Triathlon:Hymnen für die anderen

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Beste Deutsche beim Triathlon in Hamburg: Die erst 19 Jahre alte Laura Lindemann erreichte bei den Frauen als Siebte das Ziel. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Gut, aber nicht gut genug für die besten Plätzen: Die deutsche Athleten kämpfen bei der WM-Etappe in Hamburg um den Anschluss an die Spitze. Doch als bedenklich sehen die DTU-Verantwortlichen die Situation allenfalls bei den Männern.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Jetzt steht Anne Haug da mit diesem 15. Platz und kann weder zufrieden noch unzufrieden sein damit. Am Hamburger Rathausplatz brandet noch mal Applaus auf, weil auf der deutschen Etappe der WM-Serie die Siegerehrung zum Triathlon-Sprintrennen stattfindet. Hymnen und Applaus für die anderen. Anne Haug, 32, dagegen erzählt nüchtern von ihren vergeblichen Bemühungen. Wie sie nach dem Schwimmen zu spät von der 750-Meter-Schleife in der Binnenalster kam. Wie sie auf der 20-Kilometer-Radstrecke kurz glaubte, ihre Verfolger-Gruppe könne zu den Besten aufschließen. Wie der Abstand dann doch wieder größer wurde. Und wie sie sich beim abschließenden Fünf-Kilometer-Lauf noch etwas verbesserte. Mehr ging nicht an diesem warmen, windigen Samstag in der Hansestadt, was für eine frühere WM-Zweite einerseits nicht so toll ist. Andererseits hätte es auch schlechter ausgehen können. "Mir fehlt halt ein halbes Jahr, in dem ich verletzt war", sagt Anne Haug, "das kann ich nicht wegzaubern."

Die deutschen Triathleten arbeiten noch an ihrem nächsten durchschlagenden Einzel-Erfolg. Das hat man auch am Wochenende beim Heim-WM-Rennen in der Hamburger City beobachten dürfen, bei dem sie nämlich gut, aber nicht gut genug für die besten Plätze waren. Bei den Frauen überzeugte die Juniorin Laura Lindemann, 19, als Siebte und Beste im Team der Deutschen Triathlon-Union (DTU); bei den Männern erzielte Justus Nieschlag, 23, als Zehnter das höchste Ergebnis für die DTU. Und die Mixed-Staffel belegte am Sonntag Rang vier. Den meisten Beifall bekamen die anderen, namentlich die Amerikanerin Gwen Jorgensen für ihren elften Einzel-Sieg in Serie beziehungsweise der Franzose Vincent Luis, der die hochgewetteten Spanier Javier Gomez und Mario Mola auf die Ränge zwei und drei verwies.

Anne Haug muss sich wieder hinten anstellen - nicht leicht, wenn man mal ganz vorne war

Schlimm? Krise? So sehen das die DTU-Verantwortlichen nicht, auch wenn sie vor allem bei den ersatzgeschwächten Männern ein klares Bewusstsein für die Risiken haben - ein Jahr vor den Spielen in Rio geht es darum, die maximale Zahl von drei Olympia-Startplätzen zu verteidigen. "Bei den Frauen sind wir relativ sicher, dass wir die behalten, da müsste schon der Blitz in den Mannschaftsbus einschlagen", sagt Cheftrainer Ralf Ebli. Bei den Frauen besteht das Team aus sechs wehrhaften Kolleginnen, zu denen etwa die U23-Weltmeisterin Sophia Saller zählt (in Hamburg 29.) oder eben die routinierte Anne Haug. Die Männer dagegen könnten einen Platz an die stärker werdenden Mexikaner verlieren. "Bei den Männern haben wir nicht die Dichte wie bei den Frauen", sagt Ebli.

Trotzdem richtet sich ein besonderes Augenmerk auf Anne Haug aus Bayreuth, was sie je nach Laune als Segen oder Fluch der guten Tat sehen kann. Vor nicht allzu langer Zeit war Anne Haug die DTU-Garantin für Positiv-Schlagzeilen. Sie galt als Musterbeispiel für eine Sportlerin, die ihre Karriere selbst in die Hand nimmt, weil sie den entscheidenden Leistungssprung als Mitglied der international besetzten Athletinnen-Gruppe bei Trainer Darren Smith in Australien machte. Dem WM-Silber folgte 2013 WM-Platz drei, 2013 war sie in Hamburg sogar Tagessiegerin. Und dann?

Dann stürzte sie Ende Mai 2014 beim WM-Rennen in London und war danach außer Gefecht: Knochenödem an der Hüfte. Die Saison war gelaufen und der normale Trainingsablauf gestört. "Ich konnte ab Hüfte abwärts nichts mehr benutzen", sagt sie, "ich konnte keinen Beinschlag im Schwimmen machen, das war ja ein Stillstand." Mit dem Handbike ist Anne Haug deshalb gefahren, hat am Zugseil gearbeitet und auch sonst den Oberkörper fit gehalten, um den Trainingsrückstand einigermaßen im Rahmen zu halten. Seit Januar steht sie wieder voll im Training, aber natürlich spürt sie, dass ihr die Grundlagen fehlen, um gleich wieder an alte Erfolge anzuknüpfen. "So eine Leistung wie 2013 ist ein Ergebnis von ganz konstantem, jahrelangem Training", sagt Anne Haug, "einen Einschnitt von einem halben Jahr kann man da nicht einfach wegmachen."

Es ist nicht leicht, sich wieder hinten anstellen zu müssen, wenn man doch mal ganz weit vorne war. Außerdem ereignete sich das Seuchenjahr ausgerechnet, nachdem Anne Haug in die DTU-Obhut zurückgekehrt war und sich wieder dem Bundestrainer Dan Lorang angeschlossen hatte, der schon ihr Trainer war, als sie noch eine kaum bekannte Sportstudentin in München war. Aber Anne Haug neigt nicht zum Hadern. "Ja mei", sagt sie, "im Sport gehört es dazu, dass man Rückschläge hat. Man darf sich halt nicht aus der Fassung bringen lassen."

Es ist nichts verloren. Anne Haug hat sogar noch die Chance, den aktuellen Sommer zu einem glücklichen Ende zu bringen. In zwei Wochen findet in Rio der Testwettkampf für Olympia statt. Wer dort unter die ersten Acht kommt und das beste DTU-Ergebnis erzielt, ist schon so gut wie für die Spiele qualifiziert. Das Rennen wird Anne Haugs Saisonhöhepunkt. Sie will die frühe Nominierung. "Ob es realistisch ist, weiß ich nicht", gibt sie zu. Aber sie fühlt sich schon stark genug, um sich wenigstens ein paar Hoffnungen zu machen auf einen Erfolg in Brasilien.

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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