Wintersport:Nicht nur für Riesenlungen

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Zur nordischen Ski-WM entsenden die Deutschen mal wieder ein Team der Extreme: Während Skispringer und Kombinierer Medaillen holen sollen, werden die Langläufer meist hinterherlaufen.

Von Volker Kreisl

Hanna Kolb kennt das nun schon. Sie bleibt also gelassen - und fährt trotz allem mit Vorfreude zur Weltmeisterschaft im Skilanglauf nach Lahti in Finnland. Es ist ja zugleich auch die WM im Skispringen und die WM in der Nordischen Kombination, in letzterer wird am Freitag die erste deutsche Medaille erwartet. Und dann geht es erst richtig los, zehn Tage lang, nur nicht für die Langlaufsprinterin Kolb. Für die ist die WM schon nach diesem ersten Donnerstag wieder vorbei.

Die deutsche Abordnung bei Ski-Nordisch-Events ist eine Mannschaft der Extreme. In den Sprungteams mit den Besten Andreas Wellinger, Katharina Althaus und Carina Vogt geht es klar um Medaillen. Und bei den Kombinierern wird sogar ähnlich fest mit Gold gerechnet wie bei chinesischen Wasserspringern. Verhindern kann Kombinations-Gold eigentlich nur ein betriebseigener Unfall. Bei den Langläufern dagegen sind die Formulierungen weiterhin sehr vorsichtig. Es geht ums "Anknüpfen an die jüngsten guten Ergebnisse im Weltcup" (Sportlicher Leiter Andreas Schlütter), ums "Abrufen" des Niveaus (Frauen-Coach Torstein Drivenes) oder auch darum, "stabil durchzukommen", wie es der genesene Langläufer Tim Tscharnke formuliert. Die deutschen Langläufer arbeiten womöglich am härtesten, müssen andere Nationen aber vorbeiziehen lassen - und geben dennoch nicht auf. Hanna Kolb, 25, aus Buchenberg im Allgäu, ist dafür ein Beispiel.

Ohne Ellbogen kommt man im Sprint nicht weit - das ist es, was Kolb an der Disziplin mag

Früher hatte sie auch Langstreckenrennen absolviert, als Juniorin durchaus mit Erfolg. Dann aber hat Kolb ihre Sympathie für den Sprint entdeckt, den Ellbogen-Sport, die Durchsetzungs-Disziplin im Langlauf. Der Sprint hat, überspitzt formuliert, etwas Darwinhaftes, nur dass sich Sieger und Besiegte, Weiterfahrende und im Gerangel Gestürzte im Ziel dann doch wieder in die Augen schauen können und bei Bedarf auch entschuldigen, sagt Kolb. Schwamm drüber.

Dabei ist es nicht so, dass deutsches Langlaufen automatisch deutsches Langweilen bedeutet. Die Sprint-Heats, die Ausscheidungskämpfe am Donnerstag ab 14 Uhr, bieten Spannung, und ein Überraschungserfolg von Kolb ist nicht ausgeschlossen. Sie hat mittlerweile Erfahrung, sie hat schon Podestplätze im Weltcup erreicht, vergangene Saison war Kolbs beste Leistungsperiode, im Januar 2016 wurde sie Dritte im Teamsprint. Zu Beginn dieses Jahres war sie dann wieder zwei Wochen krank. In den vergangenen fünf Wochen hatte sie ihre Kräfte wieder aufgebaut, sie setzte sich beim jüngsten Weltcup als Fünfte der Qualifikation durch, belegte am Ende aber Rang 17. Und doch wartet sie darauf, dass an diesem ersten und für sie einzigen WM-Tag endlich wieder das Wesentliche zusammenspielt: Muskelkraft, Intelligenz, Ellbogen.

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(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Deutsche Hauptdarsteller in Finnland: Die Skispringer um Andreas Wellinker haben Medaillen-Ambitionen.

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(Foto: Jure Makovec/AFP)

Die deutschen Skispringerinnen Katharina Althaus, Svenja Würth and Carina Vogt standen kürzlich sogar zu dritt auf dem Siegerpodest.

Von der Langläuferin Hanna Kolb erwartet niemand eine Medaille.

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(Foto: imago/Eibner Europa)

Die Kombinierer Johannes Rydzek (l.) und Eric Frenzel zählen zu den Topfavoriten.

"Es kommt beim Sprint nicht nur auf eine Riesenlunge an", sagt Kolb, "deswegen mag ich ihn." Gut, das liegt auch daran, dass Kolb eher eine kleine Lunge hat, aber nicht nur. Den Sprint findet sie vor allem interessant, "weil jederzeit alles passieren kann". Das liegt an den vielen taktischen Varianten, den vielen kleinen Situationen, weshalb der Langlaufsprint auch ein recht intensiver Entscheidungssport ist: Die falsche wirft einen sofort nach hinten. Und ja, das mit dem Ellbogen ist schon auch körperlich gemeint, aber vor allem im übertragenen Sinne. Man müsse durch seine Haltung klar machen, sagt Kolb, dass an dir niemand vorbeikommt. In Hanna Kolbs Karriere waren bisher in den meisten entscheidenden Momenten andere vorbei gekommen. Und doch darf sie nicht unterschätzt werden.

Unter dem neuen Trainer, dem Norweger Torstein Drivenes, hat sie viel gelernt, wie alle aus dem Team der Langläuferinnen. Es besteht mittlerweile aus zwei Generationen. Die Älteren sind die Oberstdorferin Nicole Fessel, 33, und Steffi Böhler, 35, aus dem Schwarzwald. Für die große Staffel und die kurzen Teamsprint-Staffeln haben sich in diesem Jahr auch Jüngere durchgesetzt, für ein bisschen deutsche Langlauf-Furore hatte vor allen Sandra Ringwald im Januar gesorgt. Die 26-Jährige führte die Staffel in Ulricehamn/Schweden als Schlussläuferin auf Platz zwei - hinter den alles dominierenden Norwegerinnen, aber vor den Schwedinnen.

Es sind diese Meldungen, die hin und wieder dokumentieren, dass die deutschen Langläufer nicht nur irgendwie existieren, sondern dass sie auch erfolgreich an ihrer Zukunft arbeiten. Die Frauenstaffel ist die größte Medaillenhoffnung des Deutschen-Skiverbandes, womöglich wird dort auch eines der ganz jungen Talente eingesetzt, Katharina Hennig, 20, oder Victoria Carl, 21.

In der Frauenstaffel über vier mal fünf Kilometer am 2. März ist Hanna Kolb nicht vertreten, damit, dass sie keine Riesenlunge besitzt, hat sie sich längst abgefunden. Dafür hat sie zuletzt ein Sonderprogramm absolviert. Seit Wochen trainiert sie Kurzintervalle, Sprintskating, und sie macht immer wieder Einheiten mit einer Simulation des Streckenprofils in Lahti. Alles für einen Donnerstag.

© SZ vom 22.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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