ADAC:Gute Freunde

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Nachbarn, alte Freunde und gemeinsam bei Oldtimer-Rallyes unterwegs: Jetzt ist einer der mächtigsten ADAC-Funktionäre über eine Auftragsvergabe gestürzt.

Von Bastian Obermayer und Uwe Ritzer

München - Sie sind Nachbarn, alte Freunde noch aus Schulzeiten und heute gemeinsam aktiv im Polizeisportverein Gelsenkirchen. Bei Oldtimer-Rallyes waren Christian Schramm und Klaus-Peter Reimer als Team öfter schon erfolgreich, bevorzugt in schönen, alten Mercedes-Wagen. Die Freundschaft sei aber nie in geschäftliche Kumpanei ausgeartet, sagt Schramm. Es sei überhaupt der erste Auftrag gewesen, den er als Architekt vom ADAC erhalten habe. Seinem Freund Reimer daraus einen Strick zu drehen, sei "völlig aus der Luft gegriffen", sagte Christian Schramm zur Süddeutschen Zeitung.

Trotzdem ist Klaus-Peter Reimer über diesen Auftrag gestürzt. Am Mittwoch ist er von allen ADAC-Ämtern zurückgetreten. Als Vizepräsident und Schatzmeister war der 62-Jährige einer der mächtigsten Funktionäre des Automobilclubs. Zugleich führte der pensionierte Steueramtsrat den ADAC-Regionalclub Westfalen. Um dessen Auftragsvergabe an den Architekten Schramm geht es nun, sie war offenbar fragwürdig. Reimer reagierte mit seinem Rücktritt auf den Vorwurf, es mit der Compliance (also den Grundsätzen für ethisch einwandfreies Wirtschaften) in Bezug auf seinen Schulfreund Schramm nicht genau genug genommen zu haben. SZ-Fragen dazu ließ Reimer unbeantwortet.

Ein anonymer Informant hatte den Vorgang in das neue Hinweisgebersystem eingespeist

Im Mittelpunkt der Vorwürfe stehen nach SZ-Informationen zwei Bauvorhaben, die man so für sich genommen vom ADAC nicht unbedingt erwarten würde: eine Seniorenwohnanlage in Hagen und den Umbau eines Parkhauses zu einem Wohn- und Geschäftskomplex samt Stellplätzen in Gelsenkirchen nahe dem Bahnhof. Der ADAC Westfalen sah darin lukrative Anlagen für die vielen Millionen Euro, die er eingesammelt hat, aber für die eigentlichen Vereinszwecke nicht benötigt. Etwa 15 Millionen Euro sollen beide Projekte zusammen kosten. Mit den Voruntersuchungen und Planungen beauftragte der Regionalklub den alten Freund seines Vorsitzenden, den Architekten Christian Schramm.

Die entsprechenden Aufträge sollen frei vergeben worden sein, ohne vorher zu prüfen, ob Schramms Angebote die wirtschaftlichsten sind - oder ob andere Architekten womöglich billiger wären. Ein anonymer Informant hatte den Vorgang in das Hinweisgebersystem eingespeist, das der ADAC seit Kurzem unterhält. Insgesamt seien bereits 46 Hinweise auf mutmaßliche Regelverstöße eingegangen, vier davon hätten sich nach ersten Untersuchungen erhärtet, so eine ADAC-Sprecherin.

Im Fall Reimer wurde die Anwaltskanzlei Freshfields mit der Überprüfung beauftragt. Diese ergab offenbar, dass die Vergabe an Schramm so nicht hätte stattfinden dürfen, dies stelle "einen Verstoß gegen die gebotene Sorgfalt" dar. Die Höhe des Architekten-Honorars ist noch nicht bekannt, Branchenkenner sprechen von "üblicherweise zehn Prozent der Bausumme." Der ADAC hat Wirtschaftsprüfer beauftragt, zu klären, ob dem ADAC ein Schaden entstanden ist. "Wegen noch offener Fragen", so eine ADAC-Sprecherin, habe der Vorstand des Regionalklubs Westfalen zudem auf den Rat von ADAC-Präsident August Markl hin seine Entlastung auf der Mitgliederversammlung im März vertagt. Nun werde sich der neue Compliance-Ausschuss zügig mit dem Fall befassen.

Architekt Schramm kann die Aufregung nicht verstehen. Das Gelsenkirchener Projekt habe er von sich aus an den ADAC herangetragen, nachdem der bisherige Betreiber das Parkhaus angeblich verkaufen will. Und auf Seniorenwohnanlagen, wie in Hagen vorgesehen, sei sein Büro seit Langem spezialisiert, sagt Schramm: "Wir planen im Jahr locker 150 Wohneinheiten für Senioren." Seine Leistungen für den ADAC rechne er nach den Mindestsätzen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ab. "Dass wir den Auftrag erhalten haben, hat nichts mit Kumpanei zu tun", sagt er. Obendrein sei nicht der Vorsitzende Reimer, sondern der Geschäftsführer des ADAC-Westfalen sein hauptsächlicher Verhandlungspartner gewesen.

Innerhalb des ADAC sind die Vorgänge in Westfalen schon länger Thema. Und sie erhitzen auch deswegen die Gemüter, weil zumindest einer der umstrittenen Aufträge an den Architekten zu einem Zeitpunkt vergeben worden sein soll, als die ADAC-Krise schon die Schlagzeilen beherrschte, nämlich Anfang 2014. Kumpanei und Vetternwirtschaft wurde damals dem ADAC an vielen Stellen unterstellt, die Sensibilität dafür hätte man bei einem seiner höchsten Repräsentanten also erwarten können. Die Affäre birgt auch Sprengstoff für ADAC-Präsident Markl. In einer internen Sitzung auf der Hauptversammlung des Automobilclubs im Mai habe Reimer den Delegierten versichert, die Freshfields-Prüfer hätten alle Vorwürfe gegen ihn ausgeräumt , schreibt die Wirtschaftswoche. Markl habe ihm nicht widersprochen, obwohl in dem Gutachten "Pflichtverletzungen des Vorstands des ADAC Westfalen" festgestellt würden - und Markl als Auftraggeber des Gutachtens davon gewusst haben müsse. Damals seien "die von mir initiierten externen Untersuchungen nicht abgeschlossen gewesen", so Markl dazu am Mittwoch gegenüber der SZ. "Aufgrund der damaligen Faktenlage und der wichtigen Reformbeschlüsse wollte ich nicht vehementer handeln." Reimer wurde anschließend, trotz eines Gegenkandidaten, für weitere vier Jahre als Vizepräsident und Schatzmeister im Amt bestätigt.

Derweil untersuchen die ADAC-Compliance-Wächter noch mehr Vorgänge im Regionalclub: Es sollen Pokale für ADAC-Wettbewerbe jahrzehntelang beim selben Händler gekauft worden sein - ebenfalls ohne andere Angebote einzuholen. Von einem angeblich fünfstelligen Betrag jährlich ist die Rede. Der Pokalhändler ist zugleich Vorstandsmitglied des westfälischen Regionalklubs und Mitglied im bundesweiten ADAC-Verwaltungsrat. Eine nicht ganz unproblematische Konstellation - und als solche wiederum nicht ganz unüblich im ADAC.

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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