Wettmanipulation im österreichischen Fußball:"Einige haben ausgepackt"

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Fünf Beschuldigte sitzen bereits in Untersuchungshaft: Albaner sollen das Netzwerk steuern, das hinter der Wettmanipulation im österreichischen Fußball steckt. Die Affäre zeigt ebenso wie jüngste Enthüllungen in England, dass die Warnsysteme der Branche unzureichend sind.

Von Thomas Kistner

Im Rückblick sieht alles ganz schlüssig aus. Dusan Svento von RB Salzburg spurtete dem Tor des SV Grödig entgegen, auf dem Weg zum 4:0 in der Nachspielzeit - da säbelte ihn Verteidiger Dominique Taboga von hinten um. Ein Foul von so absurder Absicht, dass es der Schiedsrichter offenbar nicht wahrhaben wollte; der Elfmeterpfiff unterblieb.

Zur Erschütterung der Salzburger, und wohl auch zum Entsetzen von Taboga, der den Strafstoß provoziert hatte. Stattdessen kassierte ein reklamierender RB-Reservist die rote Karte. Zwei Wochen später trat Taboga wieder zu, im Heimspiel gegen Rapid holte Grödigs Verteidiger den Wiener Stürmer Schaub ähnlich demonstrativ von den Beinen. Der fällige Strafstoß in der Schlussphase sicherte Rapid noch ein 2:2.

Beide Szenen offenbarten ein geradezu bizarres Ungeschick. Trotzdem wurde der Grödiger Elfmeter-Tölpel erst debattiert, als er der Salzburger Polizei beichtete, dass er erpresst werde - von der Wettmafia. Taboga und Familie seien wegen entgangener Wettgewinne mit Gewalt bedroht worden.

Mitte vergangener Woche wurde das vermeintliche Opfer selbst zum Beschuldigten und wanderte in Haft. Die Ermittlungen hatten ergeben, dass er tiefer in die Sache verwickelt ist als behauptet. Taboga gestand wiederholte, angeblich fruchtlose Versuche, Kollegen in verschiedenen Klubs zum Spielbetrug anzustiften.

Scharfen Warnungen folgt kein effizientes Handeln

So kam die jüngste Affäre im österreichischen Fußball ins Rollen. Aber wieder mal hatte sie kein Wettradar-Anbieter, kein Szene- oder Systemkenner auf dem Bildschirm. Das verbindet die Causa Österreich nun auch mit dem vor Tagen im englischen Fußball aufgedeckten Spielbetrug: Auch dort brachten nicht Instanzen, die sich professionell der Überwachung des Spielbetriebs widmen, die Polizeiarbeit ins Rollen, sondern Journalisten des Daily Telegraph. Sie hatten die Wettgauner bei konspirativen Treffen heimlich gefilmt und mitgeschnitten.

Mehr Parallelen dürften die Ermittlungen ergeben: Im britischen Fall führen die Spuren wie so oft zu Wettsyndikaten nach Asien; im Fall Österreich hält sich die Staatsanwaltschaft Salzburg noch bedeckt. Bestätigt wurde lediglich eine Albanien-Connection. Aber: "Die großen Summen werden ja nicht in Albanien gesetzt", sagt ein Ermittler der SZ.

Die bisherige Bekämpfung des Spielbetrugs darf weiter als PR-Aktionismus der Kickerbranche betrachtet werden. Immer schärferen Warnungen der Spitzenfunktionäre - "Der Fußball ist in Todesgefahr!", diagnostizierte jüngst Uefa-Chef Michel Platini - folgt kein effizientes Handeln.

Gut zu sehen am verhaltenen Agieren der österreichischen Funktionäre. Georg Prangl, Chef der Bundesliga, gibt sich in den Medien gern machtlos: "Wenn ich einen verdächtigen Spieler bei uns im Senat vorlade und sage: 'Sie haben da einen Handelfmeter verschuldet, war das Absicht?', kann man sich ausrechnen, was er sagt."

Bei Namensnennungen drohten der Liga sofort Klagen. Doch über Anhörungen von Sündern lässt sich das Betrugsproblem ohnehin nicht eindämmen. Auf wirkungsvolle Maßnahmen wie Telefonabhörungen oder eine Amnestie für geständige Sünder drängt der Sport aber nicht.

Im Gegenteil: Just der reiche Fußball stemmt sich, anders als fast alle anderen relevanten Sportarten, massiv gegen jede Spielregulierung mithilfe der Videotechnik. Angeblich, um eine Romantik zu erhalten, die sich aus Stammtischdebatten um Fehlentscheidungen ergibt, wie jüngst beim Phantomtor von Stefan Kießling.

In der Austria-Affäre sitzen schon fünf Beschuldigte in U-Haft. Sichtbar wird ein Netzwerk, dass sich um zwei Albaner rankt. Unter ihnen firmiert der österreichische Ex-Nationalspieler Sanel K., es folgen Figuren wie Taboga oder der Kärntner Ex-Teammanager Johannes L.. Der habe, heißt es in Ermittlerkreisen, als Erster gestanden, mit Blick auf eine Kronzeugenregelung; er soll als Mittelsmann gewirkt haben und dürfte über viel Wissen verfügen.

Eine 26 Personen umfassende Gang

Weitere Verdächtige sind L.'s Beispiel gefolgt: "Einige haben ausgepackt", hieß es gestern in eingeweihten Kreisen. Jetzt beginne die spannende Arbeit: Die Sichtung des Materials, das bei den Hausdurchsuchungen sichergestellt wurde. Razzien hatten die Ermittler ja auch erst auf die Spur des Syndikats gebracht. In den Wohnungen zweier albanischer Mittelsmänner war je eine Namensliste mit identischem Inhalt gefunden worden. Da die drei Erstgenannten auf diesen Listen schon in U-Haft saßen, lag die Marschroute auf der Hand: Zugreifen - hier ist offenkundig eine 26 Personen umfassende Gang abgebildet.

Zu den mehr als 300 verschobenen Spielen, die seit Ende 2009 in Bochum abgearbeitet werden und auch Dutzende Partien in Österreich umfassen, gebe es bisher nur "lose Verbindung, manche Leute kennen sich", heißt es in Österreich. Allerdings hat auch diese Überprüfung erst begonnen.

Grödig hat am Freitag nach Taboga auch Thomas Zündel gefeuert. Der Profi habe einen "Vertrauensbruch" begangen, als er dem Klub beim Rapport vor zwei Wochen nicht die ganze Wahrheit über einen Anwerbe-Versuch Tabogas gesagt habe. Intern steckt der Klub die Tumulte gut weg, am Samstag gelang ein 1:0 über Austria Wien. Es war der erste Heimsieg seit Mitte August in der Tipp3-Bundesliga, benannt nach einem Sportwetten-Anbieter.

© SZ vom 02.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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