WM-Kampf im Cruisergewicht:Arslan rollt, Huck schlägt

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Firat Arslan (l) gegen Marco Huck in der Hans-Martin-Schleier-Halle am 25. Januar 2014. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Cruisergewichts-Weltmeister Huck verteidigt seinen WBO-Gürtel erfolgreich. In Stuttgart besiegt der 29-jährige Berliner den 14 Jahre älteren Arslan durch technischen K.o. in der sechsten Runde und darf nun auf einen Aufstieg in das Schwergewicht hoffen. Der Kampf in der Rundenkritik.

Von Benedikt Warmbrunn, Stuttgart

Der erste Kampf:

Es ist das Wiedersehen von zwei alten Bekannten. Im November 2012 hatte Firat Arslan schon einmal Marco Huck, den WBO-Weltmeister im Cruisergewicht, herausgefordert. Er rollte zwölf Runden lang auf den Titelverteidiger zu wie ein hangabwärts kullernder Schneeball, der größer und größer wird. Huck kassierte, wehrte ab, schlug zwischen durch, wurde aber langsam kleiner wie ein Schneeball in der Mikrowelle. Dass Huck den Kampf gewonnen haben soll, diese Ansicht hatten die drei Punktrichter weltexklusiv. Das sahen sie auch bei Sauerland so, dem Boxteam von Huck. Also gaben sie Arslan einen Vertrag, der ihm einen Rückkampf versprach.

Vor dem Kampf:

Kämpfe mit Huck sind meistens schon in den Wochen zuvor unterhaltsam. Weil irgendjemand Huck gesagt haben muss, dass die Punktrichter auch die Sprüche beurteilen. Huck sagte daher, dass er im ersten Kampf "von der Kneipe in den Ring" gekommen sei. Arslan sagte nur, dass er sich auf den Samstag freue.

Für den größten Wirbel sorgte dennoch der Herausforderer, als er sich gegen einen Punktrichter wehrte, der schon im ersten Kampf gepunktet hatte. Der Einspruch war erfolgreich. Außerdem beschwerte er sich über Handschuhe für den Kampf, die für die rechte Hand härter waren als für die linke. Die linke Hand ist Arslans bevorzugte, mit der rechten schlägt Huck am stärksten. Zufall? Arslan sagte, dass er sich auf den Samstag freue.

Einmarsch:

Zuerst kommt der Herausforderer. Es wird laut. Sehr laut. Die meisten der knapp 10.000 Zuschauer in der Halle sind für Arslan, der nicht weit von Stuttgart lebt. Arslan, schwarzes T-Shirt, Spitzname: Löwe, läuft ein zu "Wenn ein Löwe kämpft" von dem deutschen Rapper Cashmo. Er wirkt konzentriert-zuversichtlich.

Dann der Weltmeister. Begleitet von "Raise Your Fist in the Air", live vorgetragen von der Heavy-Metal-Sängerin Doro Pesch. Es wird wieder laut. Die meisten Zuschauer pfeifen. Huck, goldener Mantel, stellt sich erst einmal vor Arslan auf. Er lächelt. Siegessicher? Überheblich?

Gegenüberstellung:

Marco Huck, 29, nie um einen blöden Spruch verlegen. Daher ein Idealboxer für Ulli Wegner. Der Trainer kümmert sich bevorzugt um Männer, die wie Kinder erzogen werden müssen. Wegner ist mit Huck den klassischen Weg gegangen, hat ihn behutsam aufgebaut. Von 39 Kämpfen hat Huck 36 gewonnen und nur zwei verloren. Einen davon gegen Alexander Powetkin, im Schwergewicht. Dort würde Huck gerne Weltmeister werden. Am besten noch in diesen Jahr.

Firat Arslan, 43, seit 16 Jahren Profiboxer, seit 16 Jahren einsamer Kämpfer in einer brutalen Branche. Hat sich lange alleine in der Weltrangliste nach oben geboxt. Trotz eines Vertrags bei Sauerland weiter ein Einzelkämpfer. Wird trainiert von seinem guten Freund Dieter Wittmann. War schon einmal Weltmeister. Von 41 Kämpfen hat Arslan 33 gewonnen und sechs verloren. Fühlt sich seit dem ersten Duell gegen Huck als Weltmeister. Weswegen er seit Wochen sagt, dass er sich auf den Samstag freue.

