Wintersport:Royal Flush in Winterberg

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Nahezu fehlerfrei: Aljona Savchenko und Bruno Massot sicherten sich mit einer beeindruckenden Kür den Sieg beim Grand-Prix-Finale in Calgary. (Foto: Foto: Kyodo/dpa)

Die deutsche Dominanz - sogar Aljona Savchenko und Bruno Massot siegen jetzt im Eiskunstlauf.

Von Gerald Kleffmann, sid

Im Himmel

Der Fotograf Yann Arthus-Bertrand hat 1999 ein Werk in die Welt gesetzt, mit dem er sich unsterblich machen sollte. "La Terre vue du ciel" nannte er sein Vermächtnis. In einem Heißluftballon war der Franzose über die Erde geflogen, hatte sie vom Himmel aus betrachtet und fotografiert, heraus kam ein eindringlicher Bildband. Die Eiskunstläufer Aljona Savchenko und Bruno Massot haben nicht grundlos den dazugehörenden Soundtrack für ihre Kür entliehen. Schwereloses, Überirdisches wollen die Paarläufer ausdrücken, und das gelingt ihnen derzeit derart gut, dass sie gleich bei ihrer ersten Teilnahme das Grand-Prix- Finale gewannen. In Nagoya setzten sie sich mit 236,68 Zählern vor den Weltmeistern Sui Wenjing/Han Cong (230,89) aus China und den Kanadiern Meagan Duhamel/Eric Radford (210,83) durch. Besonders wichtig dabei: die Zuversicht, die sie aus Japan mitnahmen. "Es war ein gutes Training für Olympia, hier sind die top sechs Paare dabei", sagte Massot dem Sportinformationsdienst (SID); der Franzose soll bald den deutschen Reisepass erhalten.

Die Perfektionisten

Um das Wochenende der deutschen Rodel-Piloten zusammenzufassen, reicht mal wieder ein Satz: Sie gewinnen alles! Im Detail lässt sich die Bilanz diesmal so entschlüsseln: Zum zweiten Mal in Serie holten die Deutschen Siege in allen vier olympischen Wettbewerben. Felix Loch errang (nach mäßiger Vorsaison) seinen dritten Sieg im fünften Rennen, mit knapp vier Zehntelsekunden Vorsprung beim Weltcup in Calgary. Bei den Frauen siegte Tatjana Hüfner, die Weltmeisterin vom RC Blankenburg, vor der Kanadierin Alex Gough und Olympiasiegerin Natalie Geisenberger (Miesbach). Es war Hüfners erster Saisonerfolg, und es wirkt fast so, als dürfe jeder mal triumphieren. Geisenberger hatte zuvor drei Saisonrennen gewonnen. Bei den Doppelsitzern sind die Weltmeister Toni Eggert und Sascha Benecken die neuen Instanzen. Das Duo aus Ilsenburg/Suhl gewann vor den Österreichern Peter Penz/Georg Fischler und holte den vierten Sieg im fünften Saisonrennen. Die Olympiasieger Tobias Wendl und Tobias Arlt (Berchtesgaden/Königssee) mussten sich als Dritte geschlagen geben. Und in der Teamstaffel blieb Hüfner, Loch und Eggert/Benecken gar nichts anderes übrig, als Erste zu werden. "Das gibt jetzt Selbstvertrauen", sagte Loch zu seiner Leistung in der ARD: "Es geht immer mehr in die Richtung, wie ich mir das vorstelle." Vielleicht erklärt auch dieser ewige Drang nach Perfektion die Dominanz.

Drei aus vier

Eine deutsche Spezialität auch: der Dreifacherfolg. Das ist quasi der Royal Flush des Wintersports. Nun gelang er wieder, diesmal den Vierer-Bobfahrern. Beim ersten Heimrennen der Saison in Winterberg setzte sich am Sonntag Weltmeister Johannes Lochner (Stuttgart) vor Nico Walther und Francesco Friedrich (beide Oberbärenburg) durch. Im vierten Vierer-Weltcup des Winters war es der dritte Sieg eines deutschen Schlittens. "So ein Erfolg gibt Selbstvertrauen in Richtung Olympia, ich hatte zuletzt ein paar Zweifel gerade was unsere Startleistung angeht", sagte Lochner in der ARD. Einen Dreifacherfolg im Weltcup hatte es zuletzt im Dezember 2015 in Winterberg gegeben, damals gewann Friedrich vor dem mittlerweile zurückgetretenen Maximilian Arndt und Walther. Da kann man wohl zweifeln, nach dieser furchterregenden Durststrecke. Fast müßig zu ergänzen, dass auch die Frauen reüssierten. Am Samstag bescherte Stephanie Schneider (Oberbärenburg) den deutschen Frauen den ersten Weltcup-Sieg seit fast drei Jahren, Mariama Jamanka (Oberhof) wurde Dritte. Und Weltmeisterin Jacqueline Lölling gelang in Winterberg der zweite Saisonsieg im Skeleton.

