Trendladen-Besitzer Andreas Murkudis:"Eigentlich hasse ich Geschenke"

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Hippe Hauptstadt-Touristen strömen in seinen Laden: Andreas Murkudis, Gründer des gleichnamigen Berliner Concept Stores, kennt sich mit Konsum aus wie wenige andere. Im Interview spricht er über die Kunst des richtigen Schenkens, Trend-Präsente - und wieso das ganze Jahr Weihnachten ist.

Interview: Miriam Stein

Das Konzept ist so einfach wie genial: Im Laden von Andreas Murkudis gibt es nur Objekte, die er persönlich ausgewählt und als besitzenswert befunden hat. Das trifft auf Mode von Balenciaga, Taschen von Céline ebenso zu wie auf Nymphenburg-Porzellan, Möbel des deutschen Labels "e15" und Edel-Obstler aus der kleinen Hegauer Schnapsbrennerei Stählemühle.

Er braucht keine Geschenke, er mag sie noch nicht mal besonders, nun ja, eigentlich hasst er sie, sagt Andreas Murkudis. (Foto: Magnus Reed)

Murkudis - 1961 als Sohn griechischer Einwanderer in Deutschland geboren und Bruder des Modedesigners Kostas Murkudis - kauft seine Produkte in sehr kleiner Auflage, manche werden sogar exklusiv für ihn hergestellt. Vor seiner Zeit als Botschafter des minimalistischen Luxus war er Geschäftsführer im Berliner "Museum der Dinge". Im Sommer 2011 verließ er sein gut verstecktes Quartier in der Münzstraße in Berlin-Mitte und zog in die Potsdamer Straße. Die 1000 Quadratmeter große Halle im ehemalige Verlagsgebäud e des Tagesspiegels wurde vom Berliner Architekten-Duo Gonzales / Haase umgebaut.

SZ: Herr Murkudis, mit Verlaub, aber in Ihrem Laden sieht es nicht gerade sehr weihnachtlich aus . . .

Andreas Murkudis: Das Problem mit Tannenbaum und Kugeln ist Folgendes: Entweder man macht es richtig, dann ist es aber auch richtig aufwendig - oder aber man dekoriert nur ein bisschen und es wirkt, als würde man Weihnachten spielen.

Sehnen Sie sich nicht nach ein wenig Weihnachtsstimmung?

Bei mir ist eigentlich das ganze Jahr Weihnachten! Wir bekommen jeden zweiten Tag Pakete und ich packe sie selbst aus. Man sieht mich dann mit einem Cutter und Kisten herumlaufen. Ich öffne also das ganze Jahr über Pakete und fühle immer etwas dabei: Ich freue mich oder bin enttäuscht. Deswegen brauche ich keine Geschenke. Ich mag keine Geschenke. Eigentlich hasse ich Geschenke (lacht).

Aber ist Weihnachten nicht auch ein Fest für Ihr kaufmännisches Herz?

Für uns ist das Weihnachtsgeschäft nicht so elementar wichtig, wir verkaufen das ganze Jahr gut genug.

Es gibt jedes Jahr gewisse Trends, was Weihnachtsgeschenke angeht. Wie ist das bei Ihnen?

Ich kaufe ehrlich gesagt gar nicht explizit für Weihnachten ein. Wir haben in diesem Jahr nur mehr Schokolade als sonst. Zum Beispiel diesen Schokoladenweihnachtsmann: Jede einzelne Figur wird von Hand gegossen, und um den nächsten zu fertigen, muss der vorige erst in der Form hart werden. Er wiegt über 1000 Gramm.

Beraten Sie Ihre Kunden? Beziehungsweise: Woher wissen Sie, ob es eher der Schoko-Weihnachtsmann oder doch das niedliche Nymphenburg-Kätzchen sein soll?

Für uns ist es nicht schwierig zu beraten, denn wir kennen unsere Kunden sehr gut, bestenfalls kennen wir sogar den, der beschenkt werden soll. 80 Prozent unserer Kunden sind Stammkunden. Wir wissen, was sie beruflich machen, wofür sie sich interessieren - da kann man das Feld relativ gut eingrenzen. Wir liegen meistens relativ richtig.

Konkret heißt das?

Es gibt allgemeine Geschenke, über die sich jeder freut. Eine schöne Woll- oder Kaschmirdecke oder diese Unikat-Notizbücher von Christian Haas. Er füllt die Bücher erst mit weißen Blättern, geht dann auf Flohmärkte und kauft dort Atlanten, Kinderbücher, Strickanleitungen. Die werden in der Druckerei zugeschnitten. Er setzt sie per Hand zusammen. Erst dann werden die Bücher gebunden. Einfache, schöne Dinge.

Das klingt schon mal gut. Aber wie kommt man auf ein wirklich persönliches Geschenk?

Man muss darüber nachdenken, was einer Person wirklich gefallen könnte. Das Problem ist, dass die wenigsten sich die Zeit dafür nehmen. Geschenke müssen ja gar nicht teuer sein. Der Beschenkte soll einfach wissen, dass sich der Schenker Gedanken gemacht hat. Man kann zu Douglas rennen und irgendein Parfüm kaufen oder im Spielwarenladen die nächstbeste Kiste Playmobil einpacken, aber das ist phantasielos. Die Mühe, über ein Geschenk in Ruhe nachzudenken, macht sich kaum jemand mehr. Da kann man fast sagen: Viele Weihnachtsgeschenke sind einfach nur Umweltverschmutzung.

