Abgasaffäre:Aktionäre wollen zehn Milliarden Euro von VW

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  • Ein Jahr nach Bekanntwerden der Abgasaffäre ist die Situation für VW brenzlig. Private Investoren verlangen Schadenersatz in Milliardenhöhe.
  • Besonders zittern dürfte der Konzern vor einem Mann aus den USA: Michael Hausfeld. Der gefürchtete Anwalt will international Schadenersatzklagen koordinieren.

Von Thomas Fromm, Klaus Ott und Katja Riedel

Es gibt schöne und weniger schöne Jubiläen. Für VW ist der Jahrestag der Abgasaffäre gewiss ein unschönes Jubiläum. Und auf Besserung deutet wenig hin. Im Gegenteil: Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR sind es bereits zehn Milliarden Euro, die vermeintlich getäuschte Aktionäre als Ausgleich für den Kursverlust ihrer VW-Papiere verlangen.

Eine weitere, noch härtere Attacke steht bereits bevor: Demnächst versammelt der US-Anwalt Michael Hausfeld Kollegen von mehreren Kontinenten, um Schadenersatzklagen von getäuschten VW-Kunden zu koordinieren. Der gefürchtete Jurist will nach seinem erfolgreichen Feldzug im eigenen Lande, wo 500 000 Käufer von Diesel-Fahrzeugen großzügig abgefunden werden, VW nun auch global angreifen.

Bei den klagenden Anlegern handelt es sich um mehr als 5500 Kleinaktionäre und mehr als 1100 größere Investoren, darunter etwa der Vermögensverwalter Blackrock. Beim Landgericht Braunschweig gehen in diesen Tagen zahlreiche neue Schriftsätze mehrerer Kanzleien ein. So will alleine der Tübinger Anleger-Anwalt Andreas Tilp am Montag Klagen im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro einreichen. Tilp möchte dadurch vermeiden, dass Ansprüche verjähren. Er hatte bereits vor einem halben Jahr ersten Klagen in Höhe von 3,25 Milliarden Euro eingereicht. VW weist die Vorwürfe zurück.

Weitere neue, umfangreiche Klagen kommen von der Kanzlei Nieding und Barth. Anwalt Klaus Nieding nannte auf Anfrage von SZ, NDR und WDR eine Summe von 2,8 Milliarden Euro, die er für seine Mandanten von VW fordere. Dahinter stünden mehr als 4500 Kleinaktionäre und mehr als 400 große Investoren, darunter Pensionsfonds aus den USA, Versicherungen und Investmentgesellschaften aus den arabischen Emiraten.

17. Oktober - der nächste Schicksalstag für VW?

Die Abgas-Affäre hatte begonnen, als US-Behörden Manipulationen von VW bei den Schadstoffwerten von Diesel-Fahrzeugen enthüllten. Die in Braunschweig klagenden Aktionäre werfen VW vor, die Anleger viel zu spät über die manipulierten Abgas-Werte informiert zu haben. Nach Bayern kündigten jetzt auch die Bundesländer Hessen und Baden-Württemberg an, Volkswagen deshalb auf Schadensersatz zu verklagen. VW weist auch diese Vorwürfe zurück.

US-Anwalt Hausfeld will solche Schadenersatzklagen nun international organisieren. Dafür will der Jurist am 17. Oktober in Berlin oder Brüssel Kollegen aus Europa, Australien und Neuseeland versammeln, um seine Pläne vorzustellen und voranzutreiben. Allein in Europa besitzen etwa 8,5 Millionen Käufer Volkswagen-Fahrzeuge mit geschönten Schadstoffwerten.

Im Gegensatz zu Hausfeld strebt der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum für VW-Kunden einen außergerichtlichen Vergleich mit dem Autokonzern an. Die Kanzlei Baum, Reiter & Collegen kooperiert mit der gemeinnützigen niederländischen Stiftung Car Claim (Auto-Klage), bei der sich bereits 100 000 VW-Kunden aus Europa registrieren ließen. "Wir müssen zu einer vernünftigen Einigung mit VW kommen", sagt Baum gegenüber SZ, NDR und WDR. Man müsse im Auge haben, "dass der Konzern nicht ausblutet". Baum geht auf Distanz zu anderen Anwälten. "Die US-Kanzleien kassieren ja ganz anders ab", kritisiert der Ex-Minister. Zu dem von Hausfeld organisierten Treffen im Oktober wird er voraussichtlich nicht eingeladen.

Bosch im Visier von US-Ermittlern

Einem Medienbericht zufolge soll auch Bosch in die abgasaffäre verwickelt sein. Der Konzern ist offenbar ins strafrechtliche Visier der US-Justiz geraten. Die entsprechenden "Dieselgate"-Ermittlungen seien auf den Zulieferer ausgeweitet worden, meldete der Finanzdienst Bloomberg unter Berufung auf eingeweihte Kreise.

Das Unternehmen wird demnach als Lieferant der Software, die Volkswagen zur Manipulation von Abgastests eingesetzt hat, als aktiver Mittäter verdächtigt. Ein Sprecher des Justizministeriums wollte sich auf Nachfrage der dpa nicht dazu äußern, ob nun auch Bosch auf Verwicklung in kriminelle Machenschaften untersucht wird.

Ein Unternehmenssprecher wollte ebenfalls keinen Kommentar dazu abgeben. Man kooperiere auch in den USA mit den Behörden, sagte er lediglich. Dem Bloomberg-Bericht zufolge wollen die Ermittler des Ministeriums auch der Frage nachgehen, ob noch weitere Autobauer Programme von Bosch genutzt haben, um bei Abgastests von Dieselwagen zu tricksen.

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