Volleyball:"Aserbaidschan wäre nicht mein Traumland"

Lesezeit: 3 min

Volleyball-Nationalspielerin Lena Stigrot, 22, über die Europameisterschaft in Baku, ihre neuen Teamkolleginnen - und die Vorzüge ihres Teams in Vilsbiburg.

Interview von Katrin Freiburghaus

Volleyballerin Lena Stigrot, 22, spielt seit vergangenem Freitag mit der deutschen Nationalmannschaft bei der EM in Aserbaidschans Hauptstadt Baku; am Montagnachmittag verlor sie zum Abschluss der Vorrunde gegen den Gastgeber mit 1:3. Die deutsche Mannschaft verpasste damit den direkten Einzug ins Viertelfinale, hatte aber schon zuvor die Qualifikation für das Achtelfinale geschafft - und trifft am Mittwoch auf Bulgarien.

SZ: Frau Stigrot, waren Sie und Ihre beiden neuen Teamkolleginnen, Jennifer Pettke und Leonie Schwertmann, in diesem Sommer überhaupt schon mal in Vilsbiburg beim Training?

Lena Stigrot: Wir waren kurz zum Medientag und Fotoshooting da, aber trainiert haben wir nicht. Wir spielen uns jetzt sozusagen in der Nationalmannschaft ein - so weit das mit zwei Mittelblockerinnen und einer Angreiferin möglich ist. In dieser Situation befinden sich aber alle Teams, die Nationalspielerinnen im Kader haben.

Sie spielen nicht nur die EM, sondern trainieren beim Nationalteam den ganzen Sommer über. Zahlt der Volleyballverband dafür Aufwandsentschädigungen?

Nein, wir bekommen nichts. Aber ich habe - und viele, die in Deutschland spielen, haben das auch - einen Zwölf-Monats-Vertrag bei meinem Verein. Spielerinnen, die im Ausland spielen, bekommen dagegen oft nur zehn Monate bezahlt, haben aber Rücklagen. Da es bei uns keine Sommersaison gibt, könnten wir in der Zeit aber ohnehin nicht einfach irgendwo anders Geld verdienen, wir hätten halt frei. Natürlich wäre es schön, wenn wir was bekämen, aber es beschwert sich auch keiner. Wir machen es alle gern.

Was rechtfertigt für Sie diesen Aufwand zum Nulltarif?

Eine Spielerin hat es mal sehr nett als "Ehrenamt" bezeichnet. Es hat aber für uns auch einen Mehrwert. Wir trainieren auf einem so hohen Niveau in einem sehr guten Umfeld - allein dadurch wird man schon besser. Und es macht Spaß, sich international mit den Besten zu messen. Davon abgesehen sind solche Turniere immer eine Präsentationsfläche für die eigene Leistung, um auf Sicht zu Klubs zu wechseln, bei denen sich besser Geld verdienen lässt.

Sie spielen die Vorrunde in Aserbaidschan. Dort wurden in den vergangenen Jahren gute Gehälter gezahlt, einige Nationalspielerinnen standen dort unter Vertrag. Wäre das eine Option für Sie?

Die Liga hat eine Flaute erlebt, weil ein paar Klubs nicht mehr existieren. Ich kenne Spielerinnen, die dort waren und wir reden auch darüber. Das ist wohl alles nicht ganz einfach gewesen und wäre nicht mein Traumland, auch nicht zum Leben.

Aserbaidschan wird die massive Verletzung von Menschenrechten vorgeworfen, Presse- und Meinungsfreiheit sind quasi inexistent. Die sportlichen Großveranstaltung wirken für Zuschauer oft, als fänden sie in einer Art entkoppeltem Parallel-Universum statt. Bekommen Sie als Sportlerin von der politischen Situation und den Lebensumständen mehr mit?

Nicht viel. Es wird sehr viel ausgeblendet und weggehalten, wir müssen uns dazu auch nicht äußern und bekommen keinen Druck. Die Organisation ist immer gut, wir sind in Hotels und haben wenig Kontakt zu den Menschen, die dort leben. Wir sind in so einer Art kleiner Volleyballblase unterwegs, und für mehr ist auch kaum Zeit, weil unser Fokus auf dem wichtigsten Turnier des Sommers liegt.

Für Sie hat der Sommer Klassentreffen-Charakter: Die halbe Nationalmannschaft spielt oder spielte schon einmal mit Ihnen in Vilsbiburg.

Dadurch, dass sich viele von uns schon lange kennen, ist es super lustig. Und dass so viele schon dort waren, spricht für Vilsbiburg.

Die meisten Spielerinnen sind schnell weitergezogen. Sie dagegen haben sich nach acht Jahren und trotz einer Reihe von Angeboten für eine weitere Saison in Vilsbiburg entschieden. Warum?

Es ist für mich schon ein Heimatort geworden, an dem ich mich wohl fühle. Und dann habe ich überlegt, was der beste nächste Schritt für mich ist. Mir war wichtig, mit welchen Spielerinnen ich zusammenspiele, und der neue Trainer (Timo Lippuner, Anm. d. Red.) hat mich in seine Prozesse sehr mit eingebunden. Seine Persönlichkeit und sein Konzept haben mich letztlich überzeugt. Ich denke, dass wir damit wieder oben angreifen können.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: