Ärzteschaft:Ungesunde Feindschaften

Die Vertreter der Mediziner sind heillos zerstritten. Ein Führungswechsel würde da nichts ändern.

Von Guido Bohsem

Ärztetage gelten als eine Art Hochamt für die angestellten und freiberuflichen Mediziner. Einmal im Jahr kommen die gewählten Vertreter in feierlicher Stimmung zusammen. Man gedenkt der Toten, ehrt besonders verdiente Mediziner und diskutiert selbstbewusst und in großer Ernsthaftigkeit gesundheitspolitische Fragen.

Doch in diesem Jahr dürfte es vielen Delegierten schwerfallen, in feierliche Stimmung zu kommen - zu gereizt dürfte die Gemütslage sein. Vor allem die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) steckt in einer tiefen, wahrscheinlich sogar existenziellen Krise. Die Organisation wird von Skandalen erschüttert und ist in sich so sehr zerstritten, dass ihr ein Neustart nicht gelingen will. Doch auch in der Bundesärztekammer (BÄK) ist der Unmut groß wie lange nicht, weil wieder ein Versuch gescheitert ist, den jahrzehntealten Abrechnungskatalog für Privatpatienten zu reformieren.

An die Spitze der Organisation gehören Verwaltungsprofis

Es wäre falsch, die Querelen als das übliche Gezänk von Funktionären abzutun, der ohne Folgen bleibe. In letzter Konsequenz leiden die Patienten unter der Krise. Insbesondere die Lage der KBV ist bedrohlich, hat die Organisation doch den gesetzlichen Auftrag, die medizinische Versorgung im Land sicherzustellen. Und da gäbe es einiges zu tun: die Telemedizin ausbauen oder gegen den Schwund der Hausärzte auf dem Land vorgehen. Die KBV könnte Konzepte entwickeln, die den Ansprüchen der jüngeren, vornehmlich weiblichen Ärzte-Generation entgegenkommen, die nicht 60 Stunden als Einzelkämpfer in der Praxis arbeiten möchte.

Doch dazu ist die KBV derzeit nicht in der Lage. Die Organisation ist tief gespalten und völlig desperat. Das fängt beim aktuellen Vorstand an. Andreas Gassen und Regina Feldmann sind zerstritten. Sie misstrauen einander so sehr, dass sie schon lange nicht mehr einheitlich, geschweige denn kooperativ oder gar zielführend handeln könnten.

Der Zank in der Führungsspitze führt immer wieder zu Beschlüssen, die sich widersprechen und sogar ausschließen. Auch eine vertrauensvolle und verlässliche Kooperation mit den Mitarbeitern ist nicht möglich. Viele von ihnen sind derart verunsichert, dass ganze Arbeitseinheiten schlichtweg nicht mehr arbeitsfähig sind. Das ist keine journalistische Zuspitzung - es ist das Gesundheitsministerium als zuständige Aufsicht, das zu dieser vernichtenden Bewertung kommt. Und die Fachleute von Minister Hermann Gröhe (CDU) beschwören die Spitzen der Organisation, sich endlich wieder auf ihre Aufgaben zu besinnen.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist nicht nur der uralte Streit zwischen Haus- und Fachärzten, sondern auch Streitigkeiten unter den Chefs der regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen. Viele Animositäten sind mithin nur noch historisch zu erklären. Die meisten der Funktionäre kennen sich seit Ewigkeiten, viele sind einander in herzlicher Abneigung verbunden. Sie sind jederzeit bereit, dem anderen eine Falle zu stellen. Diese Spinnefeindschaft unter den Amtsträgern erklärt auch, weshalb ein Rücktritt Gassens und Feldmanns keine Lösung wäre. Ihre Nachfolger wären vom gleichen Gift gelähmt.

Das kann kein Betrieb, keine Organisation auf Dauer aushalten. Geht es so weiter, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die KBV zusammenbricht. In der Ärzteschaft gibt es bereits Überlegungen, die Dachorganisation abzuschaffen und die Verantwortung vollständig den regionalen Untereinheiten zu übertragen. Das hätte den Vorteil, dass die örtlichen Verantwortlichen die Verhältnisse deutlich besser kennen als eine ominöse Berliner Zentrale. Für die Politik machte eine solche Struktur das Gesundheitssystem aber noch unbeherrschbarer, als es ohnehin schon ist. Statt mit einem Ansprechpartner hätte es der Gesundheitsminister dann mit 17 verschiedenen zu tun.

Eine andere Möglichkeit wäre es, das gesamte KBV-System abzuschaffen und die Verantwortung für die ambulante medizinische Versorgung in die Hände der Länder oder sogar der Krankenkassen zu legen. Solche Überlegungen hatte es zuletzt während der Zeit der rot-grünen Koalition gegeben. Sie scheiterten dann aber am politischen Widerstand und am Protest der Ärzteschaft selbst.

Will die Ärzteschaft heute einen solchen Schritt verhindern, bleibt ihr nur ein Ausweg. Sie muss sich professionalisieren. Die Spitze der KBV darf nicht mehr aus gewählten Ärzten bestehen, hierhin gehören unabhängige Verwaltungsprofis. Denn erst wenn sie den eigenen Laden in Ordnung gebracht haben, können sich die niedergelassenen Ärzte ernsthaft an der politischen Diskussion beteiligen.

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