Lokaltermin:Jennerwein

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Wo es in Gourmet-Rankings um Bayerns beste Wirtshäuser geht, da taucht verlässlich der Name Jennerwein auf. Wir haben uns durchgeschmeckt.

Von Max Scharnigg

Wo es in einschlägigen Gourmet-Rankings um Bayerns beste Wirtshäuser geht, da taucht verlässlich der Name Jennerwein auf. Kein Wunder, das Gasthaus in Gmund am Tegernsee ist hübsch herausgeputzt und liegt direkt an Münchens inoffizieller SUV-Teststrecke. Wenn nun noch ein wenig bei den Fleischgerichten nachgebessert wird, ist alles gut, findet Max Scharnigg.

Eigentlich ist es nicht schwer, aus einem Wirtshaus ein gutes Wirtshaus zu machen. Sorgfalt was den inneren und äußeren Putz angeht, eine Küche, die das Gewohnte ein bisschen besser, ein bisschen frischer macht, ein sauberer Wirt und dazu etwas regionalen Bezug - fertig ist eine Gaststube, die vermutlich bald schneller ausreserviert ist, als man Presssack sagen kann. Das Wirtshaus Jennerwein in Gmund hat unter dem jungen Wirt Schorsch Weber heute all diese Tugenden verinnerlicht.

Es ist vielleicht sein Glück, dass es nicht direkt am Tegernsee liegt, sondern einige Kilometer davor, sodass eine gewisse Anstrengung notwendig war, um die Menschen in dieser trachten- und geldsatten Gegend zur Einkehr zu bewegen. Die Lage an der inoffiziellen SUV-Teststrecke vulgo der Münchner Einfallstraße ist dabei aber natürlich hilfreich. Also, Haus und Hof sind herzlich gut in Schuss, der Gastgarten mit Kastanien bestellt und die gute Stube unten prall gefüllt, deswegen findet sich nur noch ein Platz im Oberstübchen. Da ist es auch nett, ein bisschen katzentischig, allerdings tönt unten ernsthafte Landlermusik aus den Boxen, die bis oben gerade die rechte Dämpfung erfährt. Knarzende Treppenstufen kündigen hier jede Aufwartung des Kellners an.

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Die Karte des Jennerwein ist in aller bajuwarischen Sorgfalt gestaltet, doch etwas seltsam. Es fehlen an diesem Abend zum Beispiel Knödel und auch deftig Schweinernes, was für die vom Landler angeheizten Gemüter doch eine Enttäuschung sein dürfte. Früher gab es hier auch mal urige Braten im Reindl serviert, die nun offenbar gänzlich gegen Saibling und Lachsforelle eingetauscht wurden. Immerhin das Böfflamot, dessen Comeback seit Jahren dem Schweinsbraten am Kragen flickt, findet sich auch hier. Kurios klingt noch das Jägerschnitzel, das nur wegen der Neugier noch bestellt wird. Schafft es die gehobene Landhausküche, die sogar der Michelin-Führer hier schon verortet, aus dem Trash-Schnitzel wieder einen richtigen Teller zu machen? Bevor diese Frage beantwortet werden kann, steht ein sehr schöner Spargelsalat (10,90) auf dem Tisch. Der Spargel ist warm und reichlich, das Dressing bringt die gewünschte Frucht-Kräuter-Abrundung und lässt dem Spargel seinen Raum, es knackt frisch und saftet fröhlich. Das ist ein guter Frühsommerteller, simpel und schnell. Der dazu gereichte Birnen-Sprizz entpuppt sich als eines der wenigen Sprizz-Derivate, die tatsächlich Spaß machen, wohingegen 0,1 Prosecco für sechs Euro eher für Heiterkeit der anderen Art sorgen.

Die Laune bei Tisch ist also in deutlich gehobene Regionen unterwegs, und die Bitte nach etwas Griebenschmalz zum Brot entspringt dieser keimenden Behaglichkeit. Dass nun der flinke Kellner dreimal nachfragen muss, wieso und warum Schmalztöpfchen, nur um dann irritiert fast die Treppe hinabzustürzen, ist aber doch sehr komisch. Bei den aufgerufenen Preisen wäre ein kleiner Schmalztiegel auf dem Tisch schon keine große Sache und da im Schmankerlressort der Karte das Schmalz aufgeführt ist, sollte es als Zwischengang nicht überfordern. Nun, das Töpfchen kommt letztlich, aber irgendwie hat diese Affäre den jungen Mann nachhaltig betrübt, denn jetzt werden seine Besuche oben eher flüchtig, und auf den Hauptgang wartet man fast eine ganze Landler-CD lang.

Halali, endlich das Jägerschnitzel! Optisch ist es keine Freude - drei dünngeklopfte Schweinelendchen, gänzlich bedeckt mit blasser Sahnetunke, in der wenige Champignons, nebst unmotivierter Tomatenstücke schwimmen, das ganze von einem großen Zweig, eher Ast, Basilikum gekrönt. Sieht aus wie in der Kantine, schmeckt aber etwas besser. Die Spätzle dazu sind erkennbar hausgemacht, und zwar offenbar in Eile, ihre Form changiert faszinierend zwischen Knöpfle und Bandnudel. Das Böfflamot (18,90) dagegen ist sehr ordentlich geraten, viel Fleisch türmt sich, es kommt aus der flachen Rindsschulter, und das ist eine gute Wahl. Allerdings hätte eine Stunde mehr im Schmorsud nicht geschadet, Rotwein und Fleisch sind noch nicht ganz diese heilige Schmorallianz eingegangen, sondern benehmen sich auf dem Teller wie zwei Zutaten, die sich vom Sehen kennen. Die gerösteten - immerhin - Knödelscheiben aus Dunkelbrot sind schön aromatisch, die dichte, süße Brotnote passt sehr gut zum Bratensaft.

Wie auch bei anderen Tellern, die vorbeigetragen werden, fällt die sehr rustikale Garnitur mit groben Lauchzwiebel-Brocken auf. Klar, das sieht immer doll frisch aus, als wäre der Teller mit einem Bauernmarkt kollidiert. Aber die hartgrüne Lauchschärfe ist eben doch nicht zu verachten und für gemäßigte Gaumen ein unnötiger Störfaktor. Immerhin, das ausgezeichnete Weißbier vom Hopf spült die Zwiebel zum Teufel. Es gibt noch Marillenknödel, die österreichische Grenze ist ja nicht weit. In der Nase süßbuttrig sind es durchaus brauchbare Vertreter ihrer Art, der Gaumen meldet aber im Verlauf vor allem klebrigen Teig. Also, das Jennerwein ist sicher nicht nur ein Wirtshaus, sondern eher eines von den guten. Es sollte weiter auf seine gesunden Erbanlagen vertrauen und nicht zu sehr in Richtung Tegernseer Neo-Folklore kochen.

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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