Aktienkurse:Die Zukunft sehen

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Viele Anleger glauben, sie könnten das Geschehen an den Börsen vorhersagen. Aber die Menschen werden oft unbewusst getäuscht.

Von Nils Wischmeyer, München

Der Kurs einer bestimmten Aktie will einfach nicht fallen. Seit Tagen schon geht es von einem Höhepunkt zum nächsten. Für viele Anleger ein sicheres Zeichen: Jetzt muss ich kaufen.

Doch was im ersten Moment logisch scheint, ist nur eine von vielen Täuschungen, denen der Mensch an der Börse unterliegt. Wissenschaftler sprechen hierbei oft von einem "Bias", also einer Verzerrung der Wirklichkeit. Wahrgenommen wird sie von den Menschen meist nicht, sie passiert unterbewusst. Erforscht werden solche Phänomen in der Wirtschaftspsychologie.

Ein weiteres Beispiel für eine Verzerrung der Wirklichkeit ist die These des "End Anchoring". Die besagt, dass Anleger sich stark von der letzten Veränderung des Graphen beeinflussen lassen. Fiel der Aktienkurs in den vergangenen Wochen und steigt seit heute wieder leicht, wäre das für viele ein Grund zu investieren. Legt man den Menschen hingegen den Verlauf der Aktie als Balkendiagramm vor, entscheiden sie anders. Der Mensch wurde getäuscht - in dem Fall vom Graphen.

Trotz oder gerade wegen dieser Täuschungen glauben viele Anleger, weitere Kursentwicklungen vorhersehen zu können. Was ein wenig nach Größenwahn klingt, ist in der Wissenschaft umstritten. Die Markteffizienzhypothese widerspricht dem vehement. Eugene Fama, Robert J. Shiller und Lars Peter Hansen wurden für ihre Arbeit auf dem Gebiet 2013 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.

Sie argumentieren, dass die Kurse an den Börsen bereits eingepreist sind, sich also alle relevanten Informationen im Aktienkurs widerspiegeln. Der weitere Verlauf sei abhängig von der Nachrichtenlage. Und weil niemand Nachrichten vorhersehen könne, könne auch niemand Aktienkurse vorhersehen. Die weitere Entwicklung sei deshalb ein "Random Walk" - ein rein zufälliger Verlauf. Selbst Profi-Investoren könnten mit ihren umfangreichen Analysen keine glaubhafte Vorhersage machen. Lediglich breit angelegte Schätzungen seien möglich - und selbst die seien nicht immer korrekt. So könne man etwa sagen, dass der Deutsche Aktienindex (Dax) in den nächsten 14 Monaten um 23 Prozent fallen oder bis 45 Prozent steigen werde. Präzise sei das nicht. Langfristiger Erfolg von Investoren sei eher mit Glück oder Zufall zu erklären.

In der Wissenschaft ist die Markteffizienzhypothese aber stark umstritten. Ihre Kritiker argumentieren, dass der Markt bestimmten Zyklen folge, die man sehr wohl vorhersehen könne. Dazu gehöre unter anderem, dass Aktien in bestimmten Monaten besonders teuer oder eben besonders günstig seien. Da Börsen nach besonders wichtigen Nachrichten stark schwankten, könnten zudem nicht alle relevanten Informationen sofort eingepreist sein.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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