Abgastests:Straße statt Labor

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VW und die Folgen: Die EU-Kommission beschließt neue Abgastests für Autos. Aber: Es gibt lange Übergangszeiten für Neuwagen. Die Industrie findet die Regeln ambitioniert, Umweltverbände sind ganz anderer Meinung.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Seit acht Jahren haben Experten in Brüssel daran gearbeitet, jetzt ist es so weit: Die neuen Abgastests für Autos wurden beschlossen. Die Fahrzeuge sollen künftig nicht mehr im Labor untersucht werden, sondern auf der Straße. Dabei wird nach dem Zufallsprinzip beschleunigt oder abgebremst. Messgeräte sollen den Stickoxid-Ausstoß unter realen Fahrbedingungen erfassen.

Bis es so weit ist, wird es aber noch dauern. Das sogenannte Real-Driving-Emissions-Verfahren (RDE) soll zwar von Januar an zum Einsatz kommen, zunächst allerdings nur als Ergänzung zum Labortest. Ziel ist es, dass die Autos ab Herbst 2017 nur noch auf der Straße geprüft werden. Bis dahin geht es lediglich darum, zu erfassen, wie stark sich die Abgaswerte draußen von jenen im Labor unterscheiden.

Genau das ist der Hauptgrund für die neuen Tests. Die fast unter klinischen Bedingungen gemessenen Schadstoffwerte sind nämlich deutlich niedriger als beim Fahren auf der Straße. Autohersteller können die Werte ganz legal drücken - wenn sie zum Beispiel spezielle Reifen aufziehen. Einer Studie der Forschungsorganisation ICCT zufolge, die den VW-Skandal maßgeblich ans Licht brachte, ist der tatsächliche Spritverbrauch vieler Autos um ein Drittel höher als im Labor. So steigt besonders der Ausstoß von Kohlendioxid (CO₂). Aber auch die Stickoxide (NOx), um die es im Fall VW geht, liegen meist ebenfalls höher.

Die neuen Tests gelten für die Zulassung neuer Fahrzeugtypen ab September 2017. Für eine Übergangszeit bis Januar 2019 dürfen Autos noch mehr als doppelt so viel Abgase ausstoßen wie im Labor: 110 Prozent mehr. Für alle Neuwagen sind Straßentests von September 2019 an vorgeschrieben - ein Jahr später als von der EU-Kommission geplant. Hier dauert die Übergangsfrist bis Januar 2021. Längerfristig darf der Schadstoffausstoß bei Straßentests von Dieselfahrzeugen noch um die Hälfte höher sein als die Obergrenze im Labor. Der EU-Kommission zufolge werden die Laborwerte dort derzeit um bis zu 400 Prozent überschritten. Ursprünglich hatte die Brüsseler Behörde deutlich strengere Auflagen vorgeschlagen - doch dafür gab es keine Mehrheit bei den EU-Staaten. Vor allem in Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien war der Druck der Autoindustrie offenbar zu groß.

Trotzdem hält der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) die Entscheidung für "äußerst ambitioniert". "Sie stellt Automobilhersteller und Zulieferer vor große technische und wirtschaftliche Herausforderungen", sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann. Er wies darauf hin, dass Schadstoffvorgaben für Straßentests schwer zu machen seien. "Jede Fahrt, selbst mit dem gleichen Modell auf der gleichen Strecke, ist anders." Umweltverbände sind anderer Meinung. Sie halten die neuen Abgasgrenzwerte für viel zu mild.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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