Bank wehrt sich gegen Kritik:"Wir alle hassen Goldman Sachs"

Der Text schlug in der Finanzbranche ein wie eine Drohung, die Boni zu kürzen: Ein Investmentbanker kündigte bei Goldman Sachs und warf der Bank öffentlich vor, Kunden als Dödel zu bezeichnen. Der Aktienkurs brach daraufhin ein, die Bank reagiert mit hektischer Krisen-PR. Für Goldman Sachs könnte der Fall zum Desaster werden.

Als die Chefs bei Goldman Sachs gestern die New York Times aufschlugen, flog ihnen eine Faust entgegen: Die Times druckte einen offenen Brief, in dem der Investmentbanker Greg Smith seine Kündigung öffentlich machte und seinem Arbeitgeber vorwarf, Geldmacherei über Kundeninteressen zu stellen. Kunden würden intern als Dödel bezeichnet, als muppets, denen man jeden Mist andrehen könne. Die Chefs hätten die Unternehmenskultur vor die Hunde gehen lassen.

Goldman Sachs Chef Lloyd Blankfein Greg Smith Bank

Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein, Archivbild von 2008.

(Foto: dpa)

Der Text schlug in der Finanzwelt ein wie eine Nachricht über gekürzte Boni. Auch darüber hinaus wurde er breit rezipiert, er ist wohl einer der meistgelesenen Texte weltweit derzeit. "Goldman Sachs" ist in den USA seit mehr als 24 Stunden ein trending topic, ein Thema also, über das außerordentlich viel getwittert wird.

Die Popularität des Textes hat Folgen. Der Aktienwert der Bank rauschte ab, die Firma war plötzlich zwei Milliarden Dollar weniger wert. Die beiden Chefs der Bank, Lloyd Blankfein und Gary Cohn, sahen sich gezwungen, zu reagieren. Sie schrieben einen Brief an ihre Mitarbeiter, um die Wogen zu glätten. Sie seien enttäuscht gewesen, einen solchen Text lesen zu müssen. Es sei unglücklich, dass eine Einzelmeinung so stark das positive Feedback überlagere, das die Angestellten sonst über Goldman äußerten. Das würden Umfragen zeigen. Die Firmenkultur sei doch ganz anders, kundenorientiert und auf langfristige Erfolge ausgerichtet. Goldman Sachs sei ein Top-Arbeitgeber.

Goldman Sachs versucht, den Fall herunterzuspielen. Ankläger Smith führe zwar den Titel Vice President, aber den tragen 12.000 der 30.000 Angestellten, betonte die Bank. Auch leite er nicht wirklich den Bereich der Aktienderivate in Europa, Nahost und Afrika, sondern sei einfach als Einziger für diesen zuständig, steckte Goldman dem Wall Street Journal. Die Zeitung kommentierte Smiths Brief auch als wohlfeil und naiv.

Tatsächlich hat Smith seinen Lebenslauf ein wenig aufpoliert, um seiner Schrift mehr Gewicht zu verleihen, und verweist auch im Text selbst in lässiger Arroganz auf seine Stipendien an Elite-Universitäten und eine Bronze-Medaille im Tischtennis (die er tatsächlich bekommen hat). Doch dass er keine herausragende Stellung in der Firma hatte, ändert für die Goldman-Kritiker nichts am wahren Kern seiner Kritik.

William Cohan, der mit Money and Power eine Art Biographie der Bank geschrieben hat, unterstreicht in der Financial Times die Bedeutung von Smiths Artikel. Bei Goldman Sachs habe bislang eine Omertà geherrscht, eine Schweigepflicht wie bei Mafiosi. Diese sei nun gebrochen. Smiths Wall-Street-Karriere sieht Cohan damit beendet: "Der ist komplett erledigt und im Zeugenschutzprogramm", sagte er Bloomberg.

Jedoch werde es für Goldman nun noch schwieriger, sagt Cohan, die bisherige PR-Inszenierung aufrechtzuerhalten: die erfolgreiche Superbank, die von Politik und Medien verfolgt wird. Goldman, fordert Cohan stattdessen, müsse tatsächlich zu seinen Grundprinzipien zurückkehren und Kunden wieder wie Könige behandeln.

Mit Paul Volcker meldete sich ein weiterer Bankenkritiker. Der ehemalige Berater von US-Präsident Obama steht als Namenspate für eine Reform, die die Finanzindustrie stark verändern könnte. Auf einer Konferenz in Washington sagte Volcker, seit Goldman 1999 selbst eine Aktiengesellschaft geworden sei, schade die Bank den Kunden und der Wirtschaft insgesamt. Er hoffe, dass die sogenannte Volcker Rule das Kasino an der Wall Street ein wenig zähmen könne.

Goldman Sachs werden außerdem Interessenskonflikte vorgeworfen. Die Bank hatte in der Finanzkrise erst ahnungslosen Kunden komplizierte Finanzprodukte angedreht und dann anderen Kunden ermöglicht, erfolgreich darauf zu wetten, dass diese Produkte pleitegehen. Dafür zahlte Goldman 550 Millionen Dollar Strafe. Doch der Vorwurf ist damit nicht aus der Welt: Fondsmanager äußerten sich kritisch über die Bank. "Wir alle hassen Goldman Sachs", sagte der Chef eines großen britischen Vermögenverwalters dem Guardian. Goldman habe zu viel Macht und Informationen, weil sie mit vielen Firmen Geschäfte machen, sie beraten oder Finanzdienstleistungen abwickeln. Damit habe die Bank viel Insiderwissen in der Hand, von dem Kunden fürchten, dass Goldman es gegen sie einsetze.

Linktipp: Der Blog Limericks Économiques, der Wirtschaftsnachrichten zu Gedichten veredelt, widmet sich dem Goldman-Fall.

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