"Anziehsache" zum Hut:Hüte aller Länder, vereinigt euch!

Anziehsache Hut

Ob Schlapphut oder Trilby - der Hut wird unterschätzt.

(Foto: Illustration: Jessy Asmus/SZ.de)

Kaum ein Modeklassiker wird derart unterschätzt wie der Hut. Zeit für eine Krempen-Revolution.

Von Lena Jakat

Der Hut war grau, hatte echte Wachtelfedern an der Krempe und ich war mir sicher, dass er mir so viel besser stehen würde als dieser Frau. Wie grazil die Federn bei jeder Kopfbewegung wippten, wie elegant der Hut die ganze Silhouette wirken ließ! Wie schick und weltgewandt war dieser Hut! Nicht die Hand danach auszustrecken, erforderte all meine Willenskraft. Ich habe eigentlich keine kleptomanischen Tendenzen, wohl aber eine ausgeprägte Liebe zu Hüten. Wenn ich Menschen mit Hut sehe, überkommt mich ab und an der völlig irrationale Drang, diesen Hut zu klauen.

Während der Hut viele Jahrhunderte lang fester Bestandteil der gepflegten Garderobe war, wird er heute gemeinhin verkannt, was mich traurig macht. In der Mode hat es der Hut nur geringfügig besser als Kopfbedeckungen, die ihr Dasein in reinstem Funktionalismus fristen müssen. Der Fahrradhelm zum Beispiel, oder die Mütze.

Auch der Hut wird heute gemeinhin nur in eng umgrenzten Zusammenhängen akzeptiert: als Sonnenhut (wer will schließlich noch die Gefahr durch UV-Strahlung leugnen), als Trachtenhut (macht die Verkleidung perfekt), als Cowboyhut (dito). Ausnahmen gelten darüber hinaus für den Hochadel, für die Besucher von Pferderennen, für Frauen mittleren Alters, die ihre Hunde im Regen Gassi führen und für überinszenierte Großstadthippies mit Schlapphüten. Ingesamt sind das nicht sehr viele Köpfe und Gelegenheiten, die für einen ernst gemeinten Hut in Frage kommen. Richtig desaströs ist die Lage für den Herrenhut, der aktuell in Pharrell Wiliams seinen einzigen glaubhaften Unterstützer zu haben scheint.

Menschen machen sich kostspielige Gedanken über rahmengenähte Schuhe und Designerhandtaschen, denken bei Hutmacher aber an Alice im Wunderland. Warum ist das so? Fehlt bei zunehmender Wohnraumknappheit der Platz für Hutschachteln? Steckt die Friseurlobby hinter der Hutlosigkeit? Oder ist sie womöglich aus dem modernen Bestreben zu erklären, sich gegen Eliten (Hochadel-Hut!), Konservativismus (Trachtenhut!) und festgefahrene Rollenmuster (Cowboyhut! Detektivhut!) zu wehren?

Selbst wenn solch ehrenwerte Motive schuld sind am Außenseiterdasein des Hutes - sie wären zu überdenken in einer Zeit, da Vintage-Birkin-Bags und Vegetarismus keinen Widerspruch mehr bilden. Und überhaupt ist es ja die Vielzahl kleiner Revolten und Gegenrevolten, die die Mode immer weiter treiben.

Kolumne Anziehsache

In ihrer Stilkolumne widmet sich unsere Autorin regelmäßig einer aktuellen Auffälligkeit aus der Modewelt - von A wie Adilette bis Z wie Zebraprint. Haben Sie eine Anregung? Dann schreiben Sie ihr!

Ich finde, es ist Zeit für ein Hutrevolutiönchen. Trilbys, Melonen, Fedoras aller Länder vereinigt euch! Befreit euch aus der Schmähzone der Mode und sichert euch die Position, die euch gebührt - obenauf! Proklamiert die Krempenrepublik!

Wäre dieser Aufstand erfolgreich und prägten Hüte in einigen Jahren tatsächlich so das Stadtbild wie heute Smartphones vor Pendlergesichtern, wäre das nicht nur gut für das Stadtbild, sondern auch für meine Hut-Kleptomanie. Schließlich hat ein Überangebot noch jede Versuchung zum Erliegen gebracht.

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