Wintersport:Ab jetzt an den Schießstand

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Langläuferin Denise Herrmann wechselt zum Biathlon. Dort muss sie sich ab sofort in einem großen Frauenteam durchsetzen.

Von Volker Kreisl

Beim täglichen Training war der Gedanke schon länger im Kopf. Es noch einmal zu versuchen, es einfach zu machen, dieser Wunsch kam in diesem Winter immer wieder hoch, sagt Denise Herrmann. Regelmäßig aber meldete sich auch die Stimme in ihr, die daran erinnerte, dass das alte Sportlerleben als Top-Langläuferin doch gewohnt und sicher sei. Aber dann lief Herrmann während des Trainings in Ruhpolding immer wieder sozusagen am neuen Leben vorbei, am Schießstand der Biathleten, wo angelegt, geschossen und getroffen wurde - eine große Verlockung. Und irgendwann, sagt Herrmann, "waren die Argumente fürs Biathlon einfach größer".

Die Bronzegewinnerin im Langlauf-Staffelrennen der Spiele in Sotschi 2014 wechselt die Abteilung. Herrmann hat allen Mut zusammengenommen und versucht sich nun einen Wunsch zu erfüllen, um den mancher Berufstätige ein Leben ergebnislos herumschleicht: Einmal etwas ganz Neues zu machen. "Ich habe mir gesagt, du bist jetzt 27, entweder du machst es am Ende dieser Saison oder gar nicht." Sie war Top-Ten-Läuferin, was im Langlaufsport mit seinem Übergewicht an norwegischen Siegern eine reife Leistung darstellt. Dieses geregelte Spitzensportleben lässt die Athletin aus Sachsen nun hinter sich und probiert etwas Neues: Schießen.

Es gibt viele Beispiele für gelungene Übertritte vom Skilaufen zum Skischießen, wie Biathlon in Norwegen heißt. Kati Wilhelm, Evi Sachenbacher oder die Schwedin Magdalena Forsberg waren auch bereits gemachte Langläuferinnen, ehe sie mehr oder weniger erfolgreich das Fach wechselten - Forsberg wurde die beste Weltcup-Skischützin und sie ist es bis heute. Ob der Wechsel gelingt, hängt mit dem Gewehr zusammen, mit dem inneren Zugang, den die Athletin zu einer Waffe, zu deren Technik und zur Psychologie beim Zielen hat, und wie sehr sie sich auch außerhalb des Trainings damit auseinandersetzt. Denise Herrmann hatte bereits vor vier Jahren, als der Deutsche Skiverband (DSV) um Verstärkung fürs Frauen-Biathlon warb, einen Schieß-Kurs besucht. Damals wäre ein Wechsel für sie noch zu früh gekommen - aber das Schießen blieb all die Jahre eine Verlockung.

Nun war der Wechsel während des Winters in Gesprächen mit Langlauf-Coach Bernd Raupach und der Biathlon-Führung vorbereitet worden. Und womöglich waren die Sportstrategen von Herrmanns Willenskraft genau deshalb überzeugt, weil sie sich in dieses Abenteuer stürzt, obwohl sich die Zeiten geändert haben. Die Biathlon-Abteilung hat heute eine große, schlagkräftige Frauen-Mannschaft. Hatte die Langläuferin Herrmann bisher lauter starke Norwegerinnen vor sich, so hat es die Biathletin Herrmann erst mal mit lauter starken Deutschen zu tun. Sie hat den Schritt dennoch gemacht, sie verzichtet auf Urlaub, sie will es wissen.

So ein Schießstand wie der von Ruhpolding, an dem sie im Training oft vorbeifuhr, ist auch eine Metapher für Herrmanns Situation. Anders als im Langlauf ist man im Biathlon weniger festgelegt. Denn durch das Schießen bekommt man immer wieder eine neue Chance. Wie im Leben.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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