Tod von Vielseitigkeitsreiter Benjamin Winter:"Der Unfall hinterlässt uns fassungslos"

Vielseitigkeit - Gedenkzeremonie in Luhmühlen

Trauer nach dem tödlichen Unfall: Die Gedenkzeremonie in Luhmühlen

(Foto: dpa)

Bei einer Trauerfeier nehmen die Reiterkollegen Abschied von dem tödlich verunglückten Benjamin Winter - danach wird die Vielseitigkeitsprüfung in Luhmühlen fortgesetzt. Doch zur Ursache des schrecklichen Unfalls gibt es noch viele Fragen.

Zwei Pferdepflegerinnen schluchzten bitterlich bei der kurzen Gedenkzeremonie, während der Schweigeminute musste Doppel-Olympiasieger Michael Jung schlucken: Der Unfalltod von Benjamin Winter bei der Viersterne-Prüfung in Luhmühlen hat die deutschen Vielseitigkeitsreiter in erheblichen Erklärungsnotstand gebracht.

Der trotz seiner erst 25 Jahre schon sehr erfahrene Reiter aus Warendorf war am Samstag bei der Geländeprüfung an Sprung 20 so schwer gestürzt, dass selbst Spezialisten im Unfallkrankenhaus Boberg bei Hamburg sein Leben nicht mehr retten konnten. Notärztin Annette Lorey-Tews sprach von einem schweren Trauma durch den Aufprall mit dem Kopf auf den Boden und den nachfolgenden Überschlag.

Winter war von seiner Mutter, seiner Schwester und seinem Bruder nach Luhmühlen begleitet worden. Bei der knapp zehnminütigen Andacht am Tag danach erinnerte Breido zu Rantzau, Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, an den Verstorbenen: "Ben war so hoffnungsvoll und hat uns so viel Freude bereitet. Dieser furchtbare Unfall hinterlässt uns fassungslos." Die Flaggen rund um den Turnierplatz wehten auf Halbmast, ein Foto von Winter erschien auf der Videowand.

Nach den Trauerzeremonien wurde die bedeutendste Prüfung in der Vielseitigkeit auf deutschem Boden mit dem Springen abgeschlossen - auch auf Wunsch von Sybille Winter, Mutter des Unfallopfers und selbst aktive Trainerin und Reiterin: "Seine größte Sorge wäre gewesen, dass sein Unfall dazu führen könnte, dass sein Sport in der Öffentlichkeit schlecht geredet wird."

Nach der Tragödie um den Warendorfer, dessen Pferd Ispo bei dem Sturz unverletzt blieb, wird die Kritik an der gefährlichsten Disziplin in der Reiterei dennoch lauter. Schon vor Winters fatalem Sturz hatte es mehrere Zwischenfälle gegeben: Der Fuchswallach Liberal mit Reiter Tom Crisp verlor auf der 6600 Meter langen Geländestrecke sein Leben, im Vorjahr war Petite Bombe auf dem gleichen Kurs zu Tode gestürzt.

Vorhaltungen gegen den Kurs

Parcourschef Mark Phillips wehrte sich indes vehement gegen Vorhaltungen, der Kurs sei zu anspruchsvoll gewesen: "Viele Reiter haben mir vorher gesagt, dass die Strecke leichter geworden ist. Und die Bedingungen waren gut." Dennoch: Wenn selbst ein Reiter wie Winter, bereits zweimal EM-Teilnehmer, damit umgehen musste, bei seinem Sport quasi in Lebensgefahr zu schweben, wieviel gefährlicher ist es dann für leistungsschwächere Athleten, unbeschadet aus einem Turnier herauszukommen.

Zudem war die Tragödie um den Westfalen offensichtlich nicht die schreckliche Konsequenz eines schweren Reitfehlers. "Ein Versehen im Absprung", nannte der Technische Delegierte des Reiterweltverbandes FEI Martin Plewa den Ausgangspunkt des fatalen Sturzes, doch diese Debatte wollte Bundestrainer Hans Melzer so gar nicht aufkommen lassen. "Pferd und Reiter waren definitiv nicht überfordert", sagte der Chefcoach. Das verhängnisvolle Hindernis, der sogenannte Ariat Table, gehört seit Jahren zum Standardprogramm in Luhmühlen.

Und dennoch: Im vergangenen Jahrzehnt gab es im Durchschnitt jährlich einen tödlichen Unfall. Besonders gehäuft war es im vergangenen Jahr: Binnen sechs Monaten verunglückten ein französischer Reiter in Portugal, eine deutsche Reiterin beim Training in Luhmühlen sowie ein Neuseeländer in Großbritannien.

Fünf Reiter mussten auch dieses Mal in Luhmühlen nach einem Sturz aufgeben, es blieb in diesen Fällen aber bei weniger schwerwiegenden Verletzungen. Die Britin Georgie Spence erlitt einen Schlüsselbeinbruch, die nach der Dressur führende Lucinda Fredericks aus Australien zog sich Prellungen zu.

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