Volleyball:Immer nur nach vorne

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Rekordmeister Friedrichshafen strebt zurück an die Ligaspitze. Dafür holt sich Trainer Heynen auch Tipps von den Fans.

Von Joachim Mölter, München

Als der Volleyball-Bundesligist VfB Friedrichshafen unlängst seine neue Mannschaft für die am Wochenende beginnende Punkterunde vorstellte, hat der ebenfalls neue Trainer Vital Heynen die anwesenden Fans gleich schwer verblüfft. Er nannte ihnen seine Telefonnummer und forderte sie auf: "Wenn ihr mir Tipps geben könnt, ruft mich einfach an."

Bis jetzt hat nur einer angerufen, und der wollte testen, ob die Nummer tatsächlich stimme und die Sache kein Scherz sei. Ist alles korrekt, kann der Mann jetzt bestätigen. "Ich bin in allem offen", sagt Vital Heynen und erklärt: "Als ich angefangen habe, wollte ich ein Trainer werden, der nicht so ist wie alle anderen."

Der Ruf eines unkonventionellen Mannes eilt dem 47 Jahre alten Belgier schon seit längerer Zeit voraus. Das ist auch der Grund, warum ihn der VfB Friedrichshafen engagiert hat als Nachfolger von Stelian Moculescu, des erfolgreichsten Volleyball-Trainers, der hierzulande je gewirkt hat. Der 66-Jährige hatte sich nach 20 Jahren am Bodensee mit 13 Meistertiteln und ebenso vielen Pokalgewinnen in den Ruhestand verabschiedet. Heynen hatte zuletzt als Bundestrainer die Auswahl des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) zu ihrem bislang besten internationalen Ergebnis geführt, dem WM-Bronze von 2014. Nun, nachdem er dem DVV-Team noch mal zur EM-Teilnahme verholfen hat, soll er den deutschen Rekordmeister zurück an die nationale Spitze führen: Den letzten ihrer insgesamt 19 Titel haben die "Häfler", wie sie sich nennen, zwar erst 2015 geholt, aber das war nur eine Unterbrechung der Erfolgsserie gewesen, die die Berlin Recycling Volleys seit 2012 hingelegt hatten.

Am vorigen Sonntag trafen die Rivalen bei der Premiere des Volleyball-Supercups schon mal aufeinander: In der Arena am Berliner Ostbahnhof, mitten im Revier des aktuellen Meisters, schnappten sich die Friedrichshafener die erste Trophäe dieser Saison, nach 3:0 Sätzen (25:16, 25:20, 25:21). "Ich habe schon gedacht, dass wir gewinnen könnten", sagt Heynen, "aber ich hätte nie gedacht, dass es so klar werden würde. Ich bin absolut überrascht."

Beim VfB haben sie ja die Mannschaft runderneuert, sieben Profis sind neu im Kader, unter anderem haben sie den Nationallibero Markus Steuerwald, 27, aus Paris zurückgeholt. Insgesamt ist es eine sehr junge Mannschaft, überwiegend mit deutschen Spielern besetzt. Er sei ja nur unter der Bedingung nach Friedrichshafen gekommen, "wenn ich mehr als 50 Prozent deutsche Spieler habe", sagt Heynen, der neulich erst eine bessere Förderung des einheimischen Nachwuchses anmahnte. "Jedes Land macht den gleichen Fehler", findet er: "Man glaubt immer mehr an Spieler, die aus dem Ausland kommen, statt die eigenen Leute zu fördern."

Der auch erst seit einem Jahr tätige VfB-Geschäftsführer Sebastian Schmidt, der gemeinsam mit Heynen die neue Erfolgsära am Bodensee einleiten soll, versichert, dass die Einbindung deutscher Talente kein Ein-Jahres-Projekt bleiben soll. "Bei der Olympia-Qualifikation im Januar hat es noch mal deutlich Klick gemacht", erzählt er, "weil da kein Häfler auf dem Parkett stand. Das kann nicht unser Anspruch sein, dass wir keinen Nationalspieler haben." Ähnlich denkt im Übrigen auch Berlins Manager Kaweh Niroomand: "Ziel muss es sein, dass die deutsche Nationalmannschaft wieder vermehrt aus Berliner Eigengewächsen besteht", sagte er beim Saisonauftakt des Meisters.

Das könnte ein munteres Kräftemessen werden, "ich erwarte die spannendste Saison seit langem", sagt Niroomand. Wenn man dabei den VfB Friedrichshafen nun als Favorit sehe, stört das Vital Heynen nicht im Geringsten. "Wenn die Leute das über einen sagen, heißt das doch, dass wir Potenzial haben, dass man uns etwas zutraut", sagt er. Auch wenn es möglicherweise eine Bürde sei für die jungen Spieler: "Aber so lernt die Mannschaft, mit dem Druck umzugehen." Die habe ihren Lernprozess ja bereits beschleunigt. Vor dem Supercup haben sie sich in Friedrichshafen gefragt, "können wir Berlin schlagen?", erzählt Heynen: "Jetzt haben wir es einmal gemacht, das genügt." Das merke sich das Team für den Rest der Saison. Für ihn sei es im Übrigen keine Last, die Nachfolge des erfolgreichen Moculescu anzutreten, versichert der Belgier. "Was vorbei ist, ist vorbei", sagt er, "ich schaue nie zurück." Seine Erinnerungsstücke an den Supercup-Gewinn hat er schon weggegeben. Er hat ein neues Ziel vor Augen.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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