Tennis:Well done statt blutig

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Frust in Frankfurt: Alexander Zverev erspielte in drei Einsätzen nur einen Punkt fürs deutsche Team. (Foto: Eibner/Imago)

Das deutsche Davis-Cup-Team hadert mit der überraschenden Niederlage gegen Belgien und findet einen Grund: Der Belag sei nicht so gewesen wie bestellt - der langjährige DTB-Bodenlieferant wehrt sich mit schlüssigen Argumenten.

Von Philipp Schneider, Frankfurt

In Windeseile verbreitete sich Michael Kohlmanns Steak-Vergleich am Sonntag in der Frankfurter Ballsporthalle. Schon 20 Minuten später hatten ihn nicht nur Personen gehört, die gar nicht im Raum gewesen waren, als der Kapitän des deutschen Davis-Cup-Teams bei der abschließenden Pressekonferenz die Beschaffenheit des Bodenbelags kritisiert hatte. Auch den eigentlichen Adressaten hatte die Kritik inzwischen auf Umwegen erreicht. "Hat er das wirklich gesagt", fragte der Tennisplatzbauer Andreas Kemmerer: "Der Boden ist wie ein Steak?" Ehe er sich dazu äußern könne, müsse er über die Angelegenheit eine Nacht schlafen, kündigte Kemmerer an.

Es gab ein paar Erklärungsansätze jenseits des Steaks, auf die sich alle einigen konnten, nachdem diese zugleich unnötige als auch überraschende 1:4-Niederlage des deutschen Davis-Cup-Teams gegen die nominell schlechtere belgische Mannschaft feststand. "Sehr emotional" sei eben alles gewesen, sagte Mischa Zverev, 29. Siebeneinhalb Jahre nach seinem letzten Einsatz war er ins Team zurückgekehrt und hatte dann an der Seite seines zehn Jahre jüngeren Bruders Alexander das erste Geschwisterdoppel der deutschen Davis-Cup-Geschichte in fünf Sätzen verloren: "Ich habe nie wirklich die Ruhe gefunden. Es hat immer eine Nervosität gegeben, die ich nie ablegen konnte." Auch Kohlmann hatte einen medialen "Riesenhype" um die Zverevs wahrgenommen. Dass die Brüder mit großer Anspannung in das Match gegangen seien, sei nachvollziehbar. Zum anderen waren sich alle einig, dass der Belgier Steve Darcis, Nummer 59 der Welt, nicht viel besser Tennis spielen kann, als er es am Wochenende tat. Mit seiner unterschnittenen Rückhand und Bällen, die auf der Gegenseite fast liegen blieben, hatte Darcis erst Philipp Kohlschreiber geärgert - und zwei Tage später den entscheidenden Punkt zum 3:1 gegen Alexander Zverev erkämpft. Darcis habe "weit über seinen Verhältnissen gespielt", fand Kohlmann. "Steve hat sehr gut gespielt, ihm liegt der Platz besser", sagte Zverev.

Nun obliegt im Davis Cup die Wahl des Belages dem Gastgeber. Sollte der Platz also wirklich Darcis besser gefallen haben als Zverev, dann muss vorher irgendetwas schiefgelaufen sein.

"Sorry, das darf so nicht mehr passieren", sagt der Vizepräsident

Er habe einen "langsamen Belag mit hohem Absprung" bestellt, sagte Kohlmann. Geliefert worden sei laut offizieller Messung der ITF ein Boden mit der Eigenschaft "medium fast" - also ein mittelschneller mit flacherem Absprung. Ein flacher Absprung würde Darcis' ohnehin kaum springenden Bälle fast zum Erliegen bringen. Und dann ließ Kohlmann sein in der Tat bemerkenswertes kulinarisches Gleichnis folgen: "Wenn Sie im Restaurant ein blutiges Steak bestellen, und es wird medium oder well done an den Tisch gebracht, dann können Sie es zurückgeben. Das geht beim Boden nicht." Der Davis Cup sei kein Restaurant, sondern ein Drive Through. Wenn man da als Kunde einen Fehler bemerke, sei es für eine Reklamation längst zu spät. Kohlmann ergänzte zwar noch, er wolle die Niederlage "nicht alleine auf den Boden schieben". Doch in der Welt war die Kritik allemal. Zumal sie aufgenommen und verstärkt wurde von DTB-Sportdirektor Klaus Eberhard und Vizepräsident Dirk Hordorff. Die Beschaffenheit des Untergrunds sei ja eine der "Stellschrauben", auf die der DTB Einfluss habe, sagte Hordorff. Schon im März, bei der Erstrundenniederlage gegen Tschechien in Hannover, "war der Boden nicht so wie bestellt", klagte er: "Das ist jetzt einer der Punkte, die wir beim DTB auf der Liste haben: Sorry, das darf so nicht mehr passieren." Eberhard kündigte an, es werde "definitiv" Konsequenzen geben: "Wir haben schon viele Matches mit Herrn Kemmerer und seinen Böden gemacht, aber so extrem wie diesmal war es noch nie."

Auch nachdem er eine Nacht über die Steakgeschichte geschlafen hatte, wollte sich der Bodenlieferant des DTB nicht mit Vehemenz wehren. Er habe mit Kohlmann noch nicht gesprochen, sagte Kemmerer. Da der DTB ein wichtiger Kunde von ihm sei, wolle er die Angelegenheit zunächst intern regeln. Verraten sei nur so viel: Der von ihm verlegte Boden, ein Hartplatz der Marke Rebound Ace, sei identisch mit demjenigen, auf dem Alexander Zverev im September in St. Petersburg seinen ersten Titel auf der ATP-Tour gewonnen habe. Außerdem sei es zu simpel, wie der DTB argumentiere, die Höhe des Absprungs ergebe sich schließlich aus der Kombination von Boden und Bällen. "Einen hohen Absprung kann man nicht allein mit der Körnung im Boden garantieren."

Zum Glück hat der DTB nun Zeit, um diese Debatte intern zu regeln; die Abstiegs-Relegation im Davis Cup steht erst im September an. Übrigens: Mischa Zverev, der ja eine Gabe besitzt, Dinge anschaulich zu erklären, äußerte einen der simpelsten Erklärungsansätze zur Niederlage: "Das ganze Wochenende lief einfach nur schief. Es war alles komisch."

© SZ vom 07.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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