SZ-Bildredakteur gestorben:Trauer um Miguel Villagran

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Er hat der "Süddeutschen Zeitung" ein unverwechselbares Gesicht gegeben und den Fotojournalismus bei "Süddeutsche.de" nachhaltig geprägt. Unerwartet ist SZ-Bildredakteur Miguel Villagran nun im Alter von 34 Jahren gestorben.

Nachruf

Er hat dieser Zeitung ein Gesicht gegeben. Auf wenige SZ-Kollegen würde dieser Satz so zutreffen wie auf Miguel Villagran. Denn ein Titelbild prägt das Gesicht einer Zeitung. Und Miguel Villagran hat in den vergangenen eineinhalb Jahren viele Bilder auf die Titelseite der Süddeutschen Zeitung gerückt. Mit seinem besonderen Blick suchte der Bildredakteur jeden Tag aus Tausenden Fotos diejenigen heraus, die er für einzigartig hielt. Bilder, die das Leben spiegelten: oft Gesichter, aus denen Freude sprach, Trauer oder Angst, aber gerne auch jene Fotos, deren Schönheit sich aus dem scheinbar harmonischen optischen Zusammenspiel einer Vielzahl kaum erkennbarer Menschen erschließt. Eben Bilder des Lebens.

Miguel Villagran war ein erkennbarer Mensch - und er war erkennbar Mensch. Wenn er da war, hörte man das. Sein Lachen, seine Worte belebten jeden Raum. Schnell hatte er auch das Gesicht der Bildredaktion geprägt mit seiner Lebensfreude, seiner Fröhlichkeit, seiner Begeisterungsfähigkeit. Er war ein Kämpfer, zum Beispiel, wenn er sich ein bestimmtes Foto oder eine Sache in den Kopf gesetzt hatte. Und er konnte überzeugen.

Voll mitreißendem Enthusiasmus setzte er sich für die Idee eines Bilderblogs bei Süddeutsche.de ein. Er kämpfte für guten Bildjournalismus und wollte den vielen ungenutzten Reportagen aus der Flut der täglichen Fotos eine Plattform schaffen.

Mit der Leidenschaft, mit der er seine Bilder verteidigte, hatte Miguel Villagran auch seinen Berufsweg beschritten. Als Abiturient hatte er in seiner Heimatstadt Bielefeld eine Skate-Weltmeisterschaft besucht und konnte es nicht fassen, dass dieses Ereignis der Regionalzeitung weder ein Foto noch eine Zeile wert war. Wer ihn kannte, kann sich vorstellen, wie er in die Redaktion marschierte - und mit einem Auftrag wieder herauskam. Fortan fotografierte er für die Neue Westfälische Zeitung. Bald darauf aber zog es ihn in die Welt.

Für die Sportfotoagentur Onlinesport reiste er zu Turnieren nach Frankreich, England und in die Ukraine. Er absolvierte ein Bild-Volontariat bei der Nachrichtenagentur dpa und arbeitete dann für verschiedene Agenturen. Sport-Fotos waren nur noch ein Teil seines Repertoires. Die Bildagentur Getty Images erkannte sein Talent und schickte ihn um die Welt. Mehrmals war er in Afghanistan.

Er hatte keine Furcht; und er wusste, dass diese Welt nicht überall so war, wie man sie sich wünschen könnte. Seine Eltern hatten einst Chile, ihre Heimat, verlassen müssen, sie waren zu Flüchtlingen geworden. Aber sie gaben ihrem Sohn in Deutschland eine Heimat. Zuletzt war das München für ihn, nach den Jahren in Berlin. Hier war er angekommen, hier wollte er gerne eine Familie gründen, Kinder haben. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Miguel Villagran ist in der Nacht zum Montag im Alter von 34 Jahren einem Herzinfarkt erlegen.

© SZ vom 21.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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