Lokaltermin:Hija de Sanchez

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In Kopenhagen hat die frühere Pâtisserie-Chefin des Spitzenlokals Noma eine Taqueria eröffnet. Nach ihrem Besuch ist unsere Kritikerin überzeugt: Hier gibt es die besten Tacos Europas.

Von Fabienne Hurst

In wenigen Städten machen sich so viele gute Köche mit spannenden Konzepten selbständig wie in Kopenhagen. Rosio Sanchez, früher Pâtisserie-Chefin im Noma, hat eine Taquería in der Markthalle am Nørreport eröffnet. Eigentlich findet Fabienne Hurst Superlative albern. Doch seit dem Besuch bei Hija de Sanchez glaubt sie, dass man dort die besten Tacos Europas isst.

Wer bei dänischem Essen noch ausschließlich an Hotdogs und Fleischklößchen denkt, hat das vergangene Jahrzehnt vermutlich verschlafen. Kopenhagen ist längst zum Lieblingsziel von Feinschmeckern geworden, die kreative und innovative Küche lieben. Jeder dritte Tourist hier nennt als Grund für seine Anreise inzwischen "das Essen". Zu verdanken ist das gute Image den Gründern des mehrmals zum besten Restaurant der Welt gewählten "Noma", die in den vergangenen Jahren die kulinarische Szene Skandinaviens revolutionierten. Denn in ihrer "neuen nordischen Küche" wird nicht nur kompromisslos regional und saisonal gekocht und experimentiert, sondern auch eine neue Generation ehrgeiziger Spitzenköche ausgebildet.

Zu den wohl berühmtesten gehört die in Chicago geborene Rosio Sanchez, 31, frühere Pâtisserie-Chefin im Noma. Nach fünf Jahren in Dänemark habe sie einfach einen "gut gemachten Taco" vermisst, schreibt die Tochter mexikanischer Einwanderer auf ihrer Website. Daherlb hat sie im Sternelokal gekündigt und einen Taquería-Stand eröffnet. Und zwar in den "Torvehallerne", den eindrucksvollen Markthallen nahe des zentral gelegenen Bahnhofs Nørreport. Zwischen Blumenkisten, Krabbenbrötchen und bolivianischem Grillfleisch preisen bunt bemalte Schilder der "Hija de Sanchez" (Tochter des Sanchez) eine kleine Auswahl mexikanischer Spezialitäten an. Dabei wolle sie gar nicht authentisch sein, hat Sanchez mal erklärt, weil authentisch doch für jeden etwas anderes bedeute. Vielmehr gehe es ihr darum, mit den besten Zutaten etwas zu kochen, das nach zu Hause schmeckt. Und das funktioniert: Foodblogger schwärmen von ihrem Essen ebenso wie internationale Gourmetmagazine, seit Kurzem gibt es auch eine Zweigstelle im Stadtteil Vesterbro.

Gegessen wird im Hof der Markthallen an langen Holztischen unter Sonnenschirmen, über kleine Lautsprecher schallt mexikanischer Pop aus dem mit Blumen und Kakteen geschmückten Stand. Sechs junge, gute gelaunte Menschen in schwarzen T-Shirts drehen gelben Tortillateig durch eine Walze, backen die Fladen auf der heißen Herdplatte und füllen die fertigen Tacos mit täglich wechselnden Zutaten. In die "Pork Carnitas" kommt gezupfter Schweinebauch, eingelegte Zwiebeln und Koriander: eine Geschmacksexplosion in leider nur drei Bissen. Zum Glück gehören zur "Combo of the day" (drei Tacos für 100 Kronen, etwa 13,50 Euro) auch noch eine Version mit Rindfleisch und eine mit einem gewürzten Spiegelei. Wer dann noch hungrig ist, probiert die milden Quesadillas oder ein Schälchen Stachelbeer-Avocado-Salsa mit hausgemachten Chips. Zum pikanten Essen passt kühles mexikanisches Bier oder eine der mexikanischen Limonaden in den Geschmacksrichtungen Grapefruit oder Mandarine.

Weil die Chefin die sensiblen europäischen Gaumen kennt, lässt sie ihre Gäste den Schärfegrad mithilfe dreier Saucen selbst bestimmen. Zwei verschiedene Habanero-Saucen, die man besser nur tröpfchenweise dosiert, und eine vergleichsweise milde aus grünen, geräucherten Jalapeño-Schoten. Alle drei sind hausgemacht, wie ausnahmslos alles an diesem Stand - und das schmeckt man bei jedem Bissen. Die weichen Fladen aus frisch geschrotetem, gekochten Maiskörnern haben mit den trockenen, weitgehend gummiartigen Teiglappen aus dem Supermarkt rein gar nichts zu tun, sondern schmecken - perfekt geröstet - intensiv saftig und nussig. Das Fleisch ist herzhaft gewürzt und butterzart, die Kräuter sind frisch, das Gemüse knackig. Alles wichtig, schließlich machen die unterschiedlichen Texturen der Zutaten das spannende Mundgefühl eines guten Tacos aus.

Besonders hübsch und erfrischend sind auch die Paleta-Kreationen: mexikanisches Eis am Stil in Geschmacksrichtungen wie Avocado, Hibiskus oder Sanddorn. Spätestens als die Chefin höchstpersönlich anrauscht, rasch die Lederjacke gegen eine schwarze Schürze tauscht und ihren Gästen ihre Desserts erklärt, wird klar: Hier hat sich jemand tatsächlich zum Ziel gesetzt, mit seinem Lieblingsessen möglichst viele Menschen glücklich zu machen.

Doch bei allem Respekt für die wohl besten Tacos, die man in Europa derzeit bekommen kann: Die eigentlichen Stars an diesem Stand sind die Churros in Miniatur-Form. Sanchez hat das mexikanische Schmalzgebäck durch ihre Kreativität nicht nur ins 21. Jahrhundert überführt, sondern auch mit ihrer persönlichen Handschrift versehen. So wälzt sie die goldgelb ausgebackenen Teigstäbchen nicht in Zimt-Zucker, wie es in Mexiko Tradition ist, sondern in einer Mischung aus Zucker und rohem Lakritz. "Das nimmt ein wenig die Süße und bringt mehr Würze", erklärt sie, während sie Bestellungen aufnimmt, "außerdem sind wir hier nun mal in Dänemark!" Und im Norden liebt man bekanntlich den herben Süßholzgeschmack. Weil dem eher schweren Gericht noch ein Hauch Säure fehlte, so erzählt es Sanchez, streut sie über die Stäbchen noch ein paar knusprige, weil gefriergetrocknete schwarze Johannisbeeren. Serviert werden die Churros mit einem Schälchen Cajeta, also karamellisierter Ziegenmilch, in die man das Gebäck stippt, bevor man hineinbeißt und unweigerlich feststellt: Superlative in der Gastronomie mögen albern sein, aber es stimmt ja - das hier ist wahrscheinlich die beste Nachtisch-Erfindung, seit es Streetfood gibt.

© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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