Mode:Immer schön natürlich bleiben

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Mit braven Sweatshirts und großen Stars wurde Marc O'Polo zu einer der erfolgreichsten deutschen Modemarken. Jetzt feiert das Unternehmen aus dem bayerischen Stephanskirchen seinen 50. Geburtstag.

Von Dennis Braatz

Der Empfangsbereich könnte auf den ersten Blick auch der einer Spedition oder Druckerei sein. Auf einem Langflorteppich stehen ein paar Wartestühle, davor ein weißer Empfangstresen. Mehr ist nicht. Keine großen Leinwände mit Image-Clips, keine kunstvoll arrangierten Blumengestecke, keine strenge Security. Dass man hier zu Gast bei einer der derzeit erfolgreichsten Modefirmen Deutschlands ist, darauf deutet nur das Foto aus der aktuellen Kampagne hin: Lara Stone hängt lebensgroß an der Wand. Werbeslogan: "Follow your Nature".

Wer Marc O'Polo hört, dem fallen als Erstes wahrscheinlich immer noch die Achtziger ein. Damals lieferte die Marke das Must-have für den Schulhof: bonbonbunte Sweatshirts mit Logodruck. Teenager sammelten sie in den unterschiedlichsten Farben und trugen Poloshirts drunter. Rebellion war die Marke nie. Man fühlte sich in ihr immer ein bisschen brav und angepasst, aber eben auch gut. Daran hat sich eigentlich nicht viel geändert, nur dass man heute auch noch die zerknitterte Visage von Jeff Bridges im Kopf hat. Oder das undurchdringliche Gesicht von Mads Mikkelsen. Oder eben das Zahnlückenlächeln von Lara Stone. Doch dazu später.

In diesem Jahr haben der britische Sänger Robbie Williams und seine Frau Ayda Field eine Kollektion entworfen, die dazugehörige Kampagne wurde von Peter Lindbergh inszeniert. (Foto: Marc O'Polo)

Gegründet wurde das Unternehmen vor ziemlich genau 50 Jahren, ursprünglich in Schweden. Der Deutsche Werner Böck machte aber schon 1968 eine Tochtergesellschaft im Landkreis Rosenheim auf und erwarb nach und nach Anteile. Der Hauptsitz ist von Stockholm längst nach Stephanskirchen verlegt worden. Über 2000 Geschäfte und Handelspartner in der ganzen Welt werden von der bayerischen Provinz aus bedient. Der Umsatz konnte seit 2005 mehr als verdoppelt werden, zuletzt lag er bei satten 450 Millionen Euro. In Zeiten von Pleiten und Krisen in Deutschlands Modelandschaft ist das ein bemerkenswerter Coup.

"Wir sind ehrlich geblieben. Verstellt wird sich hier nicht", sagt CEO Alexander Gedat. Er selbst lebt es vor. Gedat hat früher in der Automobil- und Entsorgungsindustrie gearbeitet. Mode finde er spannend, aber er selbst sei kein Experte. "Dafür haben wir hier die richtigen Leute", sagt er und rückt das schmale Sakko zur Jeans zurecht. Besucher führt er gern durchs Unternehmen, in die Designabteilung, die gerade schon an den Teilen für die übernächste Saison sitzt, ins Atelier oder auch in die Abteilung, die für die technischen Zeichnungen und Schnittmuster zuständig ist. Eine Mitarbeiterin schachtelt dort die Einzelteile eines Mantels am Computerbildschirm so nah wie möglich aneinander, damit beim späteren Ausschneiden möglichst wenig Abfall entsteht. "Beeindruckend, nicht?"

Die Mode ist vielleicht kein Statement, aber dafür immer kombinierbar

Die meisten Modeleute finden Kleidungsstücke von Marc O'Polo eher weniger beeindruckend. In erster Linie, weil sie Basics sind. Hemden und Blusen, Sakkos und Blazer, Kleider, Chinos und Sweatshirts, meist weiß, navy oder in Erdtönen, neuerdings auch mal schwarz. Nach den Trends der internationalen Designer richten sie sich kaum. Auf Effekthascherei mit Mustern, Knallfarben oder Glitzer verzichtet man sowieso. Das macht die Mode nicht unbedingt zu einem Statement, aber immer kombinierbar und weit über eine Saison hinaus tragbar. Also nachhaltig. Die Kunden, irgendwo zwischen spießigen Studenten, jungen Familien und Akademikern, schätzen das. Für Marc O'Polo bedeutet das aber, jede Saison aufs Neue mit minimalen Gestaltungsmöglichkeiten maximale Kaufanreize schaffen zu müssen. Und das ist gar nicht so einfach.

