Audi:Freund der Familie

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Trotz Abgasaffäre darf Rupert Stadler Vorstandschef von Audi bleiben. Das liegt vor allem an den komplizierten Machtverhältnissen im Mutterkonzern VW.

Von Max Hägler, Klaus Ott, Ingolstadt/München

Allgemeines, beifälliges Klopfen mit den Fingerknöcheln auf den Tisch, keine Diskussion, keine Abstimmung, so schnell kann jemand Konzernchef bleiben. Auf diese Weise entschied kürzlich der Aufsichtsrat des Autoherstellers, dass Rupert Stadler weiterhin der Richtige an der Spitze der Volkswagen-Tochter Audi ist. Zuvor waren Hinweise bekannt geworden, Stadler könnte frühzeitig von Abgas-Manipulationen in dem von ihm seit zehn Jahren geleiteten Unternehmen mit Sitz in Ingolstadt gewusst haben. Der Aufsichtsrat ließ das von einer Anwaltskanzlei prüfen und befand, da sei nichts dran. VW-Chef Matthias Müller, er leitet das Kontrollgremium der Tochter Audi, verlas eine Art Ehrenerklärung für Stadler. "Der Aufsichtsrat spricht Rupert Stadler sein Vertrauen aus." Allgemeines Klopfen. Es sollen aber nicht alle 20 Kontrolleure mitgeklopft haben.

Abgasaffäre und Razzia: Stressige Zeiten für Audi-Vorstandschef Rupert Stadler. (Foto: Lukas Barth/Reuters)

Das war noch vor der Razzia der Staatsanwaltschaft München II am vergangenen Mittwoch bei Audi. Die Strafverfolger ermitteln wegen Betrugsverdachts. Audi ist tief verstrickt in die Abgasaffäre. "Ganz ohne Bescheißen" werde man es nicht schaffen, bei Diesel-Autos die strengen US-Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide einzuhalten, hatte schon 2007 ein VW-Ingenieur einem größeren Kreis von Audi-Managern geschrieben. Trotz solcher Verfehlungen, trotz Razzia und obwohl Audi derzeit nur dritter ist im Kampf mit Mercedes und BMW um die Vorherrschaft im Premium-Segment: Stadler, 54, ist derzeit kein Vorstandschef auf Abruf. Das hat mehrere Gründe.

Die Familien stützen Stadler

Die Hauptaktionäre von VW und damit auch von Audi, die Industriellenfamilien Porsche und Piëch, halten fest zu Stadler. Der hat besonders enge Kontakte zu den Familien. "Ein wichtiger Mensch" sei Stadler, sagte Familiensprecher Wolfgang Porsche jüngst. Das gilt weiterhin, heißt es aus seinem Umfeld: Sofern die Staatsanwaltschaft nichts Überraschendes finde, werde sich da erst mal gar nichts tun. Der Audi-Chef war jahrelang nebenbei sogar Vorstandsmitglied von drei Privatstiftungen der Familie. Mehr Nähe geht kaum. Die Personalpolitik der Familien ist schlicht und einfach. Die Schaltstellen im Konzern sollen mit Vertrauten besetzt sein. Zudem wollen die Porsches und Piëchs Ruhe haben bei VW und den Töchtern. Jeder Manager-Wechsel schadet da nur.

Niedersachsen wartet ab

Der zweitwichtigste Großaktionär von VW, das Land Niedersachsen, wartet ab. Ministerpräsident Stephan Weil wird nachgesagt, dass ihm ein konsequentes Durchgreifen und Aufräumen lieber wäre. Doch Weil sorgt sich um die Arbeitsplätze von VW, dem größten Unternehmen in Niedersachsen, und meidet daher große Konflikte unter den Aktionären. Und erst recht öffentlichen Streit. Hinzu kommt: Im Audi-Aufsichtsrat ist Niedersachsen sowieso nicht vertreten. Dort dominieren auf Aktionärsseite die Porsches und Piëchs und der VW-Vorstand. In der VW-Spitze hat niemand Interesse an Personaldebatten, die einen auch selbst treffen könnten.

Auch andere dürfen bleiben

Das gilt erst recht für VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, der auch dem Audi-Kontrollgremium angehört. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen Pötsch wegen des Verdachts, er habe im Sommer 2015 von der Abgasaffäre erfahren, das den Aktionären aber verschwiegen. Pötsch war damals noch Finanzvorstand von Volkswagen. Er ist, ebenso wie Stadler, einer der engsten Vertrauten der Porsches und Piëchs. Nach Beginn der Affäre im September 2015 setzten ihn die Familien als neuen Aufsichtsratschef von Volkswagen durch. Trotz der Ermittlungen gegen ihn bleibt Pötsch, der die Vorwürfe zurückweist, im Amt. Nimmt man den Umgang mit Pötsch als Maßstab, dann darf Stadler aus Sicht der Aktionäre erst recht bleiben. Gegen ihn wird nicht ermittelt.

Sorge um Eigenständigkeit

Der Betriebsrat und die IG Metall, immerhin mit zehn Leuten im Audi-Aufsichtsrat vertreten, halten still. Nach Angaben aus Konzernkreisen auch deshalb, weil die Belegschaft um die Eigenständigkeit in Ingolstadt fürchtet. Die werde vor allem von Stadler garantiert. Der Betriebsrat sorge sich, im Falle eines Scheiterns von Stadler werde die Wolfsburger VW-Zentrale einen Nachfolger schicken, der dann von dort aus "ferngesteuert" werde. Und, nicht unwichtig: Stadler hingegen kommt aus der Gegend, ist "Audianer", auch das stärkt ihn. Manche Arbeitnehmervertreter sehen ihn sehr wohl kritisch, fragen aber: "Was kommt danach?" Das ist einer der Gründe, warum in diesen Kreisen der Kernvorwurf gegen den Audi-Chef nicht öffentlich ausgesprochen wird. Sollte Stadler von den Manipulationen wirklich nichts gewusst haben, dann habe er seinen Laden nicht im Griff gehabt und müsse deshalb gehen.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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