Panettone im Test:Gebäckkontrolle

Jeder Italien-Urlauber kennt Panettone. Der Weihnachtskuchen aus der Schachtel hat nicht den besten Ruf - dabei muss man nur den richtigen wählen. Fünf Panettone im Test.

Von Anne Goebel

Für den Sonntagsbrunch

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(Foto: Jakob Michael Berr)

Firmen aus Rom oder Genua lassen bei uns alles Mögliche produzieren, sogar Mozzarella in Berlin. Klar, dass sich Deutsche umgekehrt an Heiligtümer aus ihrem Lieblingsland trauen. Im Fall von Panettone ist das trotzdem erstaunlich: Der Kuppelkuchen hat hier nicht halb so viele Freunde, wie die vorweihnachtliche Flut der Minikartons vermuten lässt - die meisten werden zwangsverschenkt an wehrlose Pizzeria-Gäste. Der Panettone von Bäckermeister Frank Blesgen aus Königswinter wirkt kompakter als das Original, der Sauerteig ist etwas schwerer. Feines Orangenschalen-Aroma - und doch erinnert er eher an einen anständigen Frühstückszopf als an das Mailänder Vorbild, elastisch, mit viel Luft. Man ist versucht, gut Butter auf die Scheiben zu streichen - ein lombardisch- rheinisches Crossover. Hersteller: Bäckermeister Blesgen Preis: 13 Euro

Für Ästheten

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(Foto: Jakob Michael Berr)

Das zartlila Imperium des Konzerns Bauli rückt nach Deutschland vor: In der Weihnachtszeit stapeln sich auch hierzulande die Kartons mit Pandoro, was wörtlich Goldbrot heißt. Kein Italiener käme auf die Idee, Panettone und Pandoro als nahe Verwandte zu betrachten. Der erste kommt aus dem stolzen Mailand, die Heimat des rosinenlosen Adventskuchens in Gugelhupfform ist Verona - gütiger Himmel, das sind doch zwei Welten. Verfechter des dottergelben Gebäcks aus der Gardasee-Gegend schätzen daran die zarte, man könnte auch sagen: fade Konsistenz. Feinporiger Teig ohne beigemischte Zutaten, da kommt es auf die Aromen an. In diesem Fall: etwas penetrante Butternote, dazu die Vanillesüße des Puderzuckers, der im Tütchen mitgeliefert wird. Um ihn so dekorativ auf dem Pandoro zu verteilen wie eine Schaufel Kunstschnee auf brauner Wiese, empfiehlt die Firma folgende Schritte: Das Pulver in die Zellophanhülle mit dem Kuchen rieseln lassen. Tüte zuhalten. Kräftig schütteln - und dann: zu Tisch, "la presentazione". Eine sehr italienische Show. Hersteller: Bauli S.p.A. Preis: 8,49 Euro

Für steife Tafelrunden

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(Foto: Jakob Michael Berr)

In diesem Gebäck steckt fast so viel Anarchie wie in den Brot-Installationen des seligen Joseph Beuys. Allein der Name, Maxi Ciok: klingt wie ein Held aus dem italienischen Gangstercomic "Diabolik". Der piemontesische Hersteller gehört zu den Marktführern der Hefekuchen-Branche und wurde in den Sechzigerjahren groß. Damals, in der Euphorie des Überflusses, muss auch die bizarre Idee entstanden sein, Schokolade in Panettone zu füllen. Mit Maxi Ciok gerät jede noch so förmliche Festtafel aus den Fugen. Das Entfernen der Papiermanschette, das Aufschneiden des kakaogetränkten Kuchens, das Verteilen auf den guten Porzellantellern - alles ein einziges, schokoladig klebriges "casino", wie man auf Italienisch das Chaos nennt. Atrinken Sie m besten die Reserveflasche Champagner dazutrinken. Könnte ein lustiger Weihnachtsabend werden. Hersteller: Balocco Preis: 6,99 Euro

Für Einsteiger

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(Foto: Jakob Michael Berr)

In dem Disney-Klassiker "Susi und Strolch" gibt es die berühmte Ristorante-Szene: Das verliebte Hundepaar hat einfach keine Ruhe vor dem theatralischen Kellner. Gutes Essen und viel reden gehören in den romanischen Ländern zusammen. In Frankreich, Spanien oder Italien beschwört man ständig vergangene oder kommende Genüsse - und der nachtblau verpackte Panettone von Motta ist ein gutes Beispiel. Diese fein ziselierten Worte auf der Box, um den Inhalt wie eine Angebetete zu besingen: der Duft, die "crema", die "tradizione"! Für bestürzende 1613 Kilojoule pro hundert Gramm wird in Schönschrift höchster Genuss versprochen. Panettone-Skeptiker sind mit dieser Variante tatsächlich gut bedient. Sie räumt die gemeinsten Angriffe (staubtrocken) und miesepetrigsten Vergleiche (Bauschaum) beiseite - der Mascarponefüllung sei Dank. Teutonisch knapp gesagt: lecker. Hersteller: Motta Preis: 7,99 Euro

Für Genießer (Testsieger)

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(Foto: N/A)

Zu Panettone haben in Italien viele etwas zu sagen. Davide Oldani, Sternekoch aus der Lombardei, etwa macht daraus Eis. An Weihnachten ist ein Schälchen davon besser für die Figur als all die dicken Kuchenscheiben, mahnt der ehemalige Fußballer. Aber Oldani ist auch Lokalpatriot und erklärt als Mailänder dem Rest der Nation gern, woran man guten Panettone erkennt. Merke: Die Löcher im Teig dürfen nicht zu klein sein, sonst ist die Hefe nicht sorgfältig aufgegangen. Spezialitäten wie der Panettone "Classico" von Loison sind jedenfalls zu schade, um sie zu zermalmen. Die weiche Rinde schmeckt malzig, das Innere ist großporig locker - ein Meisterwerk, das seinen Preis hat. Aber dafür trägt man auch ein ganzes Kilo Kuchen nach Hause. Die Zutatenliste lässt an altmodische Kolonialwarenläden denken: Madagaskar-Vanille, kandierte Früchte aus Taormina und Kalabrien - genau so muss Panettone früher geschmeckt haben, als der Schriftsteller Carlo Emilio Gadda ihn sich schachtelweise nach Rom liefern ließ. Gadda war auch so ein Mailänder Original, und er vertilgte sein Lieblingsgebäck in großen Tranchen. Hersteller: Loison Preis: 25,90 Euro

© SZ vom 6.12.14 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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