Die erste Werbeanzeige von Marc O'Polo zeigte 1967 eine Erdbeere. (Foto: Marc O'Polo)

"Jedesmal das Detail finden, das für unseren Kunden neu ist, aber selbstverständlich wirkt, das ist unsere größte Herausforderung", sagt Betina Achtelstetter. Sie ist seit mehr als 30 Jahren im Unternehmen und kümmert sich vor allem um die Herrenhemden. Das alles denkt sich Achtelstetter mit ihrem Team nicht jedes Mal neu aus, sondern entwickelt bereits bestehende Designs weiter. "Wir verändern zum Beispiel die Knöpfe oder machen ein Stitching in einer Kontrastfarbe", erklärt sie. Vergangenes Jahr gingen aus Stephanskirchen allein 348 unterschiedliche Hemden in den Verkauf.

Mit so einer Herangehensweise an eine neue Kollektionen ist Marc O'Polo in den Fußgängerzonen und Kaufhäusern natürlich nicht alleine. Die Marke wird gern in einem Atemzug mit Esprit und S. Oliver genannt, allerdings ist sie teurer. Ein Hemd kann schon mal 90 Euro kosten, ein Kleid 160 Euro.

Alexander Gedat sieht sein Unternehmen als Premiumanbieter. Inzwischen ist er im Showroom angekommen, also dort, wo die Musterkollektion für die Einkäufer zum Ordern hängt. Ein allein stehendes und voll verglastes Gebäude, von allen Seiten des Geländes gut einsehbar, damit auch jeder den Geschäftsbetrieb darin mitbekommt. Gedat greift zu einem grob gestrickten Wollpullover, nicht gefärbt, sondern im naturbelassenen Weiß. Die Qualität sei es, die sie von anderen unterscheide. "Wir haben ja schon von Anfang an auf natürliche Materialien gesetzt."

Die Marken-DNA sieht Charakterköpfe vor, keine Hollywood-Schönheiten

Als Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre die Mehrheit der Modefirmen knitternde Polyesterhemden machte, brachte Marc O'Polo plötzlich welche aus weicher Baumwolle und Leinen auf den Markt. Die Idee schlug sofort ein, die Schweden kamen anfangs mit dem Produzieren gar nicht hinterher. Ein früher Slogan des Unternehmens lautete: "Only nature's materials". Dass Nachhaltigkeit in der Modebranche mal zu einem ernst zu nehmenden Verkaufskriterium werden würde, hat damals noch keiner geahnt. Im Gegenteil: In den Neunzigern wurde Marc O'Polo auf dem Schulhof auch mal als schnöde Öko-Marke abgestempelt.

Auf klassischere Modeshootings setzte man in den Achtzigerjahren, das Model trägt ein Leinenhemd zu geschnürten Boots. (Foto: Marc O'Polo)

Nicht zuletzt sind es aber vor allem die Anzeigenkampagnen, die die Mode attraktiv machen. Auch das war übrigens schon immer so: Das allererste Werbemotiv war 1967 das Bild einer Erdbeere. Warum genau es eine Erdbeere war, weiß heute selbst im Headquarter niemand mehr genau. Klar ist nur, dass die Werbefotos von Anfang an weniger das Produkt an sich, sondern mehr die Idee hinter dem Label vermarkten sollten. Am Ende gab es für die Erdbeere sogar einen Designpreis. Danach war man in der Bildkreation zwar nie mehr ganz so mutig, aber immer noch anders: Mal warb man mit Reisefotografien aus Irland oder Portugal, mal mit Angestellten oder Freunden des Hauses.

2013 schaute dann plötzlich Jeff Bridges streng von den Plakaten. Mit ihm ging ein Raunen durch die deutsche Modelandschaft: Dass so ein kleines Unternehmen wie Marc O'Polo den großen Jeff Bridges verpflichten konnte? Auch vielen Kunden hat das imponiert. Später kamen noch Uma Thurman hinzu, oder eben Mads Mikkelsen und Lara Stone. Ganz im Sinne der Marken-DNA alles keine klassischen Hollywood-Schönheiten, sondern Charakterköpfe, bewusst nicht zu Tode retuschiert. Weshalb so eine Kampagne auch kein Geringerer als Photoshop-Gegner Peter Lindbergh fotografiert hat. Meist stehen oder sitzen die Testimonials nur vor einem dunkelmelierten Hintergrund und schauen ausdruckslos oder mit dem ganz schmalen Lächeln in die Kamera. Und Anfang des Jahres dann der ganz große Scoop: Zum 50. Geburtstag der Marke entwerfen Robbie Williams und seine Ehefrau Ayda Field eine Kollektion, die Anfang Juli in die Läden kommt.

Nun hat Williams natürlich auch schon für VW, Pro Sieben, T-Mobile und Saturn Werbung gemacht. Aber damit können sie in Stephanskirchen ganz gut leben.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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