Lokaltermin:Guter Rath

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(Foto: N/A)

Kärnten liegt zwar nicht gerade um die Ecke, aber in der Urlaubszeit oft auf dem Weg - und das Gasthaus Rathhaus sollte man sich als Ausflugsziel gleich vormerken.

Kärnten hat nicht nur eine hervorragende Küche, sondern auch eine uralte, zuletzt ein wenig in Vergessenheit geratene Weinbaukultur. Ein winziges Weingut in St. Georgen am Längsee knüpft gerade erfolgreich an diese Tradition an. Fast noch schöner aber ist die Essensbegleitung im dazugehörigen Restaurant Rathhaus, findet unsere Autorin Katharina Seiser.

Nicht in Kärnten Geborene betonen ja seit Jahren gern, dass sie das südlichste Bundesland Österreichs nach Kräften meiden und dort auch persönlich selbstverständlich keinerlei Berührungspunkte haben. Schließlich liege dort bekanntlich der Ursprung allen Übels der Nation: Hypo-Debakel, Haider-Erbe und so weiter. Das ist natürlich ausgemachter Blödsinn. Warum sollte man sich nach all den Malaisen noch selbst bestrafen und ein Bundesland meiden, in dem - lange vor der Hypo und dem übrigens zugewanderten Haider - die Küche derart hervorragend ist? Ob es nun um Speck geht, um Most, Kasnudel (die man tatsächlich auch in der Mehrzahl ohne -n schreibt) oder Reinling. Von den fischreichen Seen und den vielen Sonnenstunden mal zu schweigen. Nur ein Trottl würde einen solchen Flecken der FPÖ oder den Anlage-Mauschlern überlassen.

In Kärnten wird auch seit etwa 1200 Jahren Wein angebaut, nur weiß das fast keiner mehr. Es gibt eine wachsende Weinszene hier, und Marcus Gruze aus St. Georgen am Längsee ist sicher der Winzer, der am meisten polarisiert. Der Kärntner und Weltbürger hat sich der Herausforderung gestellt, an diese Weinbautradition anzuschließen. Mit seinem vergleichsweise winzigen Weingut Georgium, das er gemeinsam mit seiner Partnerin Uta Slamanig seit fast zehn Jahren betreibt, verblüfft er selbst Insider mit extrem erwachsenen Weinen von blutjungen Rebstöcken. Er stellt sich dabei in den Dienst der Pflanze, nimmt sich bescheiden zurück und überlässt ganz unkokett dem Wein die Bühne. Wenn er ihn denn überhaupt ausschenkt. Verkauft wird immer erst im übernächsten Jahr, viel gibt es eh nicht, und die Preise sind selbst im Vergleich mit renommierten Top-Weingütern kein Lercherl. Aber: Es gibt ausschließlich Wein der Burgunderfamilie, spontanvergoren, mit langen Maischestandzeiten, oft jahrelanger Reifung, keiner Schönung und - wenn überhaupt - minimalem Schwefeleinsatz. Dass hier auch offiziell und zertifiziert biodynamisch gearbeitet wird, versteht sich von selbst.

Zu dem Weingut, bei dem man nicht genau weiß, ob es supermodern oder doch neo-ökologisch ist (schließt sich das überhaupt aus?), gehört eine Gastwirtschaft. Und die wird bespielt von Markus Rath, vormals Küchenchef beim legendären Gerhard Fuchs im Kreuzwirt in der Südsteiermark. Und Rath gelingt tatsächlich das Kunststück, eine diesem Wein ebenbürtige Küche und Gastfreundschaft zu kreieren. Verschränkungen mit dem Weingut gibt es ständig - und zwar nicht nur im Glas.

Der Gastraum ist lehmverputzt, puristisch, mit Fenstern, die den Blick Richtung See einrahmen. Alles sehr einladend also, mit rohen Holztischen, alten Sesseln, und Servietten aus uraltem Leinen, wie man es nur mehr ganz selten zwischen die Finger bekommt. Zum Glück haben die Wirtsleute nicht eingesehen, warum man zwischen Gasthaus und Spitzenrestaurant unterscheiden sollte, wo doch beides harmonisch nebeneinander funktioniert. Und so stehen eben zwei Stilrichtungen auf der Karte. Da gibt es etwa hausgemachtes Brot, natürlich, einfach gut, Gurke mit Borretsch, Rathhauswurst, ein Frischkäsetascherl mit Selleriesalat und Erbsenmayo, Dim Sum auf Raths Art. Und dann die Rathhaus-Sauerei: Ein winziger Grammelknödel, Lardo und Bratwürstel mit Rettichsalat.

Eine herrliche Wahl ist das Überraschungsmenü: drei, vier, fünf oder besser sechs Gänge für sehr wohlfeile 36 bis 66 Euro. Kalbstatar mit Ochsenherzkarotte, Spargel, grünen Mandeln, Blüten und Kaviar, so filigran und mild, dabei knackig und duftig. Kalbsbries, -kopf und -zunge danach, mit Püree von Ochsenherzkarotten, mariniertem rohem Spargel und schöner Säure vom Apfelessig. Innereienküche, die man nur mögen kann, Nose to Tail ganz selbstverständlich, ohne die übliche Angeberei. Obwohl die Weinkarte eine sensationelle Reise in die Welt der Naturweine bieten würde, verweilt man gern im Georgium: bei einem der Schaumweine, der weißen Burgundercuvée, beim glasweisen Vergleich zwischen Chardonnay 2012 aus dem großen Fass und dem Ovid 2011, der seine Muskeln schon kräftig spielen lässt. Der Ovid ist ebenfalls ein Chardonnay, länger maischevergoren, aus dem Barrique. Dann kommt die saftige Seeforelle in Olivenöl pochiert, mit Zucchini und Erbsen, Sauerklee und Blutampfer, und mit Zitrusemulsion als dritter Säure im Bunde. So schmeckt Sommer, wenn man es denn kann!

"Der Fuchs-Klassiker neu interpretiert", wie Rath das nächste Gericht als Hommage an seinen früheren Chef ankündigt, ist gebratener Amur mit Brennnesselspinat, -tascherl, gut gesäuerter Beurre Blanc und eingelegten Radieschen. Das Reh - vom Winzer geschossen - mit Melanzani, Hollerblüten und weißen Rüben, dazu sein Kärntner (man muss es sich selbst immer wieder staunend vorsagen) Pinot Noir, was für eine Liaison! Kirscheis mit Kirschkompott, dann noch Kirschenschnitte mit Limettenparfait und einem Nockerl weißem, aber durch und durch kirschfruchtigem Obers. Das ist natürlich saisonale Küche, die Rath noch dazu geschickt verlängert, weil er die gleichen Zutaten zeitversetzt einmal von zu Hause in der Steiermark und etwas später dann hier in Kärnten bekommt. Gut, dass es neuerdings Gästezimmer direkt im Haus gibt - so kompromisslos aufs Wesentliche reduziert wie Wein und Essen.

© SZ vom 30.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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