Tennis:Uneitler Kapitän

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Michael Kohlmann erfüllt die Vorgaben als Davis-Cup-Chef. Wenn man bedenkt, dass es in den vergangenen Jahren zudem so oft um den Posten des Teamkapitäns ging, wirkt es fast paradox, wie wenig er ein Thema ist.

Von Gerald Kleffmann, Hannover

Im Medienraum der Arena auf der Expo Plaza steht eine Wand, die mit Zeitungsartikeln behangen ist. Pressespiegel nennt sich diese Ansammlung. Die meisten Geschichten drehen sich um Alexander Zverev, auch Philipp Kohlschreiber kommt oft vor. Des Weiteren gibt es Berichte über Andreas Kemmerer, der den Tennisboden in der Halle verlegt hat. Michael Kohlmann taucht da nur am Rande auf. Das ist erstaunlich, einerseits. Andererseits erzählt es auch einiges darüber, welche Rolle er verkörpert. Er ist der starke Mann, ohne so aufzutreten.

Kohlmann ist ja der, der das deutsche Davis-Cup-Team seit einem Jahr verantwortet. Der in Hannover die Auswahl des Deutschen Tennis-Bundes bis Sonntag zum Erstrunden-Sieg gegen Tschechien führen soll. Der Vorgänger wie Wilhelm Bungert, Niki Pilic, Boris Becker, Michael Stich hat. Wenn man bedenkt, dass es in den vergangenen Jahren zudem so oft um den Posten des Teamkapitäns ging, wirkt es fast paradox, wie wenig Kohlmann, 42, aus Hagen in diesen Tagen ein Thema ist. Er sagt dazu lächelnd: "Das ist völlig okay. Die Spieler sind die Hauptfiguren für mich."

Am Freitag traf das besonders auf einen seiner Spieler zu. Im ersten Einzel mühte sich Kohlschreiber, noch der beste Deutsche in der Weltrangliste als 30., zu einem 3:6, 6:3, 6:4, 2:6, 6:3-Sieg gegen Lukas Rosol. Danach gab der 18-jährige Zverev sein Debüt, es wurde ein spezielles. Der Überflieger, schon 58. in der Welt, dominierte Top-Ten-Profi Tomas Berdych lange, ließ die deutschen Claqueure unter den 7000 Zuschauern jubeln und unterlag nach 4:20 Stunden nur knapp 6:7 (6), 6:1, 6:4, 6:7 (5), 4:6. 1:1 stand es damit vor dem Doppel am Samstag, angesetzt waren vorerst Philipp Petzschner und Dustin Brown für das Duell mit Jiri Vesely und Radek Stepanek. Kohlmann kann somit weiter auf eine Überraschung seines Teams hoffen, sie würde ihm helfen, seine Position zu stärken.

Er weiß, dass er durch Zufälle ins Amt kam. Der frühere Profi, der es im Einzel auf den 98. und im Doppel auf den 27. Weltranglistenplatz schaffte, strebte die Rolle nicht an. Als Notlösung wurde er gar betitelt, als er im Frühjahr 2015 auf Carsten Arriens folgte. Der war über einen Streit mit Deutschlands besten Profi Kohlschreiber gestolpert. Weil kein prominenter, starker Nachfolger in Sicht war oder einer wie Boris Becker Zeit hatte, rückte der Assistent von Arriens auf - und wurde mit einem prominenten, starken Assistenten versehen: Niki Pilic, 76, der im Davis Cup als Trainer so viel gewann, auch mit Deutschland, hilft ihm. "Ich hatte großen Respekt vor dieser Aufgabe", sagt Kohlmann, der schlau genug war, um zu wissen, was von ihm erwartet wurde: bloß nicht neuen Ärger zulassen, schlichten.

Kritiker konnten ihm vorwerfen, er habe sich dem machtbewussten Kohlschreiber unterworfen, der zwei Kapitäne (Kühnen, Arriens) durch Dispute verschlissen hatte. Aber dieser Vorwurf ist ungerecht. Kohlmann hat nur die Chance ergriffen, diesen Job zu machen - und Ärger nicht zugelassen. Einer, der ihm dafür in Hannover Respekt zollt, ist Boris Becker. "Ich muss ihm ein Kompliment aussprechen, er hat die besten Spieler zusammengebracht", sagt er, was man als Verweis deuten kann auf Arriens, der den eigenwilligen Kohlschreiber nicht mehr im Team haben wollte. Becker präzisierte: "Das Davis-Cup-Amt ist eine schwierige Aufgabe, man sieht die Spieler nicht immer."

Die meisten Probleme im deutschen Tennis sind tatsächlich entstanden, weil über-, nicht miteinander geredet wurde. Kohlmann, der die Fehler seiner Vorgänger kennt, will diese Fehler nicht machen: "Ich sehe mich hier weniger als Trainer. Ich bin Berater, Moderator." Er ist der bislang wohl uneitelste deutsche Davis-Cup-Chef. Diese Eigenschaft sichert seinen Posten. Eigentlich sind beim Training die Privattrainer auf dem Platz tabu. Zverevs Vater Alexander stand am Freitag wie selbstverständlich beim Einschlagen des Sohnes an der Grundlinie - neben Kohlmann.

In der DTB-Spitze ist man "sehr zufrieden" mit ihm, wie Vizepräsident Dirk Hordorff sagt. "Dieses Team macht Spaß." Dass Kohlmann medial kein PR-Produzent ist? "Er ist ein Basisarbeiter, das macht er einfach gut", findet Hordorff. Kohlmann ist ja den größten Teil des Jahres Cheftrainer des Bundesstützpunktes in Oberhaching, er kümmert sich um Jungprofis wie Maximilian Marterer und Daniel Masur. "Michael soll kein Entertainer sein. Und Großbritannien hat zuletzt den Davis Cup mit einem Trainer gewonnen, den nicht mal ich kannte", sagt Hordorff. Er meint Leon Smith, der nur einen Vorteil hatte: Er konnte auf einen wie Andy Murray bauen. Das kann Kohlmann nicht.

Seine Ausgangslage ist eine andere. Er muss einen Generationswechsel begleiten. Das Spitzenduo besteht aus Kohlschreiber, 32, und Zverev, 18. Dazwischen ist nicht viel. Tommy Haas, 37, wird 2016 die Karriere beenden. Diese Situation hat den Vorteil, dass Kohlmann wenig verlieren kann. Was soll man ihm vorwerfen? Die Stimmung im Team ist überdies auch wegen ihm gut. In der Branche ist es kein Geheimnis, dass der DTB eines Tages gerne einen Kapitän wie Becker, Haas, Schüttler hätte. Aber wenn die nicht den Finger heben, wird Kohlmann über sein Vertragsende 2016 hinaus den wichtigen Trainerjob behalten.

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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