Uli Hoeneß und Willi Lemke:Versöhnung im perfekten Moment

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Contra aus Prinzip: Uli Hoeneß, Werder-Präsident Franz Böhmert, Bayern-Präsident Fritz Scherer und Willi Lemke (v.l.) 1986 bei einer Skatrunde. (Foto: Schilling/dpa)
  • Willi Lemke und Uli Hoeneß stritten jahrelang erbittert, nun haben sie ihre Männerfeindschaft begraben.
  • Der Zeitpunkt war nicht schlecht gewählt: kurz vor einem Interview mit Lemke für eine kritische Hoeneß-Doku.

Von Ralf Wiegand

Die Macher des Doku-Dramas "Der Patriarch" über Uli Hoeneß, das neulich im ZDF lief, waren einigermaßen überrascht über das Gespräch mit dem Zeitzeugen Willi Lemke. Sie hatten mehr Attacke erwartet vom ehemaligen Manager von Werder Bremen, der stattdessen voller Bewunderung über Hoeneß, einst in gleicher Position bei Bayern München beschäftigt, gesprochen hatte.

Die Arroganz des Münchners, gegen die Lemke sein Managerleben lang in kreuzritterhafter Manier zu Felde gezogen war, adelte er nun - quasi für die Geschichtsbücher - als "superschlaue" Strategie von Hoeneß. Nur auf diese Art habe Hoeneß erreichen können, dass bei den Bayern alle zuschauten: jene, die sie lieben, und jene, die sie hassen. Auch er selbst, Lemke, habe schließlich Bayern-Spiele eingeschaltet, wenn dem Erzrivalen eine Niederlage blühte. Bloß, um ihn verlieren zu sehen. Superschlau eben!

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Als die Crew Kameras und Mikro ausgeschaltet hatte, so ist zu hören, habe Lemke noch einmal nachgelegt. Wissen Sie, habe er den Filmemachern offenbart, er sei erst kurz vor dem Interview für diese Doku zum ersten Mal überhaupt "in der Höhle des Löwen" gewesen, an der Säbener Straße in München. "Im Büro von Uli Hoeneß" - und auch noch auf dessen Einladung. Über die Größe dieser Geste habe sich Lemke fast nicht mehr einkriegen wollen. Da Hoeneß, wegen Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, über die Dreharbeiten zu dem Film informiert war, ahnten die Produzenten nun, warum selbst der Erzfeind des Bayern-Patriarchen plötzlich Kreide gefressen hatte: Hoeneß hatte Lemke den Friedensschluss genau zum richtigen Zeitpunkt angeboten.

An diesem Samstag nun, vor dem Spiel Werder gegen Bayern, hat Lemke die Versöhnung der beiden wildesten Kampfhähne, die die Bundesliga je gesehen hat, öffentlich gemacht. Hoeneß habe ihm auf die Mailbox gesprochen, er sei nach München gereist, berichtete Lemke dem Sender Sky. Möglicherweise werde es sogar ein gemeinsames Projekt der beiden geben.

Lemke, der für die Vereinten Nationen seit sieben Jahren als Friedenstaube des Sports die Welt umfliegt, dürfte da sicher etwas einfallen. Er kennt inzwischen das Elend in jedem Winkel der Erde. Trotzdem: Dass sich die beiden Speerspitzen der hier im Land vertretenen Fußball-Ideologien noch einmal die Hand reichen würden, war nicht zu erwarten.

Vieles im Fußballgeschäft ist Show, vorne haut man sich die Köpfe ein, hinten trinkt man ein Bier miteinander - aber Lemke, der linke Klassenkämpfer von der Weser, und Hoeneß, der Großkopferte von der Isar, das war Männerhass im Kino-Format: beste Feinde. Als die SZ vor vielen Jahren ein Doppelinterview Hoeneß/Lemke über die Verteilung von Fernsehgeldern arrangieren wollte, war es unmöglich, den einen nach Bremen oder den anderen nach München zu bringen. Das Gespräch fand auf neutralem Boden in Frankfurt statt, ohne jedes Vor- oder Nachgespräch der beiden. Mimik und Gestik bei Begegnungen der beiden Topmanager ähnelten denen von jenem Treffen zwischen Barack Obama und Wladimir Putin neulich in New York: Die Weltpresse war uneins, ob sich die Gläser der beiden Präsidenten beim arrangierten Anstoßen fürs Foto wirklich berührt hatten oder nur wegen der frostigen Atmosphäre im Raum klirrten.

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Hoeneß hielt Lemkes linke Reden stets für verlogene Stimmungsmache. Mit Geld, raunte der Bayern-Manager, wenn Lemke mal wieder das Verhältnis Bremen - München mit einem Rennen zwischen Fahrrad und Ferrari verglich, werde an der Weser in weit größerem Stil um sich geworfen, als Lemke glauben machen wolle. Lemke wiederum geißelte jeden Vorstoß der Münchner, etwa an mehr Einnahmen aus dem Fernsehtopf zu gelangen, als feindlichen Akt des Großkapitals. Gleichgleichzeitig aber führte Lemke noch vor den Bayern VIP-Logen im Stadion ein und baute eine gut verdienende Mannschaft zusammen, die über Jahre den Bayern als einzige das Wasser reichen konnte. Hoeneß revanchierte sich mit Transfers, Basler, Herzog, Rehhagel, er hörte nie auf.

Hoeneß, der Stresswurstsemmelesser und Lemke, der Marathon-Spargel, der eine CSU-Verehrer und Moralist, der andere Ex-Doppelagentchen für KGB und Verfassungsschutz mit SPD-Parteibuch - diese Männerbeziehung war nichts für Weicheier. Nicht einmal, als Lemke seinen Job im Fußball aufgab und als Bildungssenator in die Politik wechselte, brach plötzlich Frieden aus. Ihm, sagte Hoeneß stattdessen, täten die Bremer Kinder leid. Nur ein Zeichen der Entspannung war in den letzten Jahren zu erkennen: Egal, wer ihn auch fragte, Lemke verurteilte Uli Hoeneß öffentlich nie für seinen Sturz vom Bayern-Thron in die Gefängniszelle. Er schwieg.

Er sei jetzt 69, Hoeneß 63, sagte Lemke, Zeit, das Kriegsbeil zu begraben. Warum auch immer es so kam: Glückwunsch, eine Leistung ist es allemal.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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