Werbung:Da legst di nieder

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Dass Frauen in teuren Luxusklamotten gelangweilt in die Ferne starren, das kannte man bereits. Aber dass sich in Modekampagnen plötzlich alles um das Sofa dreht, das ist neu. Dabei sollen doch eigentlich Taschen verkauft werden!

Von Silke Wichert

Models, die sich in Modekampagnen räkeln oder wie hingegossen daliegen, haben wir hundertfach gesehen. Das wirkt lasziv, tiefenentspannt, und es fällt nicht auf, wenn das Kleid mal nicht so sitzt. Neu ist allerdings, dass es nicht mehr nur darauf ankommt, wie, sondern vor allem wo die Mädchen gerade liegen.

Auf dem ersten Kampagnenbild des "New Gucci" unter Designer Alessandro Michele ist das Model nur im Anschnitt zu sehen, an der Hand baumelt das brandneue Taschenmodell; eigentlicher Star der Kampagne ist jedoch das Sofa. Ein goldbrauner Dreisitzer aus Samt oder Velours ohne Rückenpolster, der mitten im Bild thront. Kein neues Modell, eher ein teures Erbstück, schon ein bisschen abgegriffen, sonst aber gut in Schuss.

Spontaner Reflex: So würde ich bei mir zu Hause auch gern mal abhängen. Dann der berechtigte Einwand: Wo stelle ich so ein Riesending in meinem 15 Quadratmeter-Wohnzimmer bloß hin? Und die sehr reale Einsicht: Womöglich sieht es bei mir nicht mehr ganz so lässig aus, weil die Stromleitungen sauber verlegt sind und kein alter Perserteppich daneben liegt, sondern Laminat darunter und viel Gedöns drumherum.

Man denkt jetzt also über das Gucci-Sofa nach, das kein Gucci-Sofa ist, weil diese Marke keine Möbellinie führt. Was das noch mit Handtaschen, Schuhen, Kleidern zu tun hat? Offensichtlich viel, denn Werbemotive von Bottega Veneta und Saint Laurent funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip. Bei Bottega trägt das Model zwar ein aufwendiges Spitzenkleid und eine geflochtene lila Handtasche über der Schulter, ebenso präsent sind allerdings der prächtige Teppich, die Wandgemälde, ein gestepptes Ledersofa, das schon bessere Tage gesehen hat, sowie eines von zwei roten Satinsesselchen, auf dem das Model mit einer halben Pobacke lehnt. Bei Saint Laurent hat sich das Mädchen im schwarzen Lederkleid mit schwarzen Lederstiefeletten in einen schwarzen Ledersessel sinken lassen, ein männliches Model stützt sich mit dem Ellenbogen auf einen Stuhl mit aufgeplatzter Polsterung.

In diesen Kampagnen wird nicht mehr irgendeine Körperhaltung inszeniert, sie bilden vielmehr die Geisteshaltung der gewünschten Zielgruppe ab. Und die bewegt sich momentan offensichtlich irgendwo zwischen alten Sitzmöbeln und neuen Handtaschen. Oder anders formuliert: Eindimensionaler Luxus ist so was von passé, wir leben in einer hochkomplexen Welt, da ist Vielschichtigkeit gefragt. Die moderne Kundin nimmt also mit Kusshand das Pied-à-terre der verstorbenen reichen Großtante, spart sich die Renovierung, weil so ein bisschen Patina ja viel cooler ist, und gibt ihr Geld lieber für das teure Designeroutfit aus. Das natürlich auch nicht so aalglatt wie noch in den Neunzigern rüberkommt, sondern gleichfalls Brüche in sich trägt. Manchen Hosen von Gucci wurden im unteren Drittel Liegefalten eingedampft, ganz so, als hätten sie ewig in einem alten Koffer gelegen, und man sei jetzt einfach so, ohne Umschweife, wieder hineingeschlüpft. Herrlich unkompliziert!

Aber ob der Nachbar auch kapiert, wie todschick dieser runtergerockte Lifestyle ist? Ob er nicht eher glaubt, das junge Ding von nebenan könne sich kein Bügeleisen leisten? Und wenn er dann klingelt, um sein altes vorbeizubringen, sieht er die abgeblätterten Leitungen, das aufgeplatzte Ledersofa und dass da weder ein Bild an der Wand hängt, noch sonst irgendwas in dieser Wohnung rumsteht, das nach Leben aussieht, wahrscheinlich denkt er sofort, da seien Drogen im Spiel. Und dann nimmt er sein Bügeleisen wieder mit.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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