Erste Runde:

Arslan rennt gleich auf Huck zu. Huck antwortet mit mehreren Kombinationen, alle jedoch in die Deckung des Herausforderers. So geht es erst einmal weiter: Arslan rollt auf Huck zu, Huck schlägt. Arslan schlägt nur, wenn sich beide umklammern, meist ein Haken zur Leber. Huck hält mit der linken Hand meist die Distanz. Erst in der letzten Minute wird Arslan aktiver, trifft mit Haken zum Kopf. Die Runde geht an den Weltmeister, der aktiver war.

Zweite Runde:

Huck hält die Distanz nicht mehr, lehnt in den Seilen, lässt den Schneeball auf sich zurollen. Es entwickelt sich ein Schlagabtausch. Huck schlägt viel auf die Deckung, Arslan viel auf den Kopf, mit linken Haken, rechten Haken, Aufwärtshaken. Huck versucht, Arslan die Luft zu nehmen, indem er erst auf die Leber, dann auf den Kopf schlägt. Am Ende der Runde ist Arslans Kopf gerötet.

Dritte Runde:

Die beiden Kontrahenten stehen sich gegenüber wie zwei Stiere. Huck schlägt variabler, trifft mit Geraden und Haken, zum Körper, zum Kopf. Arslan trifft weiter mit Haken, geht vermehrt zum Körper. Einmal liegt der Herausforderer auf dem Boden. Ein Schubser. Wird nicht als Niederschlag gewertet. Arslan beendet die Runde mit ein paar Geraden. Der Titelverteidiger blutet aus der Nase.

Vierte Runde:

Die Schneeballschlacht geht im Nahkampf weiter. Arslan wackelt nach einem Schlag auf die Gürtellinie, überhaupt zielt Huck nun mehrmals verdächtig tief. Irgendwann schlägt er wieder höher, trifft am Kopf. Arslan antwortet mit Haken, vor allem der Aufwärtshaken kommt zielsicher. Am Ende der Runde drängt Huck seinen Gegner erstmals in die Seile.

Fünfte Runde:

Der Kampf wirkt nun eher wie eine Mikrowellenschlacht. Beide schonen sich nicht. Huck lehnt sich teilweise freiwillig in die Seile, trifft jetzt mit vielen guten Haken. Schneeball Arslan rollt weiter. Aber er wird nicht größer. Am Ende der Runde ist sein linkes Auge leicht geschwollen.

Sechste Runde:

Der Schneeball beginnt die Runde mit einem guten Aufwärtshaken zum Kinn des Titelverteidigers. Es ist sein letzter gelungener Schlag. Huck trifft Arslan mit einer Serie an Haken, seine Schläge sind so hart, als ob er Mikrowellen an den Händen hätte. Arslan fällt zu Boden, krabbelt kurz hilflos. Steht auf. Lehnt benommen im Seil. Kämpft weiter. Wenig später geht er nach einer rechten Hand von Huck zu Boden. Steht auf. Hat wackelige Beine. Huck drängt ihn gleich in die Ecke, trifft so lange mit Mikrowellenhänden, bis der Ringrichter nach 1:56 Minuten den Kampf stoppt. Technischer Knockout. Huck bleibt Weltmeister.

Nach dem Kampf:

Direkt nach dem Kampf kommt es zu einem Gerangel im Ring, weil Fans durch die Seile geklettert sind. Auf beiden Seiten wird es emotional. Friedlicher wird es bei den Interviews. Huck dankt Arslan für den Kampf, sagt, er müsse "den Hut ziehen". Arslans spricht ebenfalls von "Respekt", doch seine Worte gehen unter im Jubel der Huck-Anhänger. Die sind jetzt laut. Sehr laut. Ihr Boxer, der Mann mit den Händen aus Mikrowellen, hat den größten Sieg seiner Karriere gefeiert.

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