U20-Europameister:Deutsche Handballer können noch jubeln

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Jubel in Linz: Florian Baumgärtner, Fabian Wiede und Tim Suton (von links). (Foto: imago sportfotodienst)

Reift da eine neue, starke Handball-Generation heran? Nach dem EM-Titel für die U20-Junioren in Österreich sieht sich der deutsche Verband auf dem Weg in eine bessere Zukunft. Die Hoffnungen scheinen berechtigt - doch Trainer Markus Baur warnt.

Von Carsten Eberts, Linz/München

Dass Christopher Rudeck im Finale der Junioren-EM eine große Rolle spielen sollte, überraschte nur jene, die noch nie von Christopher Rudeck gehört hatten. Den Schweden war gerade das 24:24 gelungen, ein weiterer Treffer, und das Spiel wäre wohl gekippt. Doch Rudeck zeigte zwei unglaubliche Paraden; beim zweiten Versuch der Schweden legte er sich in bester Silvio-Heinevetter-Manier quer in die Luft, parierte den Wurf, schickte eine geballte Faust hinterher. Vorne warfen seine Kollegen zwei Tore, Deutschland siegte 26:24. Das Team darf sich nun U20-Europameister nennen.

Rudeck ist sehr weit für seine 19 Jahre, das vielleicht größte deutsche Torhüter-Talent dieser Tage. Flensburg-Handewitt hat ihn fest gebunden, jedoch an Mors-Thy in die erste dänische Liga verliehen, wo er Spielpraxis sammelt. Bei der EM in Österreich bekam er Unterstützung von Jonas Maier, der spielt bei den Kadetten Schaffhausen und steht Rudeck in seiner Kunst kaum nach. "Beide gehören zu den besten der Welt", sagt Trainer Markus Baur. Er konnte sogar wählen zwischen diesen beiden Toptorhütern.

Handball-Nationalspieler Kraus
:"Immer noch nicht richtig erwachsen"

Handball-Nationalspieler Michael Kraus wird für seine Verstöße gegen die Anti-Doping-Richtlinien heftig kritisiert. Gedopt habe Kraus aber nicht - auch deutscher Nationalspieler soll er bleiben.

Wer eine erfolgreiche deutsche Handball-Nationalmannschaft erleben möchte, muss derzeit in die zweite Reihe blicken; weg von den Erwachsenen, runter zu den Junioren. Es waren fast vergessene Jubelbilder, die sich am Sonntagabend in der Linzer Arena abspielten. Tollende Spieler, die erst im Kreis hüpften, dann übereinander herfielen. Ein strahlender Trainer, der jeden seiner Spieler abklatschte, herzte.

Wenige Stunden zuvor waren die U18-Handballerinnen bei der WM in Mazedonien erst im Finale an Rumänien gescheitert. Gold und Silber, davon waren die Männer (sportlich für WM und EM nicht qualifiziert) und die Frauen (7. bei der WM, 8. bei der EM) zuletzt weit entfernt. Dass die Männer, durch eine Wildcard alimentiert, trotzdem zur WM 2015 nach Katar reisen dürfen, ist lediglich als Gnadenakt des Weltverbands IHF zu verstehen.

Ob diese hoffnungsvollen Jahrgänge wirklich für eine bessere Zukunft stehen, muss sich zeigen. "Die Fußballer haben es uns vorgemacht", sagt Baur, der selbst 2007 am letzten großen deutschen Titel beteiligt war, als Kapitän und Mittelmann. Sein Satz ist eine Anspielung auf die Fußball-Junioren um Manuel Neuer, Mesut Özil und Sami Khedira, die 2009 Junioren-Europameister wurden; zahlreiche Eckpfeiler dieses Teams ließen 2014 den Titel bei der WM in Brasilien folgen.

In fünf Jahren gleiches von seinen Jungs zu erwarten, verbittet sich Baur, wenngleich er um die Qualitäten seines Kaders weiß. "Wenn wir alles abrufen, ist es für die anderen Juniorenteams kaum möglich, gegen uns zu gewinnen", sagt Baur. Er hat im Handball viel gesehen, große Siege gefeiert, schlimme Niederlagen erlebt. Baur weiß: Er hat einen richtig starken Jahrgang beisammen.

Die Rechnung, dass davon in absehbarer Zeit auch das A-Team profitiert, geht jedoch nicht automatisch auf. Er erwarte, dass einige dieser Spieler 2019 oder 2020 "echte Leistungsträger" der großen Nationalmannschaft sind, sagt zwar der stellvertretende DHB-Präsident Bob Hanning. Viel hängt jedoch davon ab, ob prägende Spieler wie Yves Kunkel (GWD Minden), der im Finale neun Tore warf, Paul Drux (Füchse Berlin) oder Tim Suton (Rhein-Neckar Löwen) künftig Spielpraxis bekommen, oder ob sie auf den Bundesliga-Ersatzbänken versauern.

Laut Baur stehen die Chancen gut: Er und sein Trainerkollege Axel Kromer können bereits jetzt auf nahezu jeder Position auf Erstligaspieler aus Deutschland, Dänemark und der Schweiz zurückgreifen. Der Schritt in die A-Mannschaft sei immer noch "riesengroß", warnt Baur. Aber eben ein Stück kleiner als bei anderen Jahrgängen.

Ein außergewöhnlicher Jahrgang: Die deutschen Nachwuchshandballer nach ihrem Finalsieg gegen Schweden. (Foto: Heuberger/imago)

Auch bei DHB-Präsident Bernhard Bauer ist die Freude groß - allzu viele positive Nachrichten hatte er zuletzt nicht zu vermelden. "Unsere Junioren haben gezeigt, dass wir zu Recht auf sie bauen", sagt Bauer. Der Verband hat gerade ein neues Arbeitspapier für die Jugend verabschiedet, die Arbeit in den Leistungszentren zahle sich aus, findet auch Hanning.

In den kommenden Tagen will der DHB einen neuen Handball-Bundestrainer vorstellen, der dann auch die erfolgreichen Junioren mitnimmt, jedoch "ohne dem Jugendwahn zu verfallen", wie Hanning sagt. Gehandelt werden Namen wie Ljubomir Vranjes oder Dagur Sigurdsson, zwei verdiente Bundesligatrainer, die bereits einige Jugendspieler nach oben geführt haben. Noch setzt die DHB-Spitze auf Geheimniskrämerei.

Dass auch Markus Baur in jungen Trainerjahren ein Kandidat für den Chefposten sein soll, ehrt ihn zwar. Er sieht seine Aufgabe trotzdem zunächst bei den Junioren. Sein Erfolgsjahrgang hat sich für die U21-WM qualifiziert, 2015 entlässt Baur ihn dann endgültig Richtung Männersport. Nicht ausgeschlossen, dass der Coach sie nach oben begleitet, irgendwann Bundestrainer wird. Der Fünfjahresplan, den die Fußballer vorgelegt haben, könnte genau aufgehen: 2014 der Titel bei der Junioren-EM, 2019 richtet Deutschland die Handball-Weltmeisterschaft aus.

© SZ vom 05.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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