seit zwei Jahren nicht mehr.

Noch in der Nacht zum Freitag hatte sich der Euro zwischenzeitlich von der rasanten Talfahrt der Vortage erholt und war über die Marke von 1,30 Dollar gestiegen.

Alleine an der Wall Street hat die Finanzkrise in diesem Jahr bereits zur Entlassung von über 110.000 Mitarbeitern geführt. Experten erwarten, dass diese Zahl in den letzten Wochen des Jahres noch auf 200.000 steigen könnte. "Die Wall Street, wie wir sie kennen, gibt es ehrlich gesagt nicht mehr", sagte der Wirtschaftswissenschaftler Michael Williams vom Touro College in New York.

Es gebe nicht mehr genug Geld, um die riesigen Mitarbeiterstäbe zu bezahlen, die sich die Investmentbanken und andere Geldhäuser geleistet hätten. Bis zum zweiten Quartal 2009 rechnet Williams mit insgesamt 250.000 Entlassungen.

© sueddeutsche.de/AP/dpa/Reuters/hgn/mel/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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