Dahlmeiers Ex-Tränchen

Man muss lange suchen, um deutsche Wintersportler zu finden, die am Wochenende enttäuschten. Die deutsche Biathlon-Staffel der Männer tat es nicht. Im ersten Weltcup-Staffelrennen lief sie als Zweiter gleich aufs Podest, in der Besetzung Erik Lesser, Benedikt Doll, Arnd Peiffer, Simon Schempp. Nur Norwegen war in Hochfilzen bei heftigem Winterwetter besser. Laura Dahlmeier? Ja, doch, sie zeigte sich enttäuscht, Tränchen kullerten nach dem 16. Platz am Freitag im Sprint und Rang zehn am Samstag in der Verfolgung. Die siebenmalige Weltmeisterin war wegen einer Grippe verspätet in die Saison eingestiegen. Am Sonntag trug sie dann allerdings als Schlussläuferin der Frauen-Staffel zum Sieg bei. Ein schöner Erfolg für die Partenkirchnerin, gemeinsam mit Vanessa Hinz, Franziska Hildebrand und Maren Hammerschmidt. Da waren die Tränchen schon wieder Ex-Tränchen. Olympischen Spielen ist eigen, dass sie Sportarten beinhalten, die vier Jahre lang kaum jemanden interessieren - aber bei den Spielen entwickeln sie sich zu Lieblingen des Publikums. Curling ist so eine Disziplin. Spötteleien über das Wischen und Schrubben werden bei näherer Betrachtung abgelöst von einem Staunen über die taktisch komplexe und doch erfrischend simple Disziplin, die den Popanz des heutigen Vermarktungszirkus konterkariert. Auch die deutschen Teams wirkten seit der Wiederaufnahme 1998 ins olympische Programm durchgehend mit - 2018 endet allerdings diese Serie. Frauen wie Männer haben sich nicht für Pyeongchang qualifiziert. In Pilsen, bei einem letzten Ausscheidungsturnier, vergaben sie die Möglichkeit auf einen der letzten zwei verfügbaren Startplätze. Die Skips Daniela Jentsch (Füssen) und Alexander Baumann (Rastatt) belegten mit ihren Teams die Ränge sechs und sieben, womit sie das Playoff verpassten. "Auf diesem Niveau sind Kleinigkeiten eben oft ausschlaggebend", sagte Bernhard Mayr, der Präsident des Deutschen Curling-Verbandes (DCV), der aber sogleich - und angesichts der Situation wohl etwas forsch - einen kühnen Ausblick wagte: "Unser Gesamteindruck im deutschen Curling ist", sagte Mayr der Agentur SID, "dass es in absehbarer Zukunft möglich ist, in die Top ten der Welt zu kommen und langfristig bis 2026 eine Medaille bei Olympia zu holen." Eine Chance dafür ist freilich erst mal weg. Das überraschendste deutsche Erfolgsduo im Wintersport? Die Skispringer Richard Freitag und Andreas Wellinger. In Titisee-Neustadt haben die beiden am Sonntag den zweiten Doppelsieg in Folge gefeiert. Drei Wochen vor Beginn der Vierschanzentournee gehören die DSV-Adler damit endgültig zum Kreis der Topfavoriten. "Das ist eine riesige Sache für uns. Es ist genial, mit zwei Springern in der obersten Liga mitzuspielen. Die beiden sind derzeit einfach super drauf", sagte Bundestrainer Werner Schuster. Freitag segelte in dem auf einen Durchgang verkürzten Wettkampf auf 145,0 Meter, Wellinger, landete bei 139,5 Meter. Am vergangenen Wochenende in Nischni Tagil hatte noch Wellinger vor Freitag gewonnen.

© SZ vom 11.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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