Apple:Der ungehobene Schatz

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Eine Computeranimation der neuen Apple-Zentrale in Cupertino, Kalifornien. Einigen Investoren gehen die Maßnahmen des Konzerns immer noch nicht weit genug. (Foto: dpa)

Apple sitzt auf Barreserven von mehr als 200 Milliarden Dollar. Um Steuern zu sparen und Aktionäre glücklich zu machen, leiht sich der Konzern trotzdem neues Geld.

Von Kathrin Werner, New York

Tim Cook ist sich keiner Schuld bewusst. "Wir zahlen mehr Steuern in diesem Land als jeder andere", sagt der Apple-Chef und meint die USA, das Heimatland seines Unternehmens. Seit Jahren schon kann Cook kaum ein Interview geben, in dem er nicht über Steuern sprechen muss - und über Steuervermeidung und Steuerschlupflöcher. Selbst vom Kongress in Washington musste er sich dazu schon verhören lassen. Und immer antwortet er mit dem gleichen freundlichen Lächeln, dass er doch gar nichts falsch mache, dass der Fehler bei den anderen liege, bei den Politikern, die einfach zu hohe Abschläge von ihm verlangen.

Apple habe riesige Bargeldbeträge im Ausland, aber das sei alles ganz legal, sagt Cook. Warum bringen Sie das Geld aus dem Ausland denn nicht einfach nach Amerika zurück, fragte zum Beispiel Amerikas berühmtester Interviewer Charlie Rose vor ein paar Wochen im Fernsehen. "Ich würde es liebend gern nach Hause bringen", antwortete Cook. "Aber das würde mich 40 Prozent kosten. Und ich glaube nicht, dass das eine sinnvolle Sache wäre."

Jetzt gibt Cook dem Kongress und all den Fragestellern neuen Anlass zur Aufregung: Apple nimmt neue Schulden auf, obwohl der Konzern auf einem gigantischen Berg an Bargeld sitzt. Wieder geht es um Steuervermeidung. Mit dem eingenommenen Geld will Apple nichts Neues erfinden, sondern die Investoren glücklich machen: Aktien zurückkaufen und eine hohe Dividende zahlen. Eigentlich würde man denken, dass der Konzern dazu sein Bargeld benutzt. Aber das liegt im Ausland, und wenn Cook es an seine Investoren verteilen wollen würde, müsste er es erst einmal in die Vereinigten Staaten holen. Doch dann würden hohe Steuern fällig. Und die hält Cook ja nun einmal für keine "sinnvolle Sache".

Das heißt: Der bargeldreichste Konzern Amerikas verschuldet sich weiter, nur weil er Steuern vermeiden will. Verboten ist das nicht, aber es ist ein Aufregerthema. Viele Politiker in den USA würden deshalb gern die Steuergesetze ändern.

Der Konzern hätte sogar noch viel mehr einnehmen können

Noch lässt sich Apple von solchen Überlegungen aber nicht aufhalten. Der iPhone-Hersteller hat am Dienstag eine Anleiheserie mit sieben verschiedenen Laufzeiten von 2018 bis 2046 versteigert, das geht aus dem vorläufigen Entwurf des bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC eingereichten Wertpapierprospekts hervor. Die Auktion habe Apple zwölf Milliarden Dollar eingebracht, berichtet die Financial Times. Angesichts der hohen Nachfrage - die Gebote hätten mehr als 28 Milliarden Dollar erreicht - habe Apple zwischenzeitlich sogar diskutiert, ob die Banker des Konzerns die Summe auf 15 Milliarden Dollar erhöhen sollen.

Laut Marktbeobachtern hat Apple gute Konditionen angeboten, auch weil die Finanzmärkte sehr turbulent sind. Seit 2013 hat Apple 55 Milliarden Dollar an langfristigen Schulden aufgenommen, vorher hatte der Konzern gar keine langfristigen Verbindlichkeiten. Auf der anderen Seite der neuen Schulden stehen die Bargeldbestände: Zuletzt vermeldete Apple rund 216 Milliarden Dollar, 93 Prozent davon liegen im Ausland. Der Konzern ist also gleichzeitig schwer reich und hoch verschuldet - und er wird immer reicher und höher verschuldet.

Das liegt vor allem daran, dass Apple mit den iPhones, Computern und all den anderen Geräten zwei Drittel der Umsätze außerhalb der Vereinigten Staaten einnimmt. Das Geld wird Cook schwer los, größere Übernahmen von anderen Unternehmen im Ausland zum Beispiel gehören nicht zur Strategie von Apple. Einen Teil der Schulden nimmt Cook seit Jahren schon in ausländischen Währungen auf, unter anderem in Euro, Schweizer Franken, Yen, britischen Pfund oder australischen Dollar. Das hilft, einen Teil des Auslands-Bargelds ohne Steuern an die Aktionäre zu übertragen.

Das Geld aus den neuen Anleihen will Apple für "allgemeine Unternehmenszwecke" verwenden, teilte der Konzern mit. Dazu zählten Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen, "um Aktionären Kapital zurückzugeben". Entsprechend erfreut reagierte die Börse: Der Aktienkurs stieg nach Apples Ankündigung um fast drei Prozent. Apple ist nach Börsenwert das wertvollste Unternehmen der Welt. Der Aktienkurs ist binnen eines Jahres allerdings um 24 Prozent gesunken, weshalb der Zeitpunkt für Aktienrückkäufe günstig sein dürfte. Während sich langfristiger orientierte Aktionäre wünschen, dass Apple ein neues Produkt erfindet, das jeder haben will, und der Aktienkurs steigt, weil das Geschäft so gut läuft, drängen andere Aktionäre darauf, dass Cook sie kurzfristig stärker am Erfolg des Unternehmens beteiligt.

Es geht also um den alten Streit: Sollen Unternehmen Geld in Forschung und Entwicklung stecken oder ihre Aktionäre belohnen?

240 Dollar sei ein fairer Wert für die Aktie, fand der Starinvestor. Jetzt steht sie bei 97 Dollar

Prominenteste Vertreter der Aktionäre, die mehr dieser sogenannten Kurspflege fordern sind Carl Icahn und David Einhorn. Sie haben immer wieder öffentlich gefordert, dass Cook mehr für sie tun soll. Im vergangenen Mai hat der 80-jährige Icahn in einem offenen Brief an den Apple-Chef geschrieben, dass Apple an der Börse enorm unterbewertet sei. Statt damals 124 Dollar pro Aktie sollte der Kurs laut Icahn bei 240 Dollar liegen. Der Markt unterschätze Apples Erfindergeist und vor allem die Auswirkungen der hohen Bargeldbestände und niedrigen Steuersätze.

Der Kurs ist seither allerdings auf rund 97 Dollar gefallen. Obwohl Cook mit den neuen Anleihen und Aktienrückkäufen tut, was Icahn will, hat der Starinvestor zuletzt seine Beteiligung an Apple reduziert. Auch David Einhorn, der mit seinem Fonds Greenlight Capital an dem iPhone-Konzern beteiligt ist, hat seine Anteile seit September um 44 Prozent verringert. Es sieht so aus, als müsste Tim Cook, stets freundlich lächelnd, auch in der näheren Zukunft mehr Fragen zu Investmentfonds, Aktienrückkäufen und Steuervermeidungstricks beantworten als zu neuen Produkten. Doch ein neues Apple-Produkt, das jeder haben will und das die Welt verändert wie einst das iPhone, ist nicht in Sicht.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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