Wasserball:Imagepflege der Li-La-Laune-Bären

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Deutschlands Wasserballer vor dem Turnier: niedrige Anforderungen, gute Stimmung und der Trainersohn als Nachrücker.

Thomas Becker, Peking

Imagepflege. Wichtige Sache, das. Vor allem, wer selten Gelegenheit bekommt, muss diese Momente nutzen. Hagen Stamm tut das, regelmäßig. Alle vier Jahre. Mit schöner Regelmäßigkeit wird der Bundestrainer samt seiner Sportart kurz vor den Olympischen Spielen wiederentdeckt. Wasserball also.

Seine Sportart leidet in Deutschland unter einem Nichtbeachtungsproblem: Wasserrballer Marko Stamm. (Foto: Foto: dpa)

Den deutschen Herren dieses rauen Sports eilt ein Ruf voraus, den Stamm als "legendär, aber nicht berüchtigt" bezeichnet. Seine Jungs halten sich mit solchen Differenzierungen nicht auf, sie sprechen eine deutliche Sprache. Kaum im olympischen Dorf eingezogen, hängten sie am Spielerhaus ein Plakat auf, erzählt Stamm vor versammelter Presse im Deutschen Haus. "Unser Betreuer meint, ich soll's nicht sagen ... Also da steht drauf: 'Wir mögen pralle Bälle und feuchte Becken.' Das zeigt, dass meine Wasserballer auf dem richtigen Weg sind."

Das war natürlich Spaß, größtenteils zumindest. Wasserball in Deutschland hat kein Imagepflege-Problem. Es ist schlimmer: Wasserball in Deutschland hat ein Nichtbeachtungs-Problem. "Seit Olympia 2004 hatten wir in ARD und ZDF nicht eine einzige Minute Übertragungszeit", schimpft Stamm, "aber wir freuen uns, dass wir alle vier Jahre registriert werden, obwohl wir im Alphabet ziemlich weit hinten kommen."

Wesensverwandt mit den Handballern

Ein fröhlicher Sportskamerad, dieser Hagen Stamm, 48, zum fünften Mal bei Olympia, Bronze-Gewinner 1984, zwei Mal Europameister, 14 Mal in Folge deutscher Meister mit den Wasserfreunden Spandau, deren Präsident er nun ist. Um die Wirkung seiner lockeren Wortwahl weiß er sehr wohl - und um deren Notwendigkeit. "Image ist das, was man braucht, damit die andern denken, dass man so ist, wie man gern wär." Sagt der Kabarettist Frank-Markus Barwasser - ein Satz, der die Situation der deutschen Wasserballer recht gut beschreibt.

Schon fast traditionell gelten sie mit den "sehr wesensverwandten Handballern" (Stamm) als die Li-La-Laune-Bären des deutschen Teams. Immer wieder gerne erzählt Stamm von Olympia 1984, als er mit dem Handballer Martin Schwalb 24 Stunden lang durchfeierte. "Wer hart trainiert, kann auch hart feiern. Ein bisschen gute Laune tut gut in so 'ner Olympiamannschaft. Ich hab gern gute Laune. Das ist manchmal wichtiger."

Stimmt. Die sportliche Situation wird ernst genug werden für ihn und sein Team. Eher überraschend gelang die Qualifikation für die Spiele, entsprechend gibt Stamm Rang acht als Minimalziel an. "Aber vielleicht gelingt uns ja eine kleine Sensation wie in Athen: Platz fünf. Wenn wir 120 Prozent geben, können wir die vier vor uns ärgern. Es kann aber auch passieren, dass man da mal mit sechs, sieben oder acht Toren verliert."

Ein bisschen die Serben ärgern

Die vier vor Team Germany sind: Ungarn, Serbien, Weltmeister Kroatien und Europameister Montenegro. Man habe schon beantragt, dass "die ex-jugoslawischen Nationen noch vorher ein Turnier ausspielen und dann nur eine Mannschaft schicken", flachst Stamm und findet es "nicht gerade optimal", dass man in der Gruppe B mit Kroatien, China, Italien und der USA gleich zum Auftakt am Sonntag "die Serben ärgern müsse".

Mit etwas Neid schaut der deutsche Bundestrainer auf die Teams vom Balkan und vom Mittelmeer. "Dort ist Wasserball fast so populär wie Fußball. Zum Beispiel Montenegro. Hat 700.000 Einwohner. 80.000 haben dort - ich weiß gar nicht in welcher Stadt - den EM-Titel gefeiert." Die Fahne Montenegros wird bei der Eröffnungsfeier ein Mann namens Uskokovic tragen. Ein Wasserballer, klar. "In Deutschland trauen sich die Journalisten einfach nicht, unseren Sport zu übertragen", klagt Stamm und zitiert das Bonmot Harry Valeriens: "Wenn Wasserballer über Wasser laufen könnten, wäre es die perfekte TV-Sportart."

Absolute Kontrolle

Können sie aber nicht, und so bleibt Stamm nur die Hoffnung, "dass es wieder so tolle Unterwasserbilder wie in Athen" gibt. Mit Sicherheit werden ein paar Aufnahmen fürs Familienalbum dabei sein. Denn nach dem Ausfall des ehemaligen Kapitäns Steffen Dierolf, der kürzlich wegen eines diagnostizierten Herzfehlers seine Karriere beendete, musste der Bundestrainer einen Spieler nachnominieren - und wählte: seinen 19-jährigen Sohn Marko.

"Nach Dierolfs tragischer Situation hatte ich zur Nominierung nur zwei Stunden Zeit, habe weder mit meinem Sohn noch meiner Frau darüber gesprochen. Der Hammer traf ihn in der Mannschaftsbesprechung." Stamm junior spielt bei Spandau, wohnt noch zu Hause und hat womöglich eine große Zukunft - glaubt der Papa: "Der ist so gut, so unbedarft, so frech, hat schon so ein ausgeprägtes Selbstbewusstein - und mein Ballgefühl. Und keiner auf der Welt weiß so gut wie sein Vater, wie viel Potential er noch hat." Andererseits: "Vielleicht überwiegt beim Vater auch die Kritik."

Eine delikate Konstellation ist das schon. Man wird genau hinschauen bei den Einsätzen des Sohnes - und auch danach: Im olympischen Dorf wohnt der Vater Tür an Tür mit dem Sohn. "Er steht unter höchster Kontrolle." Damit der Filius auch ja auf dem richtigen Weg bleibt.

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