Und welche Umweltsünde trat da zuletzt zutage?

Geschenke von Geschäftspartnern sind sehr vorhersehbar: Aus Italien kommt immer ein Panettone, dieser Weihnachtskuchen mit kandierten Früchten. Aus Frankreich schicken sie jedes Jahr eine Flasche Wein. Es gibt ganze Service-Agenturen, bei denen man seine Weihnachtsgeschenke ordern kann. Diese Geschenke sind so banal. Ich frage mich, was ich damit machen soll.

Denken Sie sich bei Ihren Geschäftspartnern originellere Sachen aus?

Nicht unbedingt bei den Geschäftspartnern, eher bei unseren liebsten Kunden. Das müssen nicht die sein, die den meisten Umsatz bringen, sondern Leute, die wir mögen. Dieses Sofakissen aus eisblauer Wolle zum Beispiel. Ich habe es gesehen und mir gedacht: So ein Kissen hätte ich auch gern. Wenn ich das Kissen sehe, freue ich mich. Die Farbe ist toll. Wir verschenken ungefähr 50 dieser Kissen an unsere Kunden.

Wie verpacken Sie die Kissen?

In schwarzem Seidenpapier mit einem kleinen, schwarzen Sticker. Es soll schön aussehen - aber am Ende geht es um das, was drin ist. Das Papier wirft man weg.

Was war das schönste Geschenk, das man Ihnen zuletzt gemacht hat?

Murkudis Laden in der Potsdamer Straße in Berlin steckt voll von potentiellen Geschenken. (Foto: Mirko Zander/ Colorstorm Digital)

Eine Schlüsselkette vom Schmuckhersteller Werkstatt:München, die extra für mich angefertigt wurde. Die finde ich so toll, dass ich sie gar nicht oft trage. Ich hole sie aber relativ oft raus, schaue sie mir an und bin total glücklich!

Welches Objekt aus Ihrem Laden haben Sie zuletzt verschenkt?

Ehrlich gesagt verschenke ich nichts aus meinem Laden. Die Leute würden denken, dass ich es mir zu einfach mache. Für mich wird Schenken dadurch viel schwieriger. Ich mache es folgendermaßen: Wenn ich reise, kaufe ich Dinge, die ich für schöne Geschenke halte. Ich sammele sie in einer Kiste zu Hause und nehme zu bestimmten Anlässen das passende Geschenke heraus. Meinem Bruder zum Beispiel habe ich gerade eine vergriffene Azzedine-Alaïa-Monografie zum Geburtstag geschenkt. Gestern war ich eingeladen und habe ein Künstlerbuch aus meiner Kiste mitgebracht. Ich habe damals gleich drei Stück gekauft.

Und in dieser Kiste befinden sich außerdem noch . . .

. . andere Bücher und Accessoires, Duftkerzen . . . Objekte, die ich toll finde, aber nicht im Laden verkaufen würde.

Haben Sie zwei Einkaufsfühler: Einen für den Laden und einen für Geschenke?

Ein bisschen schon. Bei Geschenken muss ich keinen Hersteller heraussuchen und auch keine bestimmte Menge kaufen. Ich nehme einfach eine Sache mit, von der ich weiß, dass sie jemandem gefallen könnte.

Viele Menschen finden, dass gemeinsame Zeit das ultimative Geschenk ist - ein Trip nach Paris, eine Wanderung mit Picknick, ein Ausflug mit dem Schlauchboot. Wie sehen Sie das?

Ich habe auch schon solche Gutscheine geschenkt bekommen - und ich habe sie alle noch (lacht). Ich finde das relativ einfach, eine Reise, klar, da freut sich jeder drüber. Interessanter ist es doch, jemandem, der schon alles hat, mit einer Kleinigkeit eine Freude zu machen. Sagen wir - mit 30 Euro. Das ist die wahre Kunst: sich darüber Gedanken zu machen und dann mit kleinen Dingen eine große Überraschung herzustellen.

Liegt die wahre Kunst des Schenkens nicht vor allem darin, dass man etwas gibt?

Spenden finde ich gut. Bevor man Dinge verschenkt, die ohnehin umgetauscht werden, wäre es sinnvoller das Geld zu bündeln und zu spenden. Allein der Betrag, der mit dem gekauften Geschenkpapier in der Mülltonne landet, könnte wahrscheinlich sehr, sehr viele Menschen für ein ganzes Jahr glücklich machen. Ja, eine Spende ist wohl das viel tollere Geschenk.

Können Sie sich vorstellen, einem Stammkunden einmal zu empfehlen: Das alles hier passt nicht zu Ihnen - spenden Sie Ihr Geld besser?

Wir sind ein Laden, wir müssen verkaufen. Aber es gibt einen Punkt, an dem man selber ins Nachdenken kommt. Bisher leisten wir unseren Beitrag, indem wir kleine Manufakturen in Deutschland unterstützen. Vielleicht wäre es aber sinnvoll, mal zu überlegen, ob man es die nächsten Jahre anders machen könnte. Wir könnte vielleicht, statt der Kissen, einen gewissen Geldbetrag an ein bestimmtes Kinderheim spenden - das dann jedes Jahr mit der Summe rechnen kann. Oder aber wir geben einen Teil unseres Umsatzes generell weg . . . Ja, wenn man sich mit Luxus umgibt, muss man irgendwann darüber nachdenken, wie man anderen Leuten etwas davon abgeben kann.

© SZ vom 24.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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