Lokaltermin:Ammolite

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Der Europapark Rust bei Freiburg ist eher bekannt für rummeliges Vergnügen als für feine Küche. Doch es gibt hier auch ein Gourmetrestaurant - und auch das bereitet erstaunlich viel Vergnügen, trotz der seltsamen Lage.

Der Europapark Rust bei Freiburg ist eher bekannt für handfestes Remmidemmi als für feine Küche. Doch es gibt hier auch ein Gourmetrestaurant. Das Ammolite liegt in einem künstlichen Leuchtturm, am Eingang passieren die Gäste singende Seeleute und falsche Kapitäne. Man sollte sich davon nicht beirren lassen, rät Philipp Maußhardt, denn der gute Ruf des Hauses ist berechtigt.

Man kann sich nicht daran erinnern, schon einmal auf einem mehrspurigen Autobahnzubringer unterwegs gewesen zu sein, der gleichzeitig eine Restaurantzufahrt war. Doch die Ausfahrt Rust auf der A 5, etwa 30 Kilometer nördlich von Freiburg, muss wohl breit sein; schließlich fahren jährlich 5,5 Millionen Besucher in Europas zweitgrößten Vergnügungspark, den die meisten eher mit spektakulären Loopings als mit spektakulärem Essen in Verbindung bringen werden. Doch warum braucht der Europapark Rust ein Gourmetrestaurant? Ganz einfach: Um das Saisongeschäft auszugleichen, gibt es auf dem Gelände auch fünf Hotels mit insgesamt 4500 Betten. Um die aufzuwerten, ließ die Inhaberfamilie Mack das "Ammolite" einziehen. Fünf Jahre ist das her, inzwischen hält das Restaurant zwei Sterne.

Wer hier anreist, lässt sich auf eine Welt ein, die gar nicht erst versucht, nicht künstlich zu wirken. Das muss man mögen. Das Lokal ist leicht zu finden: Vor dem Riesenparkplatz nur in Richtung "Hotel Bell Rock" abbiegen, der falsche Leuchtturm, in dessen Erdgeschoss das Ammolite liegt, ist kaum zu übersehen. Auf der Hotelterrasse posiert ein falscher Kapitän in weißer Uniform als Fotomodel für Gäste, das Möwengeschrei dazu tönt aus dem Lautsprecher, und ein gedungener Seemannsdarsteller zersägt gerade Leonard Cohens "Hallelujah" nach wirklich allen Regeln der Kunst. Dazu klampft er auf der Gitarre. Doch davon sollte sich keiner beirren lassen. Schließlich sind wir gekommen, um nachzuschmecken, ob das große Lob berechtigt ist, das viele der Küche hier zollen. Und ist die Restauranttür erst zugefallen, wird es still, die langen Gardinen schlucken jedes Geräusch. Kurz sammeln und schon können wir uns auf die Karte konzentrieren, die der aufmerksame Restaurantleiter Marco Gerlach sofort bringt.

Weite Welt oder Schwarzwald? Das ist die Frage, die der Gast bei der Wahl des Menüs für sich beantworten muss. Die Weltreise führt über den Ostatlantik (Fanggründe des Carabinero) und Spanien (Iberico-Schweinekinn) bis nach Brasilien (Dessert von Passionsfrucht und Schokolade). Wir aber entscheiden uns für die nähere Umgebung (Schwarzwald) und bereuen es nicht, als nach zwei fulminanten "Grüßen aus der Küche" eine äußerst zartcremige Gänseleberpastete vor uns liegt, mit einem Deckel aus Rotkohl-Gelee. Der Clou aber ist eine dünne Lage vom Räucheraal unter der Pastete, so ungewöhnlich wie hervorragend. Von den mit 36 Plätzen großzügig bestuhlten Tischen sieht man (durch transparente Vorhänge) in die offene Küche von Peter Hagen-Wiest, der sich gerade auf den nächsten Gang konzentriert: Bries vom Milchkalb, das sich besser kaum zubereiten lässt, wie wir wenige Minuten später feststellen dürfen: Das Bries ist extrem sanft gebraten und erfreulicherweise nicht paniert, es wird auf einer Artischocken-Creme serviert, der eine Nocke Yuzu-Creme den letzten Schliff verleiht.

Außer uns sind an diesem Sonntagmittag nur drei weitere Gäste im Ammolite. Umso mehr Zeit hat der Sommelier, uns durch die üppige Weinkarte zu geleiten. Gute Auslastung ist offenbar keine Priorität in diesem Restaurant. Bei der Eröffnung erklärte der Geschäftsführer des Europaparks, man wolle so ein neues Publikum ansprechen, jenseits des Massengeschmacks, betriebswirtschaftlich habe das Ammolite für den Europapark "keine Bedeutung". Wie schön, wenn man so wirtschaften darf! Wo andere Häuser den Rotstift ansetzen müssen, scheint Küchenchef Hagen-Wiest ein vergleichsweise freier Mann zu sein, der Wareneinsatz jedenfalls ist gar nicht geizig, wie auch der nächste Gang zeigt: Karotten-Safran-Sud mit Hechtnocken und Imperial-Kaviar; etwas Blingbling passt durchaus zum Europapark, und die Umsetzung hat Klasse: Der Sud ist tiefaromatisch, wobei die Zutaten - ein herrlicher Krustentierfond, Karotte, Safran, Hecht - auf der Zunge erst einzeln zu ihrem Recht kommen und sich dann harmonisch ineinanderfügen, dazu ist Kaviar perfekt. Anschließend kommt Taube, perfekt rosa gebraten, und man zögert, das kleine Kunstwerk auf dem Teller anzurühren. Umringt von einer leichten Kapernsauce, dem Eis von grünem Apfel und hübschen Tupfern von Sellerie- und Kartoffelmus, ist der Hauptgang optisch wie geschmacklich die reine Freude.

Nach einem erfrischenden Pré-Desssert (Basilikum-Mousse mit geeisten Basilikumperlen) und der Käseauswahl steuern wir aufs Finale zu. Das ist - ganz Schwarzwald - der Zwetschge gewidmet: Das süßlich-herbe Aroma eines im Ofen leicht gratinierten Kompotts wird durch Zwetschgenessenz gestützt, den Gegenpart bilden ein luftiger Buchweizenbiskuit, ein zartes Vanilleeis und mit Rotweingelee glasierte Tonkabohnen-Creme. Das alles funktioniert wunderbar zusammen mit der leider oft unterschätzten Zwetschge und zeigt zum Abschluss erneut, mit welcher Sorgfalt die Küche hier arbeitet.

Nach einer sehr abwechslungsreichen Variation von Petit Fours aus der eigenen Pâtisserie, verlassen wir das Haus mit jenem beschwingten Hochgefühl, das gute Küche auslösen kann. Die 125 Euro für das Menü hier mögen auf den ersten Blick nicht massentauglich wirken. Der Preis entspricht dem von drei Eintrittskarten für den Vergnügungspark. Doch vor die Wahl gestellt, würde man sich jederzeit wieder für Taube und Zwetschgenkompott entscheiden.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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