Lokaltermin:Passender geht's nicht

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Das Meissl & Schadn hat sich ganz dem Schnitzel verschrieben. Benannt ist es nach einem legendären Restaurant für Adlige.

Von Katharina Seiser

Wien hat ein neues Restaurant, wie es klassischer nicht sein könnte. Das Meissl & Schadn hat sich ganz dem Schnitzel verschrieben. Gelegen im Grand Hotel Ferdinand und benannt nach einem legendären Restaurant für Adlige, das im Zweiten Weltkrieg ausbrannte, versucht das Lokal, an den Glanz der Kaiserzeit anzuknüpfen. Die vielen Kellner in weißen Hemden, die Kronleuchter, die üppigen Fleischwagen - ist das Schein oder Sein?

"Du glückliches Österreich" steht auf der Visitenkarte, und es stimmt ja auch. Aber: Richtig ist ebenfalls, dass hierzulande das Mittelmaß immer dann ausreicht, wenn es schön verpackt ist. So auch beim "Meissl & Schadn", einem eleganten Lokal im "Grand Hotel Ferdinand" am Ring. Die einen finden den Namen komisch, die anderen sind dem gewieften steirischen Hotelier Florian Weitzer, dessen fünftes Hotel das Grand Ferdinand ist, schon ins Netz gegangen. Zur Erinnerung: Meissl & Schadn hieß ein legendäres Hotel und Restaurant am Neuen Markt ein paar Straßen weiter. Das warb zu Kaiserzeiten mit dem Prädikat: "Vom hohen Adel bevorzugtes Haus. Altrenommiertes Hotel und Restaurant allerersten Ranges." Karl Kraus machte sich 1917 in der Satirezeitschrift Die Fackel über das dort gereichte "saftigste Ochsenbeinfleisch" samt distinguiertem Publikum lustig. 1945 brannte das Meissl & Schadn ab. 70 Jahre später blieb Hotelier Weitzer hartnäckig, bis er den Restaurantnamen wiederverwenden durfte. Auf den großen Schaufenstern prangt nun in goldenen Lettern "Schnitzel Love", wohl als Botschaft ans jüngere Publikum. Ein Schnitzeltempel will das Meissl sein, man will der Lieblingsspeise "des Österreichers" huldigen.

Und das gelingt schon von außen gut, trotz der Anbiederung mittels hashtagtauglicher Anglizismen: Die Panierstraße, pardon, Salonküche, steht in der Auslage, man kann zusehen, wie die Schnitzel geklopft und dann in Mehl, Ei und Bröseln gewendet werden. Auf dem Herd stehen große Pfannen aus schwarzer Emaille, die an jene von Oma erinnern, wenn sie sonntags darin Schnitzel ausbuk. Das Ganze spielt sich in enorm hohen, weiß gekachelten Räumen mit Kristalllüstern, Messing und weinrotem Leder ab. Der Laden brummt, knapp ein Dutzend Kellner in weißen Hemden mit Hosenträgern sausen zwischen mannshohen Blumenbouquets und Weinkühlern, zwischen Rindfleischwagen und der besseren Gesellschaft herum. Da fliegt schon mal eine Flasche auf den ausnehmend schön gemusterten Fliesenboden.

Die Speisekarte erinnert ebenso wie das Lokal selbst an eine französische Brasserie, an Filme wie "The Great Gatsby". Man zeigt, was man hat und das durchaus auf hohem Niveau. Es gibt Assietten, kleine "Altwiener Einschieb-Speisen", für deren Zubereitung man sich zum Glück einmal nicht in Italien, Spanien oder Asien bedient, sondern die Jahrhundertwende-Kochbücher durchforstet hat. Es gibt gekochtes Rindfleisch vom Wagen. Und es gibt Schnitzel, natürlich vom Kalb, wie es sich gehört, wahlweise in Schweine-, Butterschmalz oder Pflanzenöl gebacken. Wenn man den Kellner (so man einen von ihnen erhascht) um Schnitzelfett-Rat bittet, dann empfiehlt er selbstredend Schweineschmalz. Schade, dass man kein Schnitzeltrio bestellen kann: je ein kleines Schnitzerl aus unterschiedlichen Backfetten.

Die Grießnockerlsuppe (4,80 Euro) schmeckt kräftig, fast zu salzig, das wohlgeformte Nockerl, hat Struktur und leichten Biss. Der Waldorfsalat (9,50 Euro) ist knackig-frisch, die eingelegte schwarze Nuss obenauf vielversprechend. Nur das Gemüsetatar (3,50 Euro) verwundert: Aubergine und Paprika zur Wintersaison, keine Karotten, Kartoffeln, Rüben? Die Sauce dazu entpuppt sich aber als echte Schnittlauchsauce, aus eingeweichtem Weißbrot und gekochtem Dotter, nicht aus Fertigmayonnaise. Auch das fein geschnittene Rahmherz (3,50 Euro), nicht zu dick gebunden und mit winzigem Bröselknöderl, macht Spaß. Die Vorfreude auf Rindfleisch und Schnitzel steigt.

Das böhmische Bier kommt gut gezapft. Das Schnitzel (17,80 Euro) schließlich schmeckt mustergültig, das Schweineschmalz sehr sauber, der Erdäpfelsalat (4,50 Euro) ist von Temperatur (zimmerwarm, nie kühlschrankkalt!) und Konsistenz gut, aber Zwiebel und Schnittlauch sind zu vorlaut. Die Frage nach der Herkunft des Kalbfleischs führt den Kellner unbeabsichtigt aufs Glatteis. Zuvor sei es aus Niederösterreich gekommen, jetzt habe man einen oberösterreichischen Betrieb, alles mustergültig von der Hygiene her, das Team sei vor Ort gewesen. Woher die Tiere stammen? Keine Ahnung. Aber auf einem schick gemachten Flyer mit Eigenlob fürs Schnitzel werden die Freilandeier in der Panier bejubelt.

Ein anderer der schwirrenden Kellner - es gibt offenbar keine Tisch-Zuständigkeiten - bringt einen altmodischen Teller, auf dem die sechs Beilagen fürs Rindfleisch (19,80 Euro) bereits angerichtet sind. Der Wagen komme gleich. Der Erdäpfelschmarren ist überwürzt und bereits kalt, der Rahmspinat lauwarm, der Semmelkren auch, dafür schmeckt er richtig gut. Die Schnittlauchsauce leider nicht, diesmal hat sie einen Stich. Da der Wagen noch immer nicht vorgefahren wurde, ist genügend Zeit, das zu überprüfen. Als dann endlich ein Kellner gestoppt werden kann, antwortet der, statt sich zu entschuldigen, mit "Aha". Der Wagen schaut aus wie nach einem Massaker. Keine Zeit, ihn zwischen den wartenden Gästen in Ordnung zu bringen. Das saftigste Schulterscherzl, Beinfleisch und die butterweiche Zunge entschädigen für die Unbill, die sensorische Qualität des Fleisches ist erstaunlich gut. Aber auch hier kann keine Auskunft über dessen Herkunft gegeben werden.

Der Apfelstrudel (4,50 Euro) danach ist besser als die meisten in Wien, er wird täglich aus frisch gezogenem Strudelteig gemacht. Der Powidl in den Powidltascherln (9,50 Euro) vertrüge etwas mehr Pikanz, die Brösel mehr Butter, aber auch diese Mehlspeise schmeckt. Das schöne Geschirr, das Tafelsilber, die vibrierende Atmosphäre: Das Lokal hat beeindruckend viel Flair, das seine - mitunter unfreiwillig komische - Wirkung bis zur Rechnung zeigt: "Du glückliches Österreich" steht auf dem Umschlag. Auch wenn nicht alles passt, so kann man es hierzulande perfekt so aussehen lassen.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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