Apple:"Totaler politischer Mist"

Lesezeit: 3 min

Apple-Chef Tim Cook (li.) kritisiert EU-Kommissarin Magrethe Vestager heftig. (Foto: David Paul Morris/Bloomberg; Eric Vidal/Reuters)

Tim Cook greift Margrethe Vestager scharf an: An ihrer Entscheidung sei eine Stimmung gegen US-Unternehmen Schuld.

Von Bastian Brinkmannund Alexander Mühlauer, München/Brüssel

Es kommt nicht oft vor, dass ein Konzernchef solch drastische Worte wählt. "Totaler politischer Mist" seien die Anschuldigungen der Europäischen Kommission, sagte Tim Cook. In einem Interview mit der irischen Zeitung Independent holte der Apple-Chef zum Angriff aus und kritisierte die milliardenschwere Steuernachforderung scharf. Er werde mit der Regierung in Dublin eng zusammenarbeiten, um sich gegen die Entscheidung zu wehren. "Niemand hat etwas falsch gemacht, und wir müssen zusammenstehen." Irland werde schikaniert.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte eine umstrittene Steuervereinbarung zwischen der irischen Regierung und dem US-Technologiekonzern für illegal erklärt und gefordert, dass Apple 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen muss. Sie warf dem Unternehmen vor, im Jahr 2014 auf seine in Europa erzielten und in Irland gebündelten Gewinne nur 0,005 Prozent Steuern gezahlt zu haben. "Ich weiß nicht, wo sie diese Zahl herhaben", sagte Cook. In dem entsprechenden Jahr habe Apple 400 Millionen Dollar an Steuern überwiesen. Damit sei sein Unternehmen wohl der wichtigste Steuerzahler in Irland gewesen.

Cook machte für die Entscheidung Vestagers auch eine generelle Stimmung gegen amerikanische Unternehmen verantwortlich. Dies sei ein Grund, warum Apple ins Visier genommen worden sei. Der Konzernchef schloss sich der Kritik von US-Finanzminister Jacob Lew an, die Europäer hätten es auf Steuerzahlungen abgesehen, die dem US-Fiskus zustünden. "Ich denke, genau das ist es. Ich denke, das ist ein Versuch, Steuern, die in den USA bezahlt werden sollten, in die EU zu verlagern." Und weiter: "Ich bin überzeugt, dass es eine politisch motivierte Entscheidung war. Für sie gibt es keine Grundlage in Fakten oder Recht."

Vestager wies Cooks Vorwurf entschieden zurück. "Diese Entscheidung stützt sich auf die Fakten des Falls", betonte die Kommissarin. Am Ende gebe es Gerichte, die darüber zu entscheiden hätten, und die wollten keine Bauchgefühle, sondern eben Fakten. Auch was den errechneten Apple-Steuersatz von 0,005 Prozent betrifft, sieht sich Vestager im Recht: "Wir haben die Zahlen von Apple selbst und von den Anhörungen, die in den USA stattgefunden haben." Die Daten seien richtig. Sie werde noch im September mit US-Finanzminister Lew in Washington über die Steuerforderungen sprechen.

Bayerns Finanzminister Söder hält die Forderungen für überzogen

Cook kündigte unterdessen einen überraschenden Schritt an. Sein Konzern werde 2017 offenbar Steuern in Milliardenhöhe in den USA zahlen, sagte der Apple-Chef dem irischen Radiosender RTÉ. Das Unternehmen hat derzeit fast 170 Milliarden Dollar in langfristig laufende Wertpapiere investiert. Die Summe ist laut Analystenschätzungen so hoch, weil Apple auf diese Art die Gewinne aus vergangenen Jahren parkt, die nur gering versteuert wurden. Die vielen Milliarden liegen im Ausland, außerhalb der Reichweite der amerikanischen Steuerbehörden. Würde Apple das Geld in die USA holen, würden Steuern in Höhe von etwa 40 Prozent fällig, also rund 68 Milliarden Dollar.

Bisher hatte Cook strikt ausgeschlossen, so viel zu zahlen. Er lehnt die entsprechenden US-Steuergesetze ab. "Bei 40 Prozent werden wir das Geld nicht zurückbringen - erst wenn die Höhe fair ist", hatte er im August der Washington Post gesagt. Nun hört sich das ganz anders an. Offen lässt der Apple-Chef allerdings, ob er eine US-Steuerreform zur Bedingung für die Zahlungen des Konzerns macht - und wie diese aussehen sollte. Vor zwei Wochen hatte er sich hoffnungsvoll gezeigt, dass es nach den Präsidentschaftswahlen in den USA eine solche Reform geben würde.

Eine entsprechende Entscheidung Cooks würde auch die von der Kommission geforderte Steuernachzahlung beeinflussen. Falls andere Staaten mehr Abgaben von Apple eintreiben, verringert das den Betrag, der an Irland gehen soll. Dublin könnte also weniger Geld bekommen, wenn Apple in den USA tatsächlich höhere Abgaben zahlt. Deutschland wird voraussichtlich nicht von den 13 Milliarden Euro profitieren. Zuständig ist das bayerische Finanzministerium, weil die deutsche Apple GmbH in München sitzt. Das Ministerium schließt Steuernachzahlungen von Apple nach einer ersten Prüfung aus. "Nach derzeitigem Stand ist es unwahrscheinlich, dass Deutschland aufgrund der Entscheidung der EU-Kommission höhere Steuereinnahmen erhalten wird", teilte das Ministerium mit.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) hatte die Forderungen aus Brüssel als überzogen kritisiert. Er warnte vor Auswirkungen auf die Beziehungen zu den USA. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) stellten sich wiederum hinter die EU-Kommission. Auch Frankreichs Finanzminister Michel Sapin und der österreichische Bundeskanzler Christian Kern erklärten, Brüssel habe richtig gehandelt.

© SZ vom 